Brunos Überreste werden unsterblich

Es gibt ein Leben nach dem Tod, glauben viele. Und für Bruno, den Bär, gilt das gleich doppelt. Denn der erste Wissenschaftler forscht bereits mit einer Gewebeprobe des Tieres.
von  Abendzeitung
Brunos Fell ist mittlerweile im Museum zu bewundern.
Brunos Fell ist mittlerweile im Museum zu bewundern. © ap

MÜNCHEN - Es gibt ein Leben nach dem Tod, glauben viele. Und für Bruno, den Bär, gilt das gleich doppelt. Denn der erste Wissenschaftler forscht bereits mit einer Gewebeprobe des Tieres.

Medienbär Bruno hat zwei Leben: ein öffentliches als Besucherliebling im Museum „Mensch und Natur“ und ein bislang unbekanntes als Wissenschafts-Star in der Zoologischen Staatssammlung.

Dort, in der Münchhausenstraße in Obermenzing, gibt’s keinen Publikumsverkehr. Die etwa fünf Kilo Knochen und Gewebereste, die von Bruno noch existieren, bekommen nur Fachwissenschaftler zu sehen. Doch der AZ gewährte Richard Kraft, Hauptkonservator und Leiter der Sektion Säugetiere, gestern exklusiv Einblick in sein Reich.

Der 59-Jährige ist Herr über 20 Millionen Tier-Präparate aus der Klasse der Säugetiere. In riesigen unterirdischen Magazin-Räumen lagern Zebras Kopf an Kopf mit Hunden, Hyänen, Füchsen, Wölfen, Zwerghirschembryonen in Alkohol – und Bären.

Die Knochen lagern in roten Plastik-Kisten

Die wenigsten Tiere sind – wie man das aus dem Biologie-Unterricht kennt – als Skelette aufgebaut, stattdessen lagern die Knochen, teilweise säuberlich in Tüten verpackt, in roten Plastik-Kisten, die wiederum in deckenhohen Regalen untergebracht sind.

Eine Abteilung der unzähligen Regal-Reihen ist mit „Ursus arctos“-Schildchen versehen. Das wird Brunos letzte Ruhestätte. Mit der Inventar-Nummer 1835/1 lagert hier auch Brunos Vorgänger: Der Bär, der am 24. Oktober 1835 in Schwarzenbach bei Ruhpolding erlegt wurde. Von einem gewissen „Forstamtsactuar Klein“, wie gewissenhaft auf dem Schädelknochen des Tieres vermerkt ist. „Er ist per Kopfschuss getötet worden“, sagt Kraft und deutet auf ein Zehn-Cent-großes Loch im Schädel. Auf Brunos Schädelknochen wird der Name des Schützen wohl nicht genannt werden. „Den wissen wir auch gar nicht“, beteuert Kraft.

Aber noch funktioniert das mit dem Beschriften ohnehin nicht. Denn Brunos Knochen lagern zur Zeit in einer Gefriertruhe der Zoologischen Staatssammlung. „An den Knochen befinden sich noch Fleischreste, die entfernt werden müssen“, erklärt der Experte. „Mazerieren“ heißt das im Fachjargon. Dabei werden die Knochen bei 40 bis 50 Grad in eine Lösung gelegt. „Es entstehen Bakterien, die dazu führen, dass das Fleisch vom Knochen abfault“, erklärt Kraft. Der Behälter, in dem das geschieht, ist aber gerade von Elefantenknochen besetzt. Bruno ist erst im April dran. „Weil während des Fäulnisprozesses furchtbarer Gestank entsteht, tragen wir beim Öffnen des Behälters Gasmasken“, erzählt Richard Kraft.

Wenn die Knochen dann elfenbeinfarben, glatt und sauber sind, kommen sie zum „Entfetten“, damit das Fett im Knochen im Lauf der Jahrzehnte nicht an die Oberfläche gelangt und für ranzigen Geruch sorgt, der Schädlinge anlockt.

Und wofür das Ganze?

Um Verwandtschaftverhältnisse zu untersuchen zum Beispiel. Oder Beziehungen innerhalb der Arten. „Man könnte zum Beispiel herausfinden, ob Bruno mit seinem Vorgänger von 1835 näher verwandt ist“, sagt Kraft. Ein Göttinger Forscher arbeitet bereits mit Gewebeproben von Bruno. Er forscht an der Bären-Population im Trentino.

Es kann aber auch sein, sagt Kraft, dass Knochen jahrzehntelang unberührt in den Regalreihen liegen – bis irgendwann wieder ein Wissenschaftler mit einem Forschungsanliegen daherkommt.

Eilig geht’s in der Zoologischen Staatssammlung nicht zu. „Wenn die Konchen erst mazeriert und entfettet sind, halten sie theoretisch zehntausende Jahre“, sagt Kraft.

Was nur fair ist: Schließlich war Brunos erstes Leben als JJ1 nur kurz, da darf sein zweites, das mit der noch unvollständigen Inventarnummer 2008/?, ruhig ewig währen.

Daniela Transiskus

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