Brustkrebs: Therapie ohne Chemo?

Bis zu einem Fünftel aller Brustkrebs-Patientinnen könnten ohne eine Behandlung mit stark belastenden Medikamenten auskommen, sagt eine Münchner Medizinerin.
von  Jasmin Menrad

Bis zu einem Fünftel aller Brustkrebs-Patientinnen könnten ohne eine Behandlung mit stark belastenden Artzney auskommen, sagt eine Münchner Medizinerin. Dafür müssten sie einen Test machen.

 

MÜNCHEN Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Erschöpfungszustände, Entzündungen im Mund, Fieber, Gliederschmerzen, Verlust der Haare – das sind Nebenwirkungen, die bei einer Chemotherapie auftreten können. Aber die ist offenbar bei bis zu einem Fünftel der Patientinnen überflüssig. Das erklärt eine Münchner Expertin – und zeigt auf, wie sich die Chemo vermeiden ließe. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Wie wird Brustkrebs behandelt?

Er ist in der Mehrzahl der Fälle heilbar – vorausgesetzt, es haben sich keine Metastasen in anderen Organen gebildet. Die Standardbehandlung ist eine Operation der Brust und Achselhöhle, gegebenenfalls eine Nachbestrahlung und in der Regel eine vorbeugende Artzney Therapie, bei der oft auch eine Chemotherapie gemacht wird.

Wer braucht die Chemo?

3700 Frauen erkranken in Oberbayern und Landshut jährlich an Brustkrebs. Fast die Hälfte der Patientinnen werden mit einer Chemotherapie behandelt. Die werde meist verabreicht, um einem Rückfall vorzubeugen, sagt die Münchner Ärztin Nadia Harbeck. Dabei wäre das bei zehn bis 20 Prozent dieser Frauen gar nicht notwendig, weil bei ihnen nicht damit zu rechnen sei, dass der Krebs wiederkomme.

Lässt sich vorab testen, ob die Chemo nötig ist?

Nadia Harbeck hat gemeinsam mit Ärzten der Technischen Universität München den uPa/PAI-1-Test (auch Femtelle-Test genannt) entwickelt, der bei über der Hälfte der Brustkrebs-Patientinnen eine Risikoabschätzung geben kann, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist.

Wie funktioniert der Test?

Wenn in einer Operation der Tumor entfernt wird, soll der operierende Arzt einen Teil des frischen Tumorgewebes einfrieren und an ein Labor schicken. Dort wird das Gewebe auf die Eiweißmoleküle uPA und PAI-1 getestet. Wenn einer der Werte erhöht sei, handle es sich um eine bösartige Tumorzelle, die zur Bildung von Metastasen neige, erklärt Ärztin Harbeck. Dann sei eine Chemotherapie erforderlich. Bei einem niedrigen Wert schätzen die Ärzte die Überlebenschance der Patientin für die nächsten zehn Jahre auf 90Prozent. Die Nebenwirkungen einer Chemotherapie würden daher deren Nutzen aufwiegen.

Ist der Test zugelassen?

Seit 2007 ist die Zuverlässigkeit des Femtelle-Tests anerkannt, doch nur ein Drittel der deutschen Krankenhäuser wendet ihn an. Dabei könnte bei über der Hälfte der 58 000 Frauen, die jährlich in Deutschland an Brustkrebs erkranken, dieser Test angewandt werden. So würden sich – laut Experten – bis zu 15000 Patientinnen eine Chemotherapie ersparen.

Zahlt die Krankenkasse?

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten, die zwischen 200 und 300 Euro liegen, bisher nicht. Die Chemotherapie (3000 bis 10000 Euro) wird übernommen – auch wenn sie womöglich nicht immer nötig ist.

Wer kommt für die Kosten auf?

„Die Entscheidung für oder gegen diesen Test liegt beim einzelnen Krankenhaus“, erklärt Claudia Widmaier vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen. Das heißt, dass die Kliniken selbst für die Kosten aufkommen müssen – oder die Patienten zur Kasse bitten. Nur eine Krankenkasse zahlt bisher für den Femtelle-Test: Die Handelskrankenkasse, die dem Verband der Ersatzkassen angehört. Die erklärt zu dem Test: „Seine Zuverlässigkeit wurde in nationalen und internationalen Studien nachgewiesen. Aus diesem Grund wird er bereits in führenden US-amerikanischen und deutschen Behandlungsleitlinien empfohlen.“

Warum bieten nicht alle Kliniken den Test an?

Da das entnommene Gewebe frisch eingefroren werden muss, muss dafür erst die notwendige Logistik geschaffen werden. Manche Krankenhäuser scheuen diesen Aufwand – und die zusätzlichen Ausgaben.

Wo wird der Test in München angewendet?

Im Rechts der Isar, in den Frauenkliniken in Großhadern und in der Maistraße.

Wo gibt es eine erste Hilfe bei einer Brustkrebs-Erkrankung?

Beim Frauenarzt und dem Verein „Brustkrebs Deutschland“. Der bietet eine kostenlose Telefonberatung für Betroffene und Angehörige unter: 0800-0117112.

"Eine Chance auf neue Therapien": Lesen Sie in der AZ-Printausgabe vom 23.11.2011 ein Interview mit Nadja Habeck, der neuen Leiterin der Brustzentren der Kliniken in der Maistraße

 

 

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