Bitte lächeln! - So Selfie ist München

Nicht immer große Kunst, aber oft kleine Geschenke: Warum Selfies nicht nur Ego-Quatsch sind – und wie sie gelingen.
von  Anja Perkuhn/az
Anja Perkuhn, Lokalredaktion: "Dem Berliner an sich kann man es ja außerhalb seiner Heimat nicht so leicht recht machen – auch wenn er nur zu Besuch ist. Der Viktualienmarkt ist da zum Glück immer ein sicherer Treffer: Man kann entspannt hinflanieren, gutes Essen einkaufen und sich extrem stressfrei in den kleinen Biergarten setzen, wo man nette Menschen trifft. Das sind alles keine Zauberdinge, aber für Hauptstädter tatsächlich Grund genug, Aaah und Oooh zu machen darüber, was München so alles kann. Und wenn grad kein Berlinbesuch da ist, genügt als Flaniergrund glücklicherweise auch ,Die Sonne scheint“ oder ,Ist noch Käse da?’“ (Im Bild: Anja mit Berlinbesuch Julie und noch hoffnungsfrohen Werder-Fans vorm Pokalhalbfinale)."
Anja Perkuhn, Lokalredaktion: "Dem Berliner an sich kann man es ja außerhalb seiner Heimat nicht so leicht recht machen – auch wenn er nur zu Besuch ist. Der Viktualienmarkt ist da zum Glück immer ein sicherer Treffer: Man kann entspannt hinflanieren, gutes Essen einkaufen und sich extrem stressfrei in den kleinen Biergarten setzen, wo man nette Menschen trifft. Das sind alles keine Zauberdinge, aber für Hauptstädter tatsächlich Grund genug, Aaah und Oooh zu machen darüber, was München so alles kann. Und wenn grad kein Berlinbesuch da ist, genügt als Flaniergrund glücklicherweise auch ,Die Sonne scheint“ oder ,Ist noch Käse da?’“ (Im Bild: Anja mit Berlinbesuch Julie und noch hoffnungsfrohen Werder-Fans vorm Pokalhalbfinale)." © AZ

München - Wenn man’s richtig anstellt, kann ein Selfie so viel mehr sein als eine narzisstische Selbstdarstellung aus der Handyperspektive: intime Momentaufnahme, künstlerische Spielerei, liebevoller Gruß, gnadenlose Selbstbespiegelung.

Klar, es sieht schon gern mal possierlich bis peinlich aus, wenn ein Mensch plötzlich irgendwo stehenbleibt, das Smartphone oder die Digitalkamera halbhoch über sich in die Luft hält und einem Bauwerk, einer Landschaft oder einer Situation sich selbst als Stempel aufdrückt. "Ich vorm Schiefen Turm von Pisa", "Ich vor einer Palme", das waren schon in Zeiten der analogen Fotos selten die spannenden Motive.

Im Grunde hat auch Vincent van Gogh das Gleiche gemacht

Wie bei jeder technischen Errungenschaft für die Massen gibt es natürlich jede Menge Ausschussware und wenig schöne Auswüchse. Dass es inzwischen so viele Social-Media-Kanäle gibt, über die Menschen diese Bilder in die Welt spülen können, erweckt mitunter den Eindruck, dass da nichts von Bedeutung entsteht.

Beispielsweise das sogenannte "duckface" – das Entengesicht. Eine Gesichtsverknautschung, die sich vor allem bei jungen Frauen durchgesetzt hat als vermeintlicher Knuddeligkeits-Filter: Lippen vorstülpen und Schnute ziehen, bis der Mund wie ein breiter Schnabel aussieht.

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Wer den eigenen Arm mit der Kamera in der Hand etwas geschickt einsetzt (und sein eigenes Gesicht nicht absichtlich deformiert), kann beim Selfie aber vieles schön machen, das im Bahnhofs-Passfotoautomaten nicht bessergeht: Sich von leicht schräg oben fotografieren zum Beispiel lässt die Augen größer wirken, die Kinnpartie schmaler und definierter und bei Bedarf auch den Shirt-Ausschnitt etwas tiefer.

(Wobei zum Beispiel nicht näher genannte Verwandte, deren Titel sich auf "Kater" reimt, nach wie vor nicht davon abzubringen sind, dass durch eine tiefgehaltene Kamera entstehende Doppelkinne nicht schlimm sind, wenn man dafür mehr Himmel aufs Foto bekommt. Es ist ein ständiges Tauschgeschäft zwischen dem Ego und der Welt da draußen.)

Manchmal muss man sich überwinden

Vor allem muss man für ein Selfie die eigene Scham überwinden – das ist auch den AZ-Autoren nicht immer leicht gefallen (siehe obenstehende Bilderstrecke), denn Selbstdarstellung taugt nicht jedem (schon gar nicht mit einem Selfie-Stick – diesen Teleskopstangen, die das Handy weiter weghalten für einen größeren Bildausschnitt).

Aber im Grunde hat ja auch Vincent van Gogh schon Selfies gemacht, indem er sich selbst malte – denn die Idee dahinter ist unabhängig von der Wahl des Werkzeugs, sich bildlich festzuhalten in einer Mischung aus Realität und dem Gefühl, das man von sich selbst hat.

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Das erste bekannte Foto-Selbstporträt hat der amerikanische Fotograf Robert Cornelius im Jahr 1839 gemacht. Der Maler Edvard Munch hat sich regelmäßig vor seinen Bildern fotografiert. Und Popstar Justin Bieber hat für seinen Song "Beauty And A Beat" ein ganzes Musikvideo mit nur einer Armlänge Abstand aufgenommen.

Bei Letzterem hatte das Phänomen schon den Namen "Selfie": Das Wort als verniedlichte Form vom englischen "self portrait" (Selbstporträt) tauchte niedergeschrieben zum ersten Mal 2002 auf – natürlich in einem Internetforum, einem australischen. Das Oxford English Dictionary erklärte Selfie zum "Wort des Jahres 2013".

"Schau mal, Mama: Ich hab’s bis auf den Gipfel geschafft!"

Klar, man muss nicht so tun, als wäre alles, was da entsteht, große Kunst. Aber Selfies mit Herz und Hirn dahinter sind kleine Geschenke: das verschlafene "Bin gerade aufgewacht und habe sofort an dich gedacht"-Bild für die Liebe in der anderen Stadt. Der "Eis essen wäre mit dir viel schöner"-Waffelgruß für den besten Freund. Die "Schau mal, Mama: Ich hab’s bis auf den Gipfel geschafft!"-Trophäe. Das "Dieser Tag mit euch ist so schön"-Quetschfoto, auf dem der Winkel niemandem so wirklich schmeichelt. Einfach mal ausprobieren. Und sich selbst nicht zu ernst nehmen. Wie auch sonst im Leben halt.

Klicken Sie sich in der obenstehenden Bilderstrecke durch die Selfie-Schnappschüsse der AZ-Redaktion.


Und jetzt Sie!

Sie finden Selfies eitel und überflüssig? Schreiben Sie uns Ihre Meinung dazu, bitte, wir sind sehr gespannt. Was uns fast noch lieber wäre: Schicken Sie uns Ihre hübschesten München-Selfies. Beides bitte an diese Adresse: leserforum@az-muenchen.de

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