Brennpunkt Bahnhofsviertel: Das sagt die Polizei

Kriminalität, Drogenhandel und illegale Prostitution: "Nirgends so viel Manpower wie dort", die Münchner Polizei reagiert auf den Vorwurf, sie unternehme zu wenig im Bahnhofsviertel.
von  Nina Job
Sexclubs, Hotels, Spielhallen: Seit Anfang 2016 gab’s 45 Anzeigen wegen verbotener Prostitution.
Sexclubs, Hotels, Spielhallen: Seit Anfang 2016 gab’s 45 Anzeigen wegen verbotener Prostitution. © Petra Schramek

München - Illegale Prositution und Drogenhandel, Bettlerbanden, pöbelnde und zum Teil aggressive Alkoholiker und der "Arbeiterstrich" – das Bahnhofsviertel ist Münchens Brennpunkt Nummer 1.

Viele Münchner haben den Eindruck, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlimmert hat. "Die Zustände sind nicht mehr tragbar", klagte Franz Wickenhäuser am Wochenende. Der Hotelbetreiber ist Vorsitzender des Vereins Südliches Bahnhofsviertel.

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Unterstützung bekam er vom CSU-Landtagsabgeordneten Andreas Lorenz. Dieser warf der Polizei vor, sie unternehme zu wenig. Er riet den Ordnungshütern, lieber die eine oder andere Verkehrskontrolle bleiben lassen und dafür mehr Präsenz zu zeigen.

Die Münchner Polizei reagiert empört auf den Vorwurf: "In ganz München gibt es keinen Brennpunkt, an dem wir mehr Manpower einsetzen als am Hauptbahnhof", sagte Polizeisprecher Thomas Baumann am Dienstag. Einfache Lösungen gebe es nicht. "Hier müssen alle an einem Strang ziehen: Polizei, Stadt, Bahn und Verkehrsbetriebe." Einen runden Tisch gibt es allerdings schon seit Jahren. Geplant ist, zwei weitere Videokameras zu installieren – zwei gibt es bereits.

Der "Arbeiterstrich": Männer warten stundenlang auf Arbeit. Foto: Schramek

Das Viertel in Zahlen

Zwischen Hauptbahnhof, Sonnenstraße, Unikliniken und Paul-Heyse-Straße wohnen rund 3.200 Menschen. Sie sind mit einem Durchschnittsalter von 39,7 Jahren etwas jünger als der Münchner Durchschnitt (41,5 Jahre).

Der Migrantenanteil von 53,4 Prozent ist der größte der ganzen Stadt. Laut Verein Südliches Bahnhofsviertel leben hier mehr als 20 Nationalitäten zusammen. Die größten Gruppen kommen aus Kroatien, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Gesamt-München liegt der Migrantenanteil bei 35,5 Prozent.

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Rund 20.000 Menschen arbeiten im Viertel. Zwischen kleinen Läden, Spielhallen und Sex-Shops gibt es eine sehr hohe Dichte an Pensionen und Hotels: Sechzig Prozent aller in München zur Verfügung stehenden Hotelbetten konzentrieren sich hier.

Kriminalität im Viertel

Allein in diesem Jahr wurden laut Polizei im Bereich des Hauptbahnhofs, Alter Botanischer Garten und Stachus 1.658 Drogen-Straftaten registriert. Dazu kommen 1.035 Ordnungswidrigkeiten wegen Belästigung der Allgemeinheit, Verschmutzung oder unerlaubter Sondernutzung. Die Polizei sprach mehr als 3.500 Platzverweise aus. Diese richteten sich in der Mehrzahl gegen Betrunkene oder auch Bettler, die durch aggressives Verhalten unangenehm auffielen.

226 Männer und Frauen bekamen ein Aufenthaltsverbot. Lassen Sie sich trotzdem wieder blicken, droht ein Bußgeld. Die Verbote führten allerdings dazu, dass sich die Szene teilweise in den Alten Botanischen Garten verlagerte.

Wegen verbotener Prostituion hat die Polizei seit Anfang des Jahres bislang 45 Anzeigen erstattet. Allein 11 Prostituierte wurden Ende September überführt, als sie ihre Dienste im Sperrbezirk anboten. Beamte in Zivil hatten sich als Freier ausgegeben und die Damen ins Hotelzimmer begleitet. Dort zückten sie dann ihre Ausweise.

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Straftaten, die im Bahnhofsgebäude angezeigt wurden, sind bei diesen Zahlen noch nicht dabei – dort ist die Bundespolizei zuständig.

Maßnahmen der Polizei

"Nirgends in München ist die Polizeidichte höher als am Hauptbahnhof. Wir tun alles, was in unserer Macht steht", betonte Polizeisprecher Thomas Baumann am Dienstag.

Regelmäßig vor Ort sind Beamte der Inspektionen Hauptbahnhof, Zweibrückenstraße, Türkenstraße und Beethovenstraße. Dazu kommen gemeinsame Streifen mit der Bundespolizei (2016 bislang 63) sowie Schwerpunkteinsätze (30) und Einsätze (62) der Kripo gegen Rotlicht- und Drogenkriminalität. Zudem seien dieses Jahr bereits 533 "geschlossene Einheiten" vor Ort im Einsatz gewesen. Diese bestehen aus je 20 bis 30 Polizisten. "Intensive Kontrollen führen zu steigenden Deliktzahlen", so der Polizeisprecher. "Aus den hohen Zahlen zu schließen, dass wir nichts tun, verdreht die Tatsachen."

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