Blackbox Corona: Die Stadt München meldet immer weniger Zahlen

München - Erst war es nur der tägliche Tweet mit den aktuellen Corona-Fallzahlen für die Stadt München, der eingestellt wurde. Seit 8. Juni gibt es die nicht mehr, weil die Daten "nicht mehr durchgängig tagesaktuell" vorliegen:
Auch das Corona-Infoportal der Stadt hat sich in den vergangenen Tagen gewandelt: Es werden mittlerweile nur noch Fallzahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht.
Corona: Stadt meldet nur noch RKI-Zahlen
Auf Nachfrage sagt das Gesundheitsreferat (GSR) dazu: "Mit der Veröffentlichung der Zahlen des RKI stellt das GSR sicher, dass die Öffentlichkeit über diejenigen Fallzahlen informiert wird, welche die Bundesbehörde täglich effektiv vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erhält." Das wiederum erhalte die Zahlen vom Münchner Gesundheitsreferat.
Dennoch erhebt die Stadt weiterhin eigene Zahlen, die werden "einmal wöchentlich in der Rückschau" betrachtet. So werde "retrospektiv eine Auswertung und Beurteilung der Lage" vorgenommen. Lückenhaft seien die Zahlen aber nicht, so das Gesundheitsreferat.
Risiko-Abwägung jetzt schwierig
Für Jan Wildeboer ist das ein Problem. Der Münchner IT-Fachmann hat es sich während der Pandemie zur Aufgabe gemacht, die Coronazahlen genau zu studieren und aufzubereiten – oft präziser als die Stadt selbst. Er sagt, das Problem sei, dass die Stadt bisher Zahlen veröffentlicht hat, die mehr hergeben als die reinen RKI-Zahlen, nämlich auch wie viele genesen sind und wie viele aktive Fälle es in der Stadt gerade gibt. "Das hilft mir abzuschätzen, wie das Risiko da draußen ist. Gehe ich zum Beispiel auf eine Party oder nicht?" Das wurde nun aber komplett gestrichen.
Dass die Zahlen auf Twitter nicht mehr täglich zu finden sind, hat Wildeboer geärgert. Darum hat er sich gesagt: "Dann machen wir es halt selbst." Seit kurzem gibt es dazu den (inoffiziellen) Account @CoronaMuc, auf dem täglich die Zahlen zum aktuellen Pandemiegeschehen aufbereitet werden, die noch verfügbar sind:
Sehr viele sind das nicht mehr, und das gerade jetzt wo die Fälle zunehmen: "Es gab einen Kipppunkt vor zwei bis drei Wochen, seither steigen die Fallzahlen", sagt der Zahlenexperte zu den Zahlen, die ihm vorliegen. Die Tendenz sei steigend, aber schwer abzuschätzen.
Wer es also etwas genauer wissen will, kann den Twitter-Account @CoronaMuc im Auge behalten (das geht auch ohne eigenen Account). Nicht von ungefähr hat der übrigens den Lindwurm vom Münchner Rathaus als Profilfoto: Gemäß einer Münchner Stadtlegende brachte der im frühen Mittelalter die Pest in die Stadt. Er wurde mit Kanonen beschossen und die Schäffler lockten dann mit ihrem Tanz die Münchner wieder aus ihren Häusern.