Bub bei Training im Starnberger See ertrunken: Trainer angeklagt

München - "Irgendwann haben wir das leere Boot gesehen. Das war einfach leer." Dem sichtlich erschütterten Angeklagten bricht am Montag vor dem Amtsgericht Starnberg die Stimme, als er sich an die erfolglose Suche nach einem 13-Jährigen erinnert, der vor sechs Jahren beim Rudertraining im Starnberger See ertrank.
Bub ertrinkt beim Rudertraining: Trainer angeklagt
Ihm und einem anderen Betreuer, die am Tag des Unfalls im April 2015 das Training einer Schulsportgruppe leiteten, wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor.
Staatsanwaltschaft wirft Männern fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor
Beide Betreuer hatten zu Beginn der Verhandlung ihr tiefes Bedauern über den Tod des Münchner Gymnasiasten zum Ausdruck gebracht. Dass unter anderem unter seiner Obhut ein Kind starb, sei eine "unfassbare Tragödie", sagte der 55-Jährige. Auch der Mitangeklagte, ein erfahrener Trainer, zeigte sich zutiefst betroffen. Die als Nebenklägerin auftretende Mutter des Jungen nahm dies allerdings ohne größere sichtliche Regung entgegen.
Vater sucht Ufer nach Jungen mit Taschenlampe ab
Der Vater des Kindes schilderte als Zeuge eindringlich, wie er seinen Sohn vom Training abholen wollte. Immer wieder stockte er, während er die wachsende Sorge schilderte, als er feststellte, dass sein Sohn nicht auffindbar war. Er habe hilflos am Ufer gestanden. "Ich bin machtlos."
Vater drängt am Unfallabend auf eine Hubschrauber-Suche
Immer wieder habe er wegen der einbrechenden Dunkelheit darauf gedrungen, einen Hubschrauber anzufordern. Schließlich sei er mit einer Taschenlampe selbst losgezogen, um das Ufer nach dem Jungen abzusuchen.
Vielleicht, so habe er damals gehofft, liege sein Sohn irgendwo erschöpft am Ufer. "Meine Überlegung war: Wenn er lebt und am Ufer ist, dann kann man ihm nur jetzt helfen. Am nächsten Tag wäre es zu spät gewesen."
Der Anklage zufolge sollen die Trainer den 13-Jährigen am 19. April 2015 angewiesen haben, alleine in der Nähe des Ruderclubs zu trainieren. Sie selbst fuhren in einen anderen Teil des Sees, um andere Schüler zu beaufsichtigen.
Bub hat Trainingsbereich und Boot verlassen
Aus unbekannten Gründen soll der Schüler den Bereich, in dem er trainieren sollte, laut Anklage verlassen haben und ein Stück weit auf den See hinausgerudert sein. Den Weg zurück habe er aber wegen kräftigen Gegenwinds nicht geschafft.
Daher soll der 13-Jährige das Boot verlassen und versucht haben, zum Ufer zu schwimmen. Im kalten Wasser - die Anklage geht von acht Grad aus, ein Gutachter vermutete sogar noch niedrigere Temperaturen - starb er.
Anklage geht davon aus, dass Bub bewusstlos wurde
Der Gerichtsmediziner, der die Leiche des Jungen obduziert hatte, als sie einige Tage nach dem Unfall im See gefunden worden war, beschrieb, wie schnell der Körper eines Menschen in so kaltem Wasser auskühlt. Dies führe in wenigen Minuten in den lebensgefährlichen Bereich. Die Anklage geht davon aus, dass der 13-Jährige bewusstlos wurde und ertrank.
Der zentrale Vorwurf gegen die Betreuer ist, den 13-Jährigen allein gelassen zu haben. Der ebenfalls als Zeuge geladene Vorstand des Ruderclubs, mit dessen Booten und von dessen Gelände aus das Training stattgefunden hatte, sagte, dass dies nicht dem Trainingsleitfaden des Clubs entspreche. Allerdings war das Training keine Veranstaltung des Vereins, sondern eine Schulsportgruppe.
Eltern des toten Jungen kämpften für Strafprozess
Zudem zeigte sich der Vorstand überrascht über die Wahl des Bootes für den noch unerfahrenen Ruderer. Eigentlich lerne man Rudern nicht im Einer, sondern in großen Booten. Dies sei insbesondere in der Kaltwasserzeit eine zentrale Sicherheitsmaßnahme.
Die Eltern des toten Jungen haben jahrelang für einen Strafprozess gekämpft. Die Staatsanwaltschaft hatte die Sache ursprünglich am Landgericht München II angeklagt, das dann aber ans Amtsgericht verwies. Dort wurde der Prozess gegen Geldauflagen eingestellt. Die Staatsanwaltschaft München II und die Nebenklage legten Beschwerde ein. Das Landgericht München II hob daraufhin den Einstellungsbeschluss auf, weswegen nun in Starnberg verhandelt wird.