"Blaskapelle reicht": Warum München zur WM vor 50 Jahren keine Lust auf Kultur hatte

München - Zu den Olympischen Spielen 1972 hatte es in der Stadt große kulturelle Aktionen gegeben. Zwei Jahre später, zur Fußball-Weltmeisterschaft, sah das schon ganz anders aus. "Kultur wird vom Platz gestellt", hieß es in der AZ vom 6. Juni 1974.
Die AZ hatte bei der Stadt und beim DFB angefragt, was denn geplant sei für die bevorstehende Weltmeisterschaft - und sehr deutliche Antworten bekommen, die aus heutiger Sicht schwer zu fassen sind. "Wir hatten große Pläne für ein Rahmenprogramm", wird der städtische Kulturreferent Herbert Hohenemser zitiert. "Wir bemühten uns schon vor 16 Monaten um ein Echo vom Deutschen Fußballbund." Angedacht seien Veranstaltungen wie die Spielstraße von 1972 oder auch Aktionen in den Spielpausen gewesen. "Doch das Interesse der Veranstalter war gleich Null."
Hohenemser habe resigniert, schreibt die AZ. "Ich habe noch die Nase voll von all den Vorwürfen, die wir während der Olympischen Spiele erhielten, daß sich die Kulturleute immer in den Vordergrund drängeln und Alleingänge starten. Da verliert man die Lust."
Wilhelm Küffner vom Deutschen Fußballbund sagte: "Die Leute wollen vor allem Sport sehen. Uns reicht in den Spielpausen das Auftreten der Kapelle des Bundesgrenzschutzes."
Und auch Oberbürgermeister Schorsch Kronawitter sehe "lieber Fußball-, als Ballettbeine", stellt die AZ salopp fest. Und zitiert den OB: "München gewinnt erfahrungsgemäß durch gute sportliche Darbietungen mehr Freunde als durch oberflächliche Sonderveranstaltungen." Zitate, die erst 50 Jahre alt sind. Und kurz vor Beginn der Fußball-, Konzert- und Partymeilenfestspiele 2024 doch klingen wie aus einem anderen Münchner Fußball-Jahrtausend.