Brutale Wiesn-Wochenenden: Der Stadtrat ist ratlos
MÜNCHEN - Die Polizei hatte 5,5 Prozent mehr Einsätze als im Vorjahr – und das bei weniger Besuchern. Dem Kreisverwaltungsreferat besonders macht die erhöhte Gewaltbereitschaft an Freitagen und Samstagen Sorgen.
Wie brutal war die Wiesn 2009 wirklich? Im Stadtrat herrschte da gestern Ratlosigkeit, als dem Wirtschaftsausschuss die trockenen Zahlen auf den Tisch gelegt wurden. Bei weniger Besuchern hatte die Polizei 5,45 Prozent mehr Einsätze. Die Rettungsdienste mussten in einer „bisher nicht gekannten Größenordnung“ ausrücken, die Zahl der lebensbedrohlichen Fälle hatte sich gegenüber 2008 von 46 auf 94 Fälle verdoppelt. Das KVR spricht von einer „veränderten Besucherzusammensetzung an den Freitagen und Samstagen mit einem geänderten Aggressionspotential“.
Stadträtin Dagmar Henn (Linke) hatte den Bericht bis zu Ende gelesen, wo im Anhang der Rettungsbericht mit der Einschätzung des KVR stand. Allein das Rote Kreuz wurde zu 9609 Einsätzen gerufen (gegenüber 7220 im Jahre 2008). Die Feuerwehr berichtet: „Dieser plötzliche Anstieg vor allem an den Samstagen hat alle Beteiligten überrascht. Es nahm nicht nur die Gesamtzahl zu, sondern auch die Anzahl der lebensbedrohlichen Notfälle.“ Dann folgt die Vermutung, dass dies mit dem „geänderten Aggressionspotential zusammenhängen“ könne – es ging also nicht nur um „Bierleichen“, sondern auch um tätliche Auseinandersetzungen.
„Damit muss man bei so einem Fest leben können“, meinte Wirtschaftsreferent Dieter Reiter (SPD). Dennoch bittet OB Ude die Polizei, die Personendaten auszuwerten: Wie viele Fälle waren Gewalt, wie viele dem Alkohol zuzuschreiben?
Die Polizei berichtet, dass es bei „nur“ 5,7 Millionen Besuchern 5,45 Prozent mehr Einsätze gab. Dabei kam es zu 28 Prozent mehr „Freiheitsentziehungen“ (975). Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 320 auf 348 Fälle – bei weniger Besuchern. 42 Mal war ein Maßkrug im Spiel.
Ein Problem war manchmal der Ordnungsdienst. Da mahnte CSU-Stadtrat Manuel Pretzl ein Eingreifen an: „In einzelnen Zelten gab es massive Probleme.“ Auch die Polizei macht sich Sorgen: Es entstehe der „Eindruck, dass die Ordner nicht mehr die notwendige Belastungsfähigkeit, insbesondere Stressstabilität, aufweisen“. Auch bei der AZ kamen Hinweise auf einzelne Übergriffe von Ordnern an.
Auffällig war, dass ein Großteil der von Polizei und Jugendamt aufgegriffenen betrunkenen Jugendlichen sich schon im Vorfeld der Wiesn zugedröhnt hatte.
Willi Bock