Blume-Beyerle macht Schluss: Servus, Mister KVR!

Nach 18 Jahren als oberster Ordnungshüter verlässt Wilfried Blume-Beyerle kommende Woche die Stadtregierung. Der AZ hat er zum Abschied noch einmal sein umfangreiches Aufgabenfeld erklärt.
von  Von Irene Kleber und Florian Zick
Der Noch-KVR-Chef Blume-Beyerle (r.) mit den AZ-Redakteuren Irene Kleber und Florian Zick.
Der Noch-KVR-Chef Blume-Beyerle (r.) mit den AZ-Redakteuren Irene Kleber und Florian Zick. © Petra Schramek

München - Montag, 11. Januar 1999: Gerade ein halbes Jahr war Wilfried Blume-Beyerle da im Amt als neuer Kreisverwaltungsreferent: Ein parteiloser Jurist und Wunschkandidat der damals rot-grünen Stadtregierung, der München nach einer Ära unter KVR-Hardliner Hans-Peter Uhl (CSU) liberaler, toleranter und bunter machen sollte. Damals hat die Abendzeitung dem neuen obersten Ordnungshüter eine ganze Seite gewidmet – und seine vielen neuen Jobs erklärt. Blume-Beyerle (wir haben ihn intern immer „BluB“ genannt) hat sich die AZ-Seite daheim ins Fotoalbum gelegt.

Blume-Beyerle im AZ-Interview: „Unerträglich, dass Nazis hier vorbeimarschieren“

Freut uns natürlich! Am Mittwoch packt er die letzten Kisten in seinem Büro im fünften Stock des KVR in der Ruppertstraße zusammen – und fährt sie heim in sein Haus mit Garten am Waldfriedhof.

„Ich hatte eine großartige Zeit hier“, sagt der 67-Jährige. „Aber jetzt freue ich mich ehrlich auf ruhigere Zeiten“. Zum Abschied nach 18 Jahren hat er für die AZ ein paar Zahlen aus seiner Amtszeit ausgerechnet. Und erzählt auf dieser Seite die interessantesten Anekdoten aus seiner Zeit im KVR. Servus, Herr Dr. Blume-Beyerle! Wir wünschen eine schöne Zeit!

Der Feuerwehr-Chef

ZAHL: 15 Katastropenschutz-Übungen

Einer meiner tollsten Jobs: Als Chef der Feuerwehr durfte ich jedes Jahr an den Großübungen in Hammelburg und Wildflecken mitmachen. 300 Leute haben da Großfeuer gelöscht. Menschen abgeseilt. Autos geborgen. Irrwitzig Verletzte gerettet. Ich war immer das Opfer. Grauenhaft zugerichtet, mit ,Blut’ beschmiert. Einmal haben sie mich mit einem Hubschrauber abgeseilt. Dann war ich in einem verrauchten Keller eingesperrt. Einmal bin ich im Auto von einem liegenden Baum gepfählt worden. Dafür hat man mir den Baumstamm durch die zerbrochene Windschutzscheibe auf die Brust geklebt und mich irrsinnig bluten lassen. Wie die Feuerwehrler da hektisch das Dach aufgeschnitten haben, das ganze Blaulicht, die Geräusche, die Gerüche! Das war so echt, dass ich dachte, ich sei echt verletzt. Das fühlt sich nicht gut an. Leider gibt es diese Übungen seit drei Jahren nicht mehr, weil die Truppenübungsplätze anderweitig belegt sind. Für unsere Feuerwehrler das keine gute Entwicklung. Bei den hohen Brandschutzauflagen in München brennt es hier ja selten mal gescheit – da können die jungen Leute schlecht den Ernstfall üben.“

Der Würschtl-Prüfer

ZAHL: 310 000 Betriebskontrollen

Die Hygiene-Lage bei den Münchner Lebensmittelbetrieben ist ja vorwiegend gut. Aber schwarze Schafe gibt’s halt auch. Einmal habe ich ein Tiefkühlhaus mit hunderten gammligen Döner-Spießen durchwühlt. Ich habe schon Backbleche voller Mäuse gesehen, und hässliche Fotos, über die ich gar nicht reden mag. Was allerdings wirklich Spaß macht, ist der Chef-Job in der 15-köpfigen Würschtl-Prüfungskommission auf der Wiesn. Einmal habe ich einen CSU-Stadtrat als Mit-Prüfer in die Kommission geladen. Der hat dann ernsthaft gesagt, dass er die Brühpolnischen nicht probieren mag, weil die ja giftig seien. Das war so daneben. Den habe ich nicht mehr eingeladen.“

Der oberste Standesbeamte

ZAHL: 89 300 Trauungen, 354 000 Geburten

Ich liebe mein Chef-Büro im fünften Stock des KVR schon deshalb, weil man genau an den Trauungs-Zimmern vorbei kommt. Da stehen jeden Tag glückliche Menschen auf dem Flur. Wunderschöne Bräute in weißen Prinzessinnenkleidern! Lustige Gesellschaften, wenn etwa Afrikaner heiraten. Am meisten Spaß machen schwule Hochzeiten, da ist eine Riesenstimmung. Das Lied, das bei den Hochzeiten hier übrigens am häufigsten gespielt wird, ist „Highway to Hell“ – kein Witz. Wenn das loswummert, kann ich nebenan an meinem Schreibtisch mitrocken. Es gibt aber auch ganz leise Momente. Wenn auf dem Gang ältere Paare sitzen, die nur zu zweit gekommen sind, um ihr neues Glück allein zu besiegeln. Ich habe mir dann oft vorgestellt, welche Geschichte die beiden wohl hierher geführt hat. Das sind Gedanken, die mich unheimlich berühren.“

Der Chef-Schankprüfer

ZAHL: 18 Mal Wiesn

Mein ungeliebtester Chef-Job. Weil irgendwie auch wenig sinnvoll. Wenn ich in ein Wiesnzelt geschritten bin, wusste man in Sekunden überall: Der Referent ist unterwegs! Weil die Zelte ja gut vernetzt sind. Solange wird dann halt ordentlich eingeschenkt. Wobei, was heißt ordentlich: Die Wirte wissen ja, dass wir zehn Prozent Unterschank tolerieren. Das wird natürlich dann auch ausgenutzt. Solange die Mehrheit der Gäste das ohne Proteste hinnimmt, wird das ein Dauerthema mit enorm hohem wirtschaftlichem Wert bleiben.“

Der Versammlungs-Chef

Als ich angefangen habe, hat man mir gesagt: In dem Job kannst du nicht liberal sein. Aber das glaube ich nicht. Ich denke, ich habe immer eine liberale Linie gehabt. Gut, bei Pegida war jetzt eine Situation erreicht, da mussten wir eine Regelung finden. Wenn so eine kleine Gruppe jeden Montag die komplette Innenstadt blockiert, muss man sich fragen: Was ist eigentlich mit dem Recht der anderen. Etwas Vergleichbares wie Pegida hat es während meiner Laufbahn nie gegeben. Michael Stürzenberger vielleicht, aber der war ein Einzelkämpfer. Bei dem haben wir auch gesagt: Es kann nicht sein, dass sich da einer stundenlang hinstellt, herumkrakeelt und die Anwohner mit seinen rechten Parolen belästigt. Dem haben wir deshalb alle Viertelstunde eine Pause verordnet – ich glaube, darüber war er froh.“Der Herr der Pässe


Der AZ hat Wilfried Blume-Beyerle zum Abschied noch einmal sein umfangreiches Aufgabenfeld erklärt.

Der Herr der Pässe

ZAHL: 4 324 000 Pässe und Ausweise

Da fallen mir vor allem die Optionskinder ein. Wenn Ausländer, die schon ein paar Jahre hier sind, ein Kind bekommen, dann wird das nach aktueller Rechtslage ja ein deutsches Kind, behält aber zunächst auch die Staatsangehörigkeit der Eltern. Erst später muss sich das Kind dann entscheiden, welche Zugehörigkeit im Pass stehen soll. Dieses erste türkische Münchner Kindl habe ich begrüßt – und 16 Jahre später dann wiedergetroffen. Ansonsten hatten wir hier im KVR halt den üblichen Personenverkehr, den wahrscheinlich jeder Münchner aus mehr oder weniger leidvoller Erfahrung kennt.“ 

Der Ausländer-Chef

ZAHL: 1 099 000 Aufenthaltsgenehmigungen

Die erste Ausweisung eines Minderjährigen habe leider ich unterschrieben. Das war damals der Fall ,Mehmet’, den habe ich allerdings nur geerbt. Nachhaltig im Gedächtnis ist mir aber die Geschichte eines Russen aus Sibirien geblieben. Der hatte im Tschetschenien-Krieg seine Arme verloren und sollte abgeschoben werden. Wie der mit seinen Prothesen in Sibirien klarkommen sollte, ohne Sozialhilfe, ohne alles, das habe ich mir nicht vorstellen können. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass der hierbleiben darf. Das war gar nicht so einfach. Von einer Willkommenskultur, wie wir sie heute kennen, waren wir damals schließlich noch weit entfernt.“

Der Chef des Fundbüros

ZAHL: 1 129 356 Fundsachen

Erstaunlich, was Leute so alles verlieren. Im Fundbüro sind schon Gebisse gelandet, Eheringe, eine Tuba und ein Waldhorn. Sogar ein Rollator, ein Kaninchen und ein Ruderboot waren dabei. Die beste Geschichte ist passiert, als der ehemalige Fundamts-Leiter sich in den Ruhestand verabschieden wollte. Da kam die Nachricht: Am Wiesn-Fundbüro hat einer ein Pferd abgegeben! Da hat der Helmut Deichstetter erst mal rotiert. Wo bewahren wir das denn jetzt auf? Gottseidank war’s am Ende doch nur ein Spaß von der Polizei.“

Der Waffen-Wächter

ZAHL: 2100 Waffenscheine

Ein schwieriges Thema. Nach dem Amoklauf von Winnenden, zum Beispiel, haben wir in München alle Waffenbesitzer überprüft. Auf unsere Anschreiben hin kamen einige Leute und haben Waffen abgegeben. Ich erinnere mich an eine ältere Dame, die das Gewehr vom längst verstorbenen Opa angeschleppt und einfach mal so auf den Tisch gelegt hat – das war geladen! Da wird’s einem schon anders, wenn man das erst hinterher feststellt.“

Der Verkehrs-Hüter

ZAHL: 1 000 000 geblitzte Autos

Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, aber offenbar habe ich mich im ersten halben Jahr meiner Amtszeit mal selbst erwischt. Zu schnell am Luise-Kiesselbach-Platz – auweh! Da ist mir danach nicht noch einmal passiert – zumindest nicht in München, da wirklich nicht. Ich weiß ja, wo wir blitzen: In 30er-Zonen, vor Schulen, vor Altersheimen – da fährt man dann halt anständig. Und in den McGraw-Graben fahre ich nicht rein mit 80 Sachen. Das weiß nun wirklich jeder, dass da geblitzt wird. Außerdem bin ich deutlich ruhiger geworden.“

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