Bürgerdialog zum Hauptbahnhof: „Es war eine reine Farce“
Bürgerbeteiligung zum Bau des neuen Bahnhofs: Die Dialogführung von Stadt und Bahn auf einer Info-Veranstaltung stößt auf scharfe Kritik.
München – So langsam nehmen sie Fahrt auf, die Pläne für das Neubauprojekt Hauptbahnhof. Etwa zehn bis zwölf Jahre wird er sich in eine Großbaustelle verwandeln, schätzt Erhard Thiel vom Planungsreferat. „Ein Mega-Projekt, das mindestens doppelt so viel kostet wie Stuttgart 21“, ergänzt DB Bauvorstand Rolf Reh bei der Informationsveranstaltung mit Diskussion am Montagabend.
Bahn und Stadt wollten den Münchnern an dem Abend Gelegenheit zu Kritik und Anregungen geben – doch für einige kam die Bürgerbeteiligung zu kurz. Statt einer Diskussion mit Wortmeldungen wurden Zettel verteilt, auf denen die Teilnehmer ihre Fragen notieren konnten. Nach Informationsvorträgen über den Neubau des Hauptbahnhofs und die zweite Stammstrecke folgte die Podiumsdiskussion, in der die Fragezettel – vorab sortiert – ausgewertet wurden.
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Für Karl Hofmann von der Initiative Münchner Architektur und Kultur, hat das nichts mit Bürgerbeteiligung zu tun: „Es war eine reine Farce. Es gab keinen Dialog, nur Briefe, die vorgelesen wurden.“ Er hätte sich einen direkte Fragerunde gewünscht – genau wie Florian Grüning, der für die Altstadtfreunde vor Ort war: „Ich finde es sehr enttäuschend, dass keine Wortmeldungen zugelassen wurden. Ich denke, die Bürger sind mündig genug für eine offene Veranstaltung.“
Trotzdem nutzten viele Teilnehmer die Gelegenheit, ihre Fragen zu stellen. Zum Thema Denkmalschutz erklärte Architekt Moritz Auer, dass es bei der Ausschreibung keine Aufgabe gewesen sei, Teile des alten Gebäudes zu erhalten. Zudem werde jeder Quadratmeter gebraucht. Auf die Bedenken, der Hauptbahnhof könne eine riesige Shopping-Mall werden und die umliegenden Geschäfte schädigen, antwortet Reh mit Fakten: Von vormals 12 500 Quadratmetern Einzelhandelsfläche werde sich der neue Hauptbahnhof lediglich auf 15 000 Quadratmeter Einzelhandel vergrößern.
Viele beschäftigt auch die akute Notwendigkeit der zweiten Stammstrecke. Hier sagt Bahnsprecher Michael Baufeld deutlich: „Wir brauchen neue Infrastruktur und können die Probleme ohne eine zweite Stammstrecke nicht lösen.“ Auch bei der Frage, was passiert, falls die Finanzierung kippt, zeigt sich Baufeld zuversichtlich. Die Landespolitik habe die feste Absicht, das Projekt zu realisieren – die konkrete Finanzierung soll im nächsten Jahr besprochen werden.
AZ-Kommentar: Mehr erwartet
Es war voll in der Freiheizhalle. Viele Münchnerinnen und Münchner wollten sich informieren, vor allem aber diskutieren. Da überrascht es schon sehr, dass Stadt und Deutsche Bahn bei einem so – im wahrsten Sinne des Wortes – zentralen Thema wie der Neugestaltung des Hauptbahnhofs die Bürger nicht zu Wort kommen lassen. Stattdessen gab es Zettel, die in einer Pause gesammelt, vorsortiert und dann paketweise abgearbeitet wurden. Dialog? Fehlanzeige. Fragt sich, warum.
Fürchten sich die Initiatoren vor allzu kritischen Äußerungen? Oder dienten die Zettel einfach dazu, die Fragen-Komplexe der (sehr zahlreichen) Teilnehmer zu strukturieren? Nicht wenige haben mehr erwartet und äußerten ihren Unmut in Zwischenrufen.
Stadtplanung ist mühsam – erst recht mit echter Bürgerbeteiligung. Ein so zentrales Großprojekt wieder der neue Hauptbahnhof hätte sie aber verdient.
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