Bonzen statt Bolzplatz? Aufruhr um Bau-Pläne

Altstadt - Vier Zimmer und 90 Quadratmeter für 1,5 Millionen Euro. Ist ja Toplage. Ecke Blumen-/Corneliusstraße, gegenüber die Schrannenhalle, gleich am Viktualienmarkt. Orte des Konsums mit saftigen Preisen. Genau der richtige Ort fürs „Cornelius Carré“.
Noch gibt es das Gebäude nicht. Aber Erwin Grundhammer arbeitet dran. Auf „Immobilienscout24.de“ bietet der Geschäftsführer der Immo-Firma Goldgrund („Wir handeln mit Ihrem Lebensraum“) die exklusiven Wohnungen bereits an: „Cornelius Carré, ehemaliger Bolzplatz Glockenbachwerkstatt“, steht über dem Angebot.
Das Carré sieht aus wie eine automatische Pistole aus Glas und Beton. Aus Loggien lugen Sonnenschirme. Unterm Lauf der Kanone steht ein Baum. Daneben: Die Glockenbachwerkstatt. Die gibt es noch auf dem Bild. Der Bolzplatz dort im Hof, einer der letzten in der City, ist weg.
Da spielen bisher Kinder. Ja mei, die müssen halt weg, meint Grundhammer – und erhebt auf einem Prospekt seiner Firma den Kampf Bonzen gegen Bolzplatz zur Goldgrundsatzfrage: „Die Zukunft unseres Viertels: Herumgebolze oder effektive Investitionen in die Zukunft?“ Neuerdings hängen im Gärtnerplatzviertel Plakate, die für Aufruhr sorgen. „Stadt ohne Raum“ steht darauf. Und: „Seit Jahren lässt die Stadt ein wertvolles Grundstück an der Glockenbachwerkstatt brachliegen. Kinder bolzen sinnlos darauf herum. Der Steuerzahler zahlt die Zeche. Damit muss Schluss sein.“ Darum müsse das „Cornelius Carré“ her: „Unsere Visualisierung zeigt, wie auf der Brache ökonomisch sinnvoll nachverdichtet werden kann.“
Zwei Rentnern in der Corneliusstraße gefällt das gar nicht. „Des is’ ja a Sauerei!“, mäkeln sie den Plakatierer an. Der zuckt mit den Schultern. „Ich mach’s auch nur wegen dem Geld.“ Tut er freilich nicht. Im Gegenteil. Der Kleber ist Till Hofmann, Schwabinger Kneipen- und Kleinkunst-König (u. a. Lustspielhaus, Vereinsheim, Lach- und Schieß) – aber auch Viertelbewohner und Vater zweier Kinder, die oft auf dem Bolzplatz kicken. Hofmann steckt – mit einigen Mitstreitern – auch hinter Erwin Grundhammer und der Firma Goldgrund. Die hat sogar eine eigene Telefonnummer. Anrufer werden von dynamischer Musik und einer Frauenstimme empfangen: „Leider sind alle unsere Mitarbeiter im Außendienst.“
Die Aktion mit dem „Cornelius Carré“ ist Satire. Eine, bei der vielen Münchnern das Lachen im Halse stecken bleiben wird, weil das Szenario so real wirkt: Finanzhaie machen Geschäfte mit Immobilien – und Alteingesessene sowie sinnvolle Institutionen müssen weichen. Wie eben der Bolzplatz der Glockenbachwerkstatt. Alles wegen des Profits. Das ist die Botschaft hinter dem „Cornelius Carré“, die Hofmann bereits im Mai verkündete, als er in einer ähnlichen Satire-Aktion einen Luxus-Komplex namens „L’Arche de Munich“ direkt auf die Münchner Freiheit pflanzte – mit separatem U-Bahn-Zugang für die betuchten Bewohner (AZ berichtete).
Jetzt geht es ihm um den Bolzplatz an der Glockenbachwerkstatt, der tatsächlich gefährdet ist. Die Stadt plant an dieser Stelle ein neues Haus mit Sozialwohnungen und Läden (siehe Kasten). Doch das spielt für Hofmann keine Rolle. „Bei Sozialwohnungen darf man ja nicht dagegen sein“, sagt er. Dass die Stadt aber beim Bau des nahe gelegenen Luxus-Turms „The Seven“ Geld kassiert habe und wiederum einen Bolzplatz opfere, um das soziale Gleichgewicht im Viertel zu erhalten, das sei „perfide“.
Beim satirischen Widerstand bleibt es deshalb nicht. Am Montag, 15.30 Uhr, findet eine Kinder-Demo statt. Am Dienstag, 15.30 Uhr, setzen sich Prominente wie die Rapper von Blumentopf, die Sportfreunde Stiller und Regisseur Marcus H. Rosenmüller für die Bolzplatzkinder ein. Sie lesen an der Glockenbachwerkstatt Fußball-Geschichten, „Sportis“-Sänger Peter Brugger studierte bereits am Freitag das Lied „Unser Freund ist aus Leder“ mit den Kindern ein.
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Die Aktion „Goldgrund“ läuft derweil weiter – übrigens mit Erfolg. Laut Hofmann haben sich tatsächlich schon zehn Interessenten für den Bonzen-Block am Telefon gemeldet. Der Wohn-Wahnsinn kennt offenbar kein Ende. Und schon gar keine Ironie.