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"Bild des Grauens": Weshalb in München tote Schwalben vom Himmel fallen

Tierschützer in ganz Bayern melden traurige Funde. Viele der gefundenen Schwalben haben nicht überlebt. Was dahinter steckt und was man tun kann, wenn man selbst einen entkräfteten Zugvogel findet, erklärt der LBV in der AZ.
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Die Wetterlage der Septembermitte hat die Schwalben in Bayern in ernsthafte Bedrängnis gebracht. Meldungen über tote und erschöpfte Mehlschwalben haben Vogelschützer aus mehreren Regionen Bayerns erreicht, unter anderem aus dem Landkreis Regensburg.
Die Wetterlage der Septembermitte hat die Schwalben in Bayern in ernsthafte Bedrängnis gebracht. Meldungen über tote und erschöpfte Mehlschwalben haben Vogelschützer aus mehreren Regionen Bayerns erreicht, unter anderem aus dem Landkreis Regensburg. © Ferdinand Baer/LBV/dpa

München - Eigentlich bräuchten Schwalben jetzt all ihre Kräfte. Für die Reise in den Süden. Doch der Dauerregen und die plötzliche Kälte in Bayern haben die Zugvögel extrem geschwächt und ausgehungert.

Vor allem aus dem Osten und Süden bekommt der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) im Freistaat seit Tagen verzweifelte Hilferufe: Entweder, weil sich erschöpfte Schwalben mit letzter Energie irgendwo im Trockenen zusammenkauern – oder schon tot am Boden liegen.

Hilferufe von Starnberg bis Straubing

"Neben München und Landshut, wo LBV-Kreisgruppen am Wochenende bereits eine Hilfsaktion für Schwalben in Not gestartet haben, kamen Hilferufe zu toten und erschöpften Schwalben aus den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Regensburg, Nürnberger Land, Starnberg und Straubing bei uns an", teilt LBV-Sprecher Markus Erlwein Anfang der Woche mit. Wie viele Schwalben im Freistaat betroffen sind, lasse sich noch nicht abschätzen.

Auch der Tierschutzverein München schlägt Anfang der Woche Alarm und teilt mit: "Überall fallen Schwalben völlig kraftlos, teilweise tot vom Himmel." Hunderte Mehlschwalben wurden in die Wildtierstation des Tierheims gebracht.  "Wir sind entsetzt und verzweifelt! Wir wärmen und füttern durchgehend und müssen dennoch jeden Morgen tote Schwalben aufreihen. Es ist ein Bild des Grauens", so der Abteilungsleiter der Wildtierstation des Münchner Tierheims, Jacek Nitsch.

Wie hat sich die Situation entwickelt? Aktuell würden dort noch rund 120 Schwalben versorgt, wie eine Sprecherin des Tierheims der AZ am Freitag auf Nachfrage mitteilt. Die traurige Nachricht: "Insgesamt haben wir zwischen 400 und 500 aufgenommen. Drei Viertel davon sind trotz extrem hohem Pflegeaufwand verstorben." Momentan würden nur noch vereinzelt Schwalben zum Tierheim gebracht. "Wir haben aber große Sorge, dass die geschwächten Schwalben, die jetzt nicht aufgenommen und gepäppelt wurden, es nicht über die Alpen schaffen", so die Sprecherin. 

Zwei der Schwalben in der Wildtierstation des Tierschutzvereins München.
Zwei der Schwalben in der Wildtierstation des Tierschutzvereins München. © Tierschutzverein München

Bei Sylvia Weber von der LBV-Kreisgruppe München stand das Telefon in den letzten Tagen ebenfalls nicht mehr still. "Ich habe aufgehört zu zählen", sagt sie zur AZ. Menschen meldeten sich, weil sie entweder Schwalben beobachtet hätten, die sich "zu Hunderten zusammenkuscheln". Oder aber, weil Vögel am Boden gefunden wurden.

Normalerweise machen sie sich im September auf ihre Reise nach Afrika. Weber erinnert an das Sprichwort: "Um Mariä Geburt (8. September; d. Red.) fliegen die Schwalben furt." Doch die plötzliche Kälte und der Dauerregen haben sie extrem geschwächt. Denn sie ernähren sich ausschließlich von Insekten, die sie im Flug erbeuten. Aktuell können aber weder sie noch Insekten fliegen.

Die Schwalbenexpertin erklärt der AZ: "Die Tiere fallen in eine Kälte- oder Hungerstarre." Alle Körperfunktionen würden heruntergefahren, um Energie zu sparen. Aus dieser Starre kann man sie wieder erwecken.

"Wichtig ist, dem Tier erst einmal Wärme zu geben"

Findet man eine Schwalbe, die noch am Leben ist, sollte man sie zunächst in die Hand nehmen und mit der eigenen Körperwärme aufwärmen. "Wichtig ist, dem Tier erst einmal Wärme zu geben, es vielleicht auch abzutrocknen. Manche sind triefend nass. Mit solch einem nassen Gefieder kann keine Schwalbe mehr fliegen."

Als Erste Hilfe, bevor man die Tiere zu einer Auffangstation bringt, wäre Weber zufolge auch ein Karton mit Luftlöchern denkbar, in den man eine Wärmflasche mit 40 Grad legt, darüber ein Handtuch, auf das man die Schwalbe(n) setzt.

Erschöpft suchen sie Unterschlupf vor dem Regen.
Erschöpft suchen sie Unterschlupf vor dem Regen. © LBV München

"Angst, aber in einem lethargischen Zustand"

Wehren sich die Vögel nicht, wenn ein Mensch sie anfasst? "Natürlich haben die Tiere Angst. Aber sie sind meist in einem lethargischen Zustand", so Weber.

Die Vögel zu füttern, davon rät Weber Laien ab. Das Füttern bei erwachsenen Tieren ist "unendlich schwierig". Und da sie in Freiheit Fluginsekten fressen, kommt etwa Körner-Vogelfutter sowieso nicht infrage. Am ähnlichsten seien dem noch Heimchen, die aber speziell präpariert werden müssen. Deswegen sollte man das einer Auffangstation überlassen.

Dazu rät auch der Tierschutzverein: "Geschwächte Schwalben sofort aufnehmen, behutsam aufwärmen und möglichst schnell zu einer professionellen Auffangstation wie im Münchner Tierheim bringen".

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Schwalben-Ansammlungen nicht aufscheuchen

Weber zufolge sollte man die nächsten Tage noch die Augen offen halten, ob man erschöpfte Tiere am Boden entdeckt. Bei Ansammlungen etwa unter einer Brücke gilt: nicht aufscheuchen!

Noch eine Möglichkeit der Hilfe sieht Weber angesichts der Schlechtwetter-Extreme und der damit einhergehenden Futterarmut: den Klimawandel, "der uns immer mehr und immer unmittelbarer betrifft", ernst nehmen und Naturschutzverbände unterstützen, die etwa Biotope pflegen und damit Insekten hervorbringen.

Die Sprecherin des Tierschutzvereins München weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass viele unserer Vogelarten vom Aussterben bedroht seien und das Nahrungsangebot für sie schlecht sei. "Auch wenn das Schwalbendrama uns das Problem des Artensterbens jetzt sehr drastisch vor Augen geführt hat, besteht dieses im Stillen schon seit vielen Jahren und wird sich auch in Zukunft ohne massiven politischen Wandel nicht entschärfen."

Auch wenn Weber davon ausgeht, dass sich die aktuelle Notlage in geringeren Beständen im nächsten Jahr zeigen wird, bleibt ihre Hoffnung: ein Wiedersehen mit möglichst vielen Schwalben im nächsten Frühjahr.

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21 Kommentare
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  • sircharles am 21.09.2024 01:17 Uhr / Bewertung:

    Mit eurer Klimahysterie macht ihr nicht nur die Leute verrückt sondern auch die Wirtschaft kaputt. Wird Zeit, dass wieder Politiker ans Werk gehen, die von ihrem Job auch Ahnung haben.

  • Himbeergselchts am 19.09.2024 15:47 Uhr / Bewertung:

    Dreht und wendet es wie Ihr wollt:
    „Der Sommer 2024 hatte im globalen Mittel die höchsten Temperaturen seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen.
    06.09.2024 Forschung und Wissen
    Die 1,5 Grad haben wir geschafft. Hitzetote, Dürren, Fluten.
    Wie bereits 1365, 1589 und 1992.

  • Himbeergselchts am 20.09.2024 00:30 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Himbeergselchts

    Bloß verkürzen sich die Jahrhunderte auf 3 Jahre.

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