Blitz-Demo: Neonazis überrumpeln Polizei und Justiz

Begleitet (und beschützt) von Polizisten ziehen sie grölend durch die City. Dabei ist der braune Aufmarsch nicht einmal als Demonstration angemeldet. Das kommt vielen fragwürdig vor.
München - Das mit einem Lautsprecher ausgerüstete Auto für die Hetzparolen steht parat. Auch Transparente mit einschlägigen dumpfen Sprüchen wie „Wir stürmen dem Siege entgegen“ oder „Kampf der Rotfront“ bringen die Männer mit. Wenig später zieht die Gruppe lautstark über die Lindwurmstraße. „Kriminelle Ausländer raus, raus, raus!“, brüllen sie. Oder: „Nationaler Sozialismus, jetzt!“
Es ist der harte Kern einschlägig bekannter Neonazis, der am vergangenen Samstag überraschend vom Goetheplatz über die Lindwurmstraße zieht. Die Parolen gibt Norman Bordin („Kameradschaft München“) vor. Ihm folgen unter anderem zwei Männer, die wegen des geplanten Anschlags während der Grundsteinlegung für den Bau der jüdischen Synagoge verurteilt wurden. Die beiden Rechts-Terroristen bekamen von einem Gericht ein Kontaktverbot auferlegt, sie dürften also eigentlich gar nicht hier nebeneinander marschieren.
Dass die 20 Rechtsextremen geschützt von der Polizei vom Goetheplatz über die Lindwurmstraße ziehen, hat viele Passanten verwundert – und vor allem auch rund 120 linke Demonstranten, die ihre Versammlung am selben Tag unter dem Motto „Gegen Staat und Repression“ sowie „Polizeiwillkür“ rechtmäßig beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) angemeldet hatten.
Der Aufmarsch der Neonazis hingegen war weder angekündigt noch angemeldet. Sie hätten sich „spontan“ dazu entschlossen, heißt es. Doch das war wohl eine Finte. Die Neonazis hätten sich unter die Linken mischen wollen, um gegen deren Parolen zu protestieren, heißt es aus Polizeikreisen. Doch das ließen die Ordnungshüter nicht zu. Sie befürchteten gewalttätige Auseinandersetzungen. Daraufhin kündigten die Neonazis eine „Eilversammlung“ an - und durften separat marschieren.
Die Rechtsextremen scheinen damit für sich eine neue Masche entdeckt zu haben, wie sie ihre Parolen wesentlich unkomplizierter auf der Straße vor Publikum verbreiten können. Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen kündigten sie jeweils am Samstag eine Blitz-Demo bei der Polizei an – im Versammlungsrecht ist das als Eilversammlung möglich.
Zuletzt waren die Neonazis so vorgegangen, als das KVR am 19. November eine Demo unter dem Motto „Kriminelle Ausländer raus“ am Heimeranplatz verboten hatte – unweit des Tatortes, an dem die Zwickauer Nazi-Terroristen den Griechen Theo Boulgarides erschossen hatten. Lediglich den Versammlungsort mussten die Rechtsextremen bei ihrer Eilversammlung ändern. Mit der jüngsten Versammlung am Goetheplatz umgingen die Neonazis dieses Mal von vornherein das umständlichere Procedere über das KVR.
Der Verein „a.i.d.a.“ – die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München – wirft der Polizei jetzt vor, sie habe die teilweise vermummten <EM>Neonazis einfach gewähren lassen. Und obwohl sie offensichtlich Vorbereitungen getroffen hatten – Transparente, Lautsprecherwagen – hätte man die Veranstaltung als „spontane“ Demo geschützt.
Florian von Brunn (SPD) kritisiert zudem: „Wenn es zutrifft, dass die Polizei tatenlos zugesehen hat, als verurteilte Rechtsterroristen mit Kontaktverbot mitmarschiert sind, ist das sehr fragwürdig. “
Ranghohe Polizisten hingegen halten die kurzfristig angekündigten Versammlungen für Spielchen – in die sie hineingezogen würden