Brunner-Schläger: "Krass, die wollen einen Film über mich drehen"

Mordprozess Dominik Brunner: Die Briefe des Angeklagten Markus S. (19) – und die Einschätzung von Jugendpsychiater Franz Joseph Freisleder.
MÜNCHEN „Es tut mir so wahnsinnig leid, was passiert ist“, schreibt Markus S. im Februar aus Stadelheim an seine Mutter. „Ich werde mich bessern, hole meinen Quali nach und die Mittlere Reife. Ich habe mit der ganzen Scheiße abgeschlossen.“
Mit der Verlesung seiner Briefauszüge und dem Gutachten des Jugendpsychiaters Franz Joseph Freisleder (54) ging gestern die Beweisaufnahme im Mordprozess um den Tod Dominik Brunners zu Ende. Am 24. August sind die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geplant, am 6. September will der Vorsitzende Richter Reinhold Baier sein Urteil verkünden.
Markus S. (19) und Sebastian L. (18) müssen sich vor der Jugendkammer des Landgerichts wegen Mordes an dem Manager verantworten. Der 50-Jährige war am 12. September 2009 nach Schlägen und Tritten am S-Bahnhof Solln gestorben. Brunner hatte vier Schüler vor den Angeklagten schützen wollen.
Die Briefe von Markus S. scheinen eine Entwicklung zu zeigen. Heißt es im September im Brief an seinen Bruder Peter noch großtuerisch, dass er „bekannter als der Pate“ sein wird, ist der Ton im Dezember deutlich nachdenklicher: „Drogen machen dich innerlich tot“ und „Du kannst nur der Familie trauen“. In Briefen an Mutter und Schwester bereut er das Geschehen von Solln, gelobt Besserung.
In den Briefen an Bruder Peter träumt der Untersuchungshäftling allerdings weiter von einer Rapper-Karriere und hofft auf „Gagen von RTL & Co“, die sich an seinen Anwalt gewandt haben sollen: „Voll krass, dass man einen Film über mich drehen will.“
Freisleders Gutachten dürfte ein zentraler Baustein im Urteil der Münchner Jugendkammer werden. Er hält beide Angeklagte für voll schuldfähig, regt aber auf Grund ihrer Störungen im Sozialverhalten „dringend“ eine Therapie an.
Nach Meinung des Experten sprechen bei Markus S. „mehr Gründe für Reiferückstände als dagegen“. Folgt ihm das Gericht in dieser Ansicht würde § 105 des Jugendgerichtsgesetzes angewendet: Der 19-Jährige könnte nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.
Der psychologische Gutachter Günther Lauber hatte dem Angeklagten bereits am Montag mangelnde Reife attestiert. Eine Intelligenzminderung liege aber bei beiden nicht vor.
Sebastian L. war zur Tatzeit 17 Jahre alt. Für ihn gilt in jedem Fall Jugendrecht. Freisleder berichtet, dass Sebastians Mutter Alkoholprobleme hatte und sich die Eltern getrennt haben. Er habe sehr am Vater gehangen, sagt der Psychiater.
Sebastians Kriminalkarriere begann in der Grundschule mit Diebstählen. In der Hauptschule verschärfte sich die Situation. 2003 erster Kontakt mit dem Jugendamt. Es folgt eine Reihe von Schicksalsschlägen bis hin zum Tod des Vaters. Sebastian L. machte sich, so Freisleder, Gedanken um Brunners Familie, fühlte sich entlastet, weil Brunner keine Kinder hatte. Vom Film „Zivilcourage“ mit Götz George war er beeindruckt: „Mutiger Mann“. jot