Bissspuren, ein Strick – und die Suche geht weiter

München - Polizisten durchkämmen systematisch das Unterholz, kontrollieren jeden Rastplatz, jede Waldeinfahrt, jeden Mülleimer entlang der Landstraße zwischen Krailling und Peißenberg. Sie suchen blutverschmierte Kleidung, die der Mörder von Chiara und Sharon auf der Flucht weggeworfen haben könnte.
Inzwischen steht fest, dass zumindest eines der Mädchen auch mit einem Seil erdrosselt wurde. Ihr Onkel Thomas S. sitzt unter dringendem Tatverdacht in U-Haft und schweigt weiterhin.
Um 9.15 Uhr schwärmen die Polizisten in Gruppen aus. Beamte aus Gauting, Starnberg und Weilheim, unterstützt von Kräften der Bereitschaftspolizei – insgesamt sind rund 300 Polizisten im Einsatz.
Die Suche konzentriert sich auf die Staatsstraße 2063 zwischen Krailling, Gauting, Petersbrunn über Starnberg, Possenhofen, Feldafing, Pähl, Traubling und weiter entlang der Bundesstraße B2 nach Weilheim bis Peißenberg – insgesamt eine Strecke von 48 Kilometern Länge.
„Das Seil wird derzeit noch auf Spuren untersucht“
Die Route entspräche dem Fahrtweg des Verdächtigen vom Tatort in Krailling zu seiner Arbeitsstelle bei der Post in Feldafing und seinem Haus in Peißenberg. „Die Beamten suchen nach blutbefleckter Kleidung des Täters beziehungsweise der Opfer“, sagt Andrea Titz, Sprecherin der Staatsanwaltschaft MünchenII. Beamte vor Ort sagten, sie würden auch ein Mordwerkzeug suchen.
Die Fahnder der Soko Margarete gehen offenbar davon aus, dass Thomas S. nach dem Mord an den beiden Mädchen zur Arbeit fuhr. Die Auswertung seiner Handydaten könnte wichtige Hinweise liefern. Über Details schweigen die Ermittler.
Laut Zeugenaussagen kam Thomas S. am Morgen des 24. März gegen 6.30 Uhr zur Arbeit, so wie jeden Tag sortierte der 50-jährige Familienvater die Post für seinen Bezirk und lieferte sie dann aus. Nur Stunden zuvor waren Chiara und Sharon in der Wohnung ihrer Mutter brutal ermordet worden. Der Täter stach mit einem Küchenmesser zu. Bei der Obduktion wurden bei jedem der Mädchen mehr als ein Dutzend Stichverletzungen festgestellt. Außerdem schlug der Mörder mit einer Hantelstange zu. Offenbar haben sich die Kinder verzweifelt gewehrt. Es wurden Kratzer und vermutlich auch Bissspuren sichergestellt. Außerdem sollen an den Kindern auch Speichel und Hautschuppen des tatverdächtigen Onkels gefunden worden sein.
Seine Kleidung müsste nach der Tat über und über mit Blut besudelt gewesen sein, vermuten die Fahnder. Der Mörder hat die belastenden Beweisstücke offenbar weggeworfen. Auch die gestrige Suchaktion endete nach Angaben von Polizeisprecher Damian Kania ohne Ergebnis.
Dafür bestätigten sich gestern Informationen, wonach zumindest eines der Mädchen auch erdrosselt wurden. Die Mutter Anette S. fand demnach die kleine Chiara in ihrem Bett im Dachgeschoss mit einem Strick um den Hals. „Das Seil wird derzeit noch auf Spuren untersucht “, erklärte Staatsanwältin Andrea Titz. Ein Ergebnis der DNA-Analyse liegt noch nicht vor.
„Die bisherigen Ermittlungen bestätigen unseren Verdacht“, heißt es bei der Soko Margarete. Die Indizienkette füge sich immer weiter zusammen.
Was den Ermittlern zu schaffen macht
Die Polizei ist sich sicher, den Richtigen zu haben. Aber das Motiv bleibt unklar
Ein genetischer Fingerabdruck, ein Messer, eine Hantelstange und ein Seil als Tatwaffe. Die Beweise, die die Mordkommission in den vergangenen Wochen zusammengetragen hat, wiegen schwer.
Doch noch immer haben Staatsanwaltschaft und Polizei dem Verdächtigen Thomas S. (50) kein Geständnis entlocken können. Was außerdem fehlt, ist ein klares Motiv. Die Ermittler sind überzeugt, dass sie in S. den Täter gefasst haben. Doch warum soll er seine Nichten getötet haben? Wollte er sich an deren Mutter rächen, mit der er seit Jahren wegen einer Erbschaftsangelegenheit im Streit lag? Rache, indem er der 41-Jährige das wichtigste auf der Welt nahm – ihre beiden Töchter?
Möglicherweise hat sich der mutmaßliche Täter in die Wohnung geschlichen, um Unterlagen über eine Eigentumswohnung zu suchen, die seiner Frau und seiner Schwägerin gehören. Dabei könnte er von seinen Nichten überrascht worden sein. Die Verteidigung würde darin nicht Mord, sondern eine Tat im Affekt sehen. Damit würde Thomas S. eine wesentlich kürzere, befristet Gefängnisstrafe drohen. Die Ermittlungsbehörden würden trotzdem beim Mordvorwurf bleiben: Verdeckung einer Straftat und Habgier sind zwei Mordmerkmale. Dazu käme Heimtücke, weil der Täter die wehrlosen Mädchen, beide im Schlafanzug in ihrem Zuhause, getötet hat.