Biotopia-Chef Michael John Gorman: "Wir müssen Empathie für Insekten wecken!"

Das Museum Biotopia soll 2024 am Schloss Nymphenburg eröffnen. Gegenüber AZ plaudert Direktor Michael John Gorman aus dem Schaukästchen.
Anja Perkuhn |
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Noch ist das neue Museum eine Simulation.
Staab 3 Noch ist das neue Museum eine Simulation.
Ein Vogelflug-Simulator in einer Biotopia-Präsentation.
ho 3 Ein Vogelflug-Simulator in einer Biotopia-Präsentation.
Und einen echten Tausendfüßler zum Anfassen für die Reporterin.
ho 3 Und einen echten Tausendfüßler zum Anfassen für die Reporterin.

München - Staunen sollen die Besucher des neuen Naturkundemuseums Bayern. Wie genau die Museumsleitung das große Staunen immer wieder auslösen möchte, erzählt "Biotopia"-Direktor Michael John Gorman am Dienstag bei einem Vortrag im Einstein 28 (Einsteinstr. 28, 18 Uhr, 7 Euro) - und heute schon in der AZ.

AZ: Herr Gorman, wann haben Sie sich zuletzt in einem Museum gelangweilt?
MICHAEL JOHN GORMAN: Oh, das ist schwer zu sagen. Viele Museen nutzen ihr Potenzial nicht aus, aber das liegt oft daran, dass sie wenig Personal und Ressourcen haben. Und ich suche mir die Museen, in die ich gehe, sehr bewusst aus, weil ich im Idealfall ja etwas lernen möchte für Biotopia.

Dann anders herum: Welches Museum hat Sie zuletzt so richtig überrascht?
Vor ein paar Monaten war ich in Amsterdam im "Micropia", einem Museum mit einem Mikroben-Park. Das hat mich sehr inspiriert, denn es erinnert daran, dass Biologie viel mehr ist als große Lebewesen wie Elefanten und Giraffen. Und kürzlich war ich in Tokio im "Miraikan", dem Zukunftsmuseum von Japan. Das war sehr faszinierend und futuristisch.

"Wir wollen die Neugier der Besucher stimulieren"

Was haben Sie da gelernt?
Wie man das Museum an sich neu denken kann.

Als Sie das Konzept fürs Naturkundemuseum vorgestellt haben, sagten Sie: Museen, wie wir sie aus dem 19. und 20. Jahrhundert kennen, funktionieren nicht mehr.
Diese Museen waren einmal sehr wichtig, aber da ging es vor allem darum, zu zeigen, wie viele tolle Objekte eine Stadt oder ein Land gesammelt hat - und die den Menschen zu präsentieren. Die Objekte waren dann hinter Vitrinen, Schmetterlinge auf Nadeln aufgespießt und so etwas. Im 21. Jahrhundert muss das Museum anders funktionieren: Die Menschen sollen nicht als Kind ein Mal hinkommen und dann erst wieder, wenn sie selbst Kinder haben. Wir wollen eine lebenslange Beziehung zu den Menschen aufbauen. Dafür muss es Ausstellungen geben, Experimente, Sonderausstellungen mit Themenschwerpunkten und auch Abendveranstaltungen und Workshops.

Und pädagogisch wertvoll soll es auch noch sein.
Ja, da sind uns drei Punkte wichtig: Wir wollen die Neugier der Besucher stimulieren, ihre Empathie wecken, indem wir ihnen Perspektivwechsel bieten wie zum Beispiel mit dem Vogelflug-Simulator oder den Tausendfüßlern zum Anfassen, die wir vor einem Jahr bei der Präsentation von Biotopia da hatten. Und damit wollen wir Initiativen anregen. Die Menschen sollen sich Gedanken machen, sich engagieren, vielleicht selbst Umweltschutzprojekte gründen. Der Besuch soll nicht enden, wenn sie das Museum verlassen.

"Die wichtigste Frage ist: Wie gehen wir mit dem Artensterben um?"

Empathie wecken für Tausendfüßler, nicht so einfach.
Aber genau darum geht es! Wir müssen in den Menschen auch für Insekten Empathie wecken. Sie dafür sensibilisieren, dass zum Beispiel zwischen 1989 und 2016 in Deutschland so viele Insekten gestorben sind, dass ihre Masse um 75 Prozent verringert wurde. Es gibt gerade viele Herausforderungen: den Klimawandel, immer mehr Plastik im Meer, die industrielle Revolution und künstliche Intelligenz, Luftverschmutzung. Für mich ist aber die vielleicht wichtigste Frage unserer Zeit, die unsere Generation definieren wird: Wie gehen wir mit dem Massensterben der Arten um?

Da stellen Sie sich aber einen sehr mündigen Museumsbesucher vor, der das beantwortet. Ist das nicht sehr viel Anspruch?
Natürlich darf man beim ersten Besuch noch nicht zu viel von jemandem erwarten. Aber die Menschen sollen auch Dinge entdecken können, die sie reinziehen und zum Wiederkommen bringen. Sie sollen ins Detail gehen können, wenn sie wollen. Biotopia muss auf verschiedenen Niveaus funktionieren, viele Schichten mit unterschiedlicher Tiefe haben.

Auch für Kinder? Das zeichnet ja unter anderem das Museum Mensch und Natur aus.
Es wird auch ein Kindermuseum geben für Null- bis Sechsjährige. Kinder und Jugendliche können sehr viel entdecken bei Biotopia, das ist uns wichtig. Es wird zum Beispiel ein Esslabor geben, in dem es um die Ernährung der Zukunft gehen wird.

Morgen stellen Sie das Konzept für das Naturkundemuseum im Einstein 28 vor.
Ja, da geht es um unsere Vision für Biotopia. Im vergangenen Jahr haben wir vor allem das Raumkonzept für das Museum erarbeitet, jetzt konzipieren wir die Inhalte, planen die einzelnen Ausstellungen und wie wir sie präsentieren.

Nun rückt der Schlaf in den Fokus

Wie weit sind Sie?
Wir sind jetzt dabei, unsere Ideen in räumliche Planung umzusetzen: Was für Objekte nehmen wir, wo brauchen wir ein interaktives Element und was für eins? Das ist ein sehr kreativer Prozess, an dem im Moment zehn Menschen aus unserem Team beteiligt sind. Dann kommen noch Mitarbeiter vom Museum Mensch und Natur dazu und natürlich externe Experten, internationale aber auch von den lokalen Universitäten, Gestalter und Wissenschaftler.

Woran arbeiten Sie konkret?
Gerade ist es das Thema Schlafen. Das ist sehr spannend und wir können da auf Weltexperten zurückgreifen, die es hier in München gibt, wie zum Beispiel Till Roenneberg!

Wahrscheinlich wird es am Dienstag trotzdem nicht nur um die Inhalte gehen, sondern auch wieder um die Hülle, die Architektur des Museums.
Das stimmt wahrscheinlich. Aber ich kann die Leute verstehen: Das ist ein sehr wichtiges und sensibles Thema, wie das Museum aussehen wird, vor allem hier direkt am Schloss.

Frustriert Sie das?
Ach, wir sind da sehr im Austausch mit den Nachbarn, mit dem Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, und ich finde es gut, dass die Menschen sich darum kümmern, was in ihrer Stadt passiert. Ich hatte auch den Eindruck, dass viele bei den letzten Veranstaltungen dazu fanden, wir gehen jetzt in eine gute Richtung mit der Gestaltung des Museums.

Sie sind optimistisch?
Natürlich! Ich will das Museum so bald wie möglich eröffnen, am liebsten schon morgen.

"München kann die beste Wissenschafts-Stadt der Welt werden"

Sie bezeichnen Biotopia auch immer wieder als Plattform.
Es ist mehr als ein Haus. Wir vernetzen sehr viele Museen, vor allem in Bayern. Es gibt zum Beispiel in Nördlingen das Rieskrater-Museum, in dem es um Meteoriten geht, und in Eichstätt das Jura-Museum, in dem man lernen kann, dass Bayern in der Jurazeit komplett unter Wasser stand. Mit denen arbeiten wir zusammen, tauschen uns aus. Davon profitieren wir alle. Es gibt hier so einen großen Cluster mit Wissenschaft: das Max-Planck-Institut, die TUM, die LMU, das Deutsche Museum. München kann die beste Wissenschafts-Stadt der Welt werden.

Wo kommt Ihre große Begeisterung für die Wissenschaft her?
Eigentlich wollte ich Musik studieren. Aber dann habe ich mit 17 ein Jahr Auszeit genommen und mich in dieser Zeit zufällig mit einem Physiker unterhalten. Der redete über Quantenmechanik und das Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze. Das beeindruckte mich so sehr, dass ich dann Physik studierte. Es gibt nichts Besseres als eine Unterhaltung mit jemandem, der Dinge weiß und begeistern kann. So soll auch Biotopia funktionieren.

Haben Sie das mit der Katze damals gleich verstanden?
(lacht) Nein, erst im Studium. Aber das war unwichtig.

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