Brunner-Prozess: Die zwei Gesichter des Schlägers Markus S
MÜNCHEN - Nicht gerade strebsam, aber nie gewalttätig beschreiben Ex-Lehrer den wegen Mordes an Dominik Brunner angeklagten Markus S. – doch sein polizeiliches Register zeichnet ein anderes Bild. Die zwei Gesichter des 19-Jährigen.
Wie passt das nur zusammen: Blind vor Hass soll er auf Dominik Brunner eingeprügelt, mit den Füßen gegen den Kopf des Wehrlosen am Boden getreten haben. Doch ehemalige Lehrer und Betreuer beschreiben am Montag vor dem Landgericht München I eine andere Seite von Markus S., der sich mit Sebastian L. wegen Mordes an dem Manager verantworten muss. Ruhig, unauffällig und keineswegs aggressiv sei Markus S. gewesen, der als mutmaßlicher Haupttäter gilt. Für Sebastian L. ist der ein Jahr ältere Markus S. ein Vorbild - obwohl er wie er selbst auf der schiefen Bahn ist.
„Er war ein rundum unauffälliger Bub“, erinnert sich seine Grundschullehrerin. Markus S. besucht die Realschule, alles sieht gut aus – bis zur 8. Klasse. Er fällt zwei Mal durch, wechselt auf die Hauptschule. Sein älterer Bruder, an dem er sehr hängt, habe ihn mitgenommen zu ersten Drogenkontakten, sagt ein Betreuer. „Die Eltern hatten keinen Zugriff mehr. Das war dann der Beginn.“
Sebastian L. lebte in Heimen. Seine Mutter wurde nach einem Hirnschlag Pflegefall, er zog zum Vater. Eines Tages fand er den Vater tot in der Wohnung – auch Hirnschlag. Sebastian L. konsumiert Drogen, schwänzt Schule – auch er ist laut Betreuern extrem unauffällig. Er sei wegen des Schicksals seiner Eltern sehr traumatisiert gewesen. Dass er nicht zur Schule ging und kiffte, war bekannt. Es sei darüber geredet worden, sagt ein Betreuer des Heims, in dem Sebastian L. zuletzt lebte.
Markus S. versucht, den Qualifizierten Hauptschulabschluss nachzuholen. „Gewaltmäßig fiel Herr S. nie auf“, berichtet die Geschäftsführerin eines Qualifizierungszentrums. Er sei „hilfsbereit“ gewesen, habe er für Mitschüler die Schuld auf sich genommen, wenn es ums zu spät kommen ging. Und: „Er hätte das Potenzial gehabt, den Qualifizierten Hauptschulschluss zu schaffen.“
Kfz-Mechatroniker wollte er werden. Doch am Ende fliegt er von der Schule: Von 28 Unterrichtstagen an der Berufsschule war er nur an 13 Tagen da. Er stiehlt, konsumiert Drogen, bedroht einen Passanten mit einer Gasdruckpistole: „Geld her, nicht lange rummachen.“ Mehrfach wird er bestraft, mit gemeinnütziger Arbeit und Arrest. „Eines der Hauptthemen war seine Suchtkrankheit“, sagt ein Betreuer. „Abhängen mit Freunden, das war die Haupttätigkeit – kein Plan, kein Ziel.“
Jetzt sitzen Sebastian L. und Markus S. in weißen Hemden im Gerichtssaal, Markus S. hält den Kopf gesenkt. Wie ein Musterschüler sieht er aus – kaum vorstellbar, wie er am S-Bahnhof Solln mit kaltem Blick „fast beiläufig und routiniert“ einen Schlüssel zwischen die Finger der Faust legte, um mit dieser gefährlichen Waffe auf Brunner loszugehen, wie Zeugen schilderten. Erst Sebastian L. soll es gewesen sein, der den Gewaltausbruch stoppte und Markus S. von dem schwer verletzten Brunner wegzog.
dpa