Bloggerin Kathinka Nohl: London und München im Vergleich

Die Lektorin Kathinka Nohl zieht 2013 der Liebe und des Jobs wegen nach London. Ihre Rückkehr nach München gestaltet sich unerwartet schwierig. Darüber schreibt die 30-Jährige in ihrem Blog.
Lukas Schauer |
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London versus München, Weltstadt versus Weltstadt mit Herz: Im Blog "Tagebuch einer Heimkehrerin" behandelt Kathinka Nohl das Heimkommen nach München.
dpa London versus München, Weltstadt versus Weltstadt mit Herz: Im Blog "Tagebuch einer Heimkehrerin" behandelt Kathinka Nohl das Heimkommen nach München.

München - Nach dreieinhalb Jahren in der englischen Hauptstadt London kommt Kathinka Nohl Anfang 2017 wieder nach München zurück. Doch die Stadt fühlt sich auf einmal anders an. Oder ist das nur Einbildung? Darüber schreibt sie in ihrem Blog "Tagebuch einer Heimkehrerin".

Die AZ hat Kathinka Nohl getroffen. Ein Gespräch übers Heimkommen, das typische München-Gefühl, das Nachtleben im Vergleich und warum U-Bahnfahren in München fast noch stressiger ist als in London.

ABENDZEITUNG: Frau Nohl, haben Sie sich schon wieder eingelebt?
KATHINKA NOHL: Ich arbeite daran! Es wird von Tag zu Tag ein bisschen einfacher und normaler wieder hier zu sein, aber ich gebe zu, manchmal habe ich doch noch Heimweh nach London. Das ist ein ziemlich seltsames Gefühl, weil ich ja solange Heimweh nach München hatte. Aber London wurde doch irgendwann zu meinem Zuhause und da dauert es wohl noch ein bisschen, bis ich hier wirklich wieder so richtig angekommen bin.

Sie haben anfangs den Bussen hier mittels Winken signalisiert, dass Sie mitfahren wollen (wie in London üblich, d.Red.). Wurden Sie manchmal fragend angeschaut?
(lacht) Ja, das ist schon passiert – und passiert auch immer noch manchmal. Die Episode mit dem Bus ist ein gutes Beispiel. Aber ich muss auch immer noch lernen, dass man nicht überall Smalltalk macht und sich Türsteher beispielsweise nicht unbedingt Freude, wenn man beim Rauchen mit ihnen plaudert. In London sind sie immer froh über ein bisschen Ansprache.Ich glaube hier in München haben sie dann eher das Gefühl, weniger furchteinflößend zu sein.

Spätestens nach der ersten U-Bahnfahrt war es aber wieder da, dieses "München-Gefühl", oder?
Also dieses "München-Gefühl" ist für mich etwas sehr Positives, da gehört sowas wie Gemütlichkeit und Entschleunigung dazu, draußen ein kühles Bier trinken. Die U-Bahnfahrten sind eher ernüchternd. Darüber schreibe ich auch in meinem Blog: Die Münchner sind nicht gerade die Könige dieser Disziplin, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. In den meisten Situationen sind sie ja sehr gelassen und gemütlich eben. Beim U-Bahnfahren kehrt sich dann das Gegenteil heraus. Da hat plötzlich jeder Angst, nicht mehr aus dem Zug zu kommen. Zumindest das Ein- und Aussteigen verursacht anscheinend großen Stress. Dabei habe ich noch nie erlebt, dass jemand, der nicht tatsächlich seine Station einfach verpasst hat, nicht mehr raus gekommen wäre.

Gibt es in London denn etwas, das Sie sich auch hier in München wünschten? Mal abgesehen von der Gelassenheit beim U-Bahnfahren?
Ja, da gibt es schon ein paar Dinge, die mir in London besser gefallen haben. Die Höflichkeit und Freundlichkeit, mit der auf jede Situation reagiert wird. Wo ich hier schon ab und zu ein "Auf’d Seiten" zu hören gekriegt habe, sagen die Londoner ganz leise und vorsichtig "Sorry, excuse me, may I just … squeeze through? Thank you so much!" Auf den ersten Blick wirkt das vielleicht umständlich, aber wenn man morgens auf dem Weg in die Arbeit ist und ohnehin ein bisschen schlecht gelaunt, wird es so für alle ein bisschen einfacher. Diese Angst vor menschlicher Interaktion ist hier schon ein bisschen komisch.
Wenn ich mir noch eine zweite Sache wünschen dürfte, dann wären das die Pubs. Pubs sind einfach urgemütlich, ohne dabei langweilig zu sein. In München gelingt die Gratwanderung zwischen netter Kneipe, in der es nicht zu laut ist, um sich zu unterhalten, und Altherrengesellschaft für meinen Geschmack ein bisschen zu selten.

Der typische Münchner…
…ist auf den ersten Blick ein bisschen mürrisch und macht anderer Leute Angelegenheiten gern zu seinen eigenen. Wenn man sie aber dann kennenlernt, die Münchner, sind sie die herzlichsten Leute überhaupt. Und Freunde fürs Leben.

Mal kurz zur Politik: Wurden Sie als Deutsche gerade in den letzten Monaten seit dem Brexit-Referendum anders behandelt?
In London war davon nicht so viel zu spüren. Die Debatte an sich ist halt einfach scheußlich, das hat schon manchmal die Laune verdorben. Aber die Leute, mit denen ich mich umgeben habe, waren alle gegen den Brexit und machen sich große Sorgen, was mit ihrem Land passiert. Es ist einfach Wahnsinn, eine so große Entscheidung, deren Konsequenzen keiner kennt, durch einen einzigen Volksentscheid zu entscheiden. Man kann es also vielleicht so sagen: Die allgemeine Stimmung hat sich verändert, aber ich persönlich habe es nur einmal zu spüren bekommen, als wir zum Wandern aufs Land gefahren sind und eine Frau angefangen hat, gegen die EU zu pöbeln. Aber dieser Mangel an Solidarität und die Unfähigkeit Menschen als Menschen zu sehen und nicht als "Problem", ist ja kein britisches Phänomen.

Hand aufs Herz: Das britische Bier kommt doch einfach nicht an ein gutes bayerisches Helles an der Isar heran, oder?
Ich habe mir sogar manchmal Bier aus München bestellt! Vor allem anfangs, als ich noch sehr verwöhnt aus München war, hat mir das Bier Schwierigkeiten bereitet. Ich war wenig experimentierfreudig und habe immer Lager getrunken. Und wenn man ehrlich ist, diese Export-Lager aus Belgien und Frankreich sind einfach ein Trauerspiel. Nach und nach habe ich mich aber auch an andere Biere herangetraut. Ich habe Porters und Stouts für mich entdeckt und Craftbeer zu schätzen gelernt. Und dann ist man in London auf jeden Fall richtig. Für die Isar ist das Wetter im Moment noch ein bisschen unbeständig, aber ich Freude mich schon sehr darauf! München im Sommer ist ein Traum. Und da passt dann natürlich am besten ein kühles Helles.

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