Bildungsbericht legt offen: Wer arm ist, bleibt dumm

München - Mehr Sitzenbleiber, mehr Abbrecher und deutlich weniger Abiturienten: Der neue Bildungsbericht der Stadt verdeutlicht wieder einmal auf eindrucksvolle Weise, wie stark schulischer Erfolg vom sozialen Status abhängt. Vor allem Kinder aus ausländischen Familien tun sich im deutschen Bildungssystem extrem schwer.
Zwar hat der Bildungsbericht, der heute im Stadtrat vorgestellt wird, auch ein paar positive Nachrichten zu verkünden. So hat an den kommunalen Gymnasien etwa der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren um rund fünf Prozent zugenommen. Insgesamt jedoch ist der Bericht ein klares Zeugnis dafür, wie ungerecht die Bildungschancen auch in München verteilt sind.
An den Mittelschulen müssen zum Beispiel 11,4 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund in ihrer Schullaufbahn irgendwann eine Klasse wiederholen. Unter den deutschen Schülern sind es mit 4,9 Prozent nicht einmal halb so viele. Aufs Gymnasium schaffen es nur 30,9 Prozent aller Migrantenkinder, bei den Deutschen sind es 58,8. Und ganz ohne Abschluss stehen am Ende 11,9 Prozent aller ausländischen Schüler da. Bei den Deutschen sind es nur 4,5.
Der Bildungsbericht lässt keinen Zweifel daran, warum das so ist. „Hintergrund ist hierbei auch die oftmals schlechte sozioökonomische Lage der Migrantenfamilien, welche sich im deutschen Schulsystem negativ auf den Schulerfolg auswirkt“, heißt es in der Analyse des städtischen Schulreferats. Sprich: Sind die Eltern nicht in der Lage, ihr Kind finanziell zu unterstützen, wird es auch nichts mit der Schulbildung.
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Für deutsche Familien gilt das natürlich gleichermaßen. Was bei ausländischen Kindern als Bildungshemmnis jedoch dazukommt, sind sprachliche Barrieren. Physik und Mathematik sind für sich genommen schließlich schon kompliziert genug. Ist die Familiensprache dann nicht deutsch, werden binomische Formeln umso schwerer verständlicher.
Um diese Problematik genauer verfolgen zu können, hat das städtische Schulreferat den sogenannten Sozialindex entwickelt (siehe Grafik). Aus diesem ist für jeden Grundschulsprengel ersichtlich, wie für die Schüler dort die Chancen stehen, ihre intellektuellen Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Wenig überraschend sind die Bildungschancen demnach dort geringer, wo viele ausländische Familien wohnen und die Sprachkenntnisse entsprechend gering sind.
Münchens Schulminister Rainer Schweppe hält es deshalb für an der Zeit, Überlegungen anzustellen, „inwieweit für die neu zugewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch Bildungsangebote über die Schulpflicht hinaus notwendig sind“. Nur so könne man sicherstellen, dass Neuankömmlinge im deutschen Bildungssystem nicht vollkommen abgehängt werden.
Zusätzliche Sprachförderung und ähnliche Maßnahmen sind auch dringend notwendig. Schon heute hat bei den Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren eine Mehrheit einen Migrationshintergrund: Sensationelle 56,6 Prozent der jungen Münchner entstammen mittlerweile einer ausländischen Familie. Schulminister Schweppe hält es deshalb für eine der vordringlichsten Aufgaben, das Förderangebot für junge Zuwanderer zu erhöhen. Sonst werde es auch in Zukunft keine Bildungsgerechtigkeit geben – dann bleibt die Stadt weiterhin gespalten.