Bizarrer Streit um einen Schrumpfkopf
München - Auf den ersten Blick geht es in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nur darum, ob das international renommierte Auktionshaus "Hermann Historica" den Namen eines Kunden an die Stadt München herausgeben muss. Tatsächlich verbirgt sich dahinter ein wahrlich bizarrer Rechtsstreit. Es geht um einen Schrumpfkopf aus dem Amazonasgebiet.
"Langes, helles Haar mit rötlichen Strähnen. Augen nicht vernäht, Mundöffnung nicht vernäht und mit verflochtenem Trödel versehen. Im Nackenbereich lange Präparationsnaht. Höhe des Kopfes zirka 10 Zentimeter.
Schön erhaltener, eindrucksvoller Schrumpfkopf. Ein eindringliches Zeugnis für den bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts ausgeübten Brauch der Kopfjagd unter den südamerikanischen Indianerstämmen. Ungewöhnlich ist hier der außerordentlich feine, auffällig gefärbte Haarschopf."
So bot das Auktionshaus den Schrumpfkopf unter der Losnummer 3418 in seinem Katalog für ein Mindestgebot von 2500 Euro an. Wie einem Bescheid der Stadt München zu entnehmen ist, gab es gleich mehrere Stellen, die über das gruselige Angebot alles andere als amüsiert waren: das Kultusministerium, das Gesundheitsministerium, die Regierung von Oberbayern und das städtische Friedhofsamt.
Sie vertreten übereinstimmend die Ansicht, dass es sich bei dem Schrumpfkopf aus Südamerika um den Teil eines menschlichen Körpers handelt, der dem Bestattungsgesetz unterliegt und auf einem Friedhof beigesetzt werden müsste.
Die Verwaltungsdirektorin des Friedhofsamtes erzielte mit hartnäckigen Telefonaten und E-Mails immerhin einen Teilerfolg. Drei Tage vor der geplanten Versteigerung zog der Auktionator den Schrumpfkopf zurück. Er wurde gleich danach an den Besitzer zurückgegeben.
Androhung eines Zwangsgeldes von 2500 Euro
Erledigt war der Fall damit jedoch noch nicht.
"Wir weisen Sie auch noch darauf hin", steht in einem Schreiben der Stadt, "dass Sie nach Art. 18 Abs. 1 Nr. 11 BestG eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn Sie die vorgeschrieben Beseitigung des Schrumpfkopfs auf einem Friedhof verhindern oder zu verhindern versuchen."
Gleichzeitig wurde das Auktionshaus bei Androhung eines Zwangsgeldes von 2500 Euro aufgefordert, den Schrumpfkopf sofort wieder herbeizuschaffen, um ihn "zur näheren Prüfung vorübergehend in die Obhut von Fachleute des Kultusministeriums zu übergeben."
Weil "Hermann Historica" sich dadurch nicht beeindrucken ließ, kommt es nun vor dem Verwaltungsgericht zum Prozess. Das Auktionshaus will mit Hilfe der Richter durchsetzen, dass es auch den Namen und die Anschrift des Besitzers nicht herausgeben muss. "
Misst die Stadt mit zweierlei Maß?
"Natürlich kann man über Geschmack streiten", räumt auch Maria Burdwik, die Sprecherin des Auktionshauses ein. Was sie mehr erzürnt, ist die rigorose Vorgehensweise der Stadt München, die ihrer Ansicht nach mit zweierlei Maß misst.
"Es gibt viele Museen und ähnliche Einrichtungen, die Schrumpfköpfe und sogar ganze Leichen in Besitz haben und sie in Ausstellungen der Öffentlichkeit zeigen", argumentiert sie. Ihrer Ansicht nach schlägt das staatliche Gewissen nur dann, wenn sich menschliche Überreste in privatem Besitz befinden.
Ganz aus der Luft gegriffen, scheint diese Sichtweise tatsächlich nicht zu sein. Wie etwa von Seiten des Münchner Museums Fünf Kontinente (früher: Völkerkundemuseum) bestätigt wird, lagert auch dort ein Schrumpfkopf. "Wir zeigen ihn allerdings aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht in der Öffentlichkeit", erklärt ein Museums-Sprecherin.
Im Internet dagegen finden sich etliche Auktionen, bei denen Schrumpfköpfe ohne Beanstandungen den Besitzer wechselten. Auch bei Christies in Amsterdam kam ein Schrumpfkopf unter den Hammer. Maria Burdwik fällt auch noch ein näher an München liegendes Beispiel ein, die in Rottau ausgestellte "Frau von Peinting".
Die Sprecherin von "Hermann Historica" mit Blick auf den Bestattungswunsch des Münchner Friedhofsamtes: "Dort hätte man gleich eine ganze Leiche."