Bilanz des Weihnachtsgeschäfts: Wie zufrieden ist der Münchner Einzelhandel?

Krieg, Inflation und Energiekrise machten dem Einzelhandel vor Weihnachten große Sorgen. Die AZ hat sich auf der Hohenzollernstraße umgehört, wie das Geschäft gerade läuft.
von  Hüseyin Ince, Daniel von Loeper
Katrin Tewes im Lemoni. Sie hat vor allem viele Produkte aus Griechenland. Doch nichts verkauft sich zur Zeit so gut wie der Kaschmir-Schal.
Katrin Tewes im Lemoni. Sie hat vor allem viele Produkte aus Griechenland. Doch nichts verkauft sich zur Zeit so gut wie der Kaschmir-Schal. © Daniel von Loeper

München - Es ist Mittwoch, der kürzeste Tag des Jahres, gegen 15 Uhr, als es die AZ genau wissen will und an der Leopoldstraße in die Hohenzollernstraße einbiegt. Hier gibt es schließlich Dutzende inhabergeführte Läden: Boutiquen, Weinhandel, Tee. Alles, was das Herz so kurz vor Weihnachten begehrt. Aber wie zufrieden sind die Geschäftsleute mit der wichtigen Vorweihnachtszeit?

Da ist der Teeladen Tea and More, Hausnummer 36, 350 lose Teesorten, plus Beutelteevarianten, eröffnet im Sommer 2014. Wir wollen mit der Inhaberin sprechen, Stephanie von Schoen, eine Frau mit französischen Wurzeln. Doch wir schaffen es nicht hinein. Etwa drei Kunden stehen draußen an, drinnen mindestens fünf. Schoen und ihre Tochter Pauline wuseln kreuz und quer durch den Laden, wiegen Tee ab.

Pauline von Schoen packt zur Zeit fast täglich mit an im Tea and More.
Pauline von Schoen packt zur Zeit fast täglich mit an im Tea and More. © Daniel von Loeper

Rätselhafte Umsatzflaute im Sommer

Später, als etwas weniger los ist, sprechen wir Stephanie von Schoen auf eine Zigarettenpause. Das Geschäft laufe ganz okay. "Auch in der Pandemie standen die Leute hier bis zum Friseur", sagt sie und zeigt Richtung nebenan, zehn Meter weiter. Aber schockiert habe sie der Sommer. "Da hatten in der Hohenzollernstraße alle Geschäfte deutlich weniger Kundschaft". Eine rätselhafte Flaute sei das gewesen.

Tee ist und bleibt ein beliebtes Weihnachtsgeschenk. Der Renner heuer: "Earl Grey, Bluestar, aus Japan, mit Bergamotte und Kornblüte. Davon habe ich nur heute drei Kilogramm verkauft", erzählt sie. Beachtlich. Die Sorte kostet 19,90 Euro - je 100 Gramm. Ihr Lieblingstee? "Grüner Tee aus Japan, gewachsen im Schatten von Laubbäumen", schwärmt Schoen.

"Es wird weniger gekauft, weil die Leute weniger haben"

Bedingter Optimismus also bei Tea and More. Wie sieht es bei einem der ältesten Geschäfte der Straße aus, bei Alexander Bertrand, der den gleichnamigen Jeans-, Schuh- und Arbeitsklamottenladen Bertrand betreibt? Seit 1931 gibt es das Geschäft schon. Bertrand hat ihn von seinem Vater in den 80ern übernommen.

"One-Man-Show" Alexander Bertrand in seinem gleichnamigen Laden.
"One-Man-Show" Alexander Bertrand in seinem gleichnamigen Laden. © Daniel von Loeper

"Ich mache etwa 20 Prozent weniger Umsatz als 2019", sagt Bertrand. Nur langsam erhole sich das Geschäft mit den eigentlich beliebten Schuhen und Qualitäts-Jeans. Viel habe sich online verschoben. Aber: "Es wird grundsätzlich weniger gekauft, weil die Leute weniger haben", sagt Bertrand.

Dennoch verzweifelt er nicht: "Ich denke, die Kunden haben es langsam satt, online zu shoppen - und dieser kostenfreie Retourewahnsinn!" Bertrand glaube fest daran, dass es in Zukunft wieder wichtiger sein werde, das Produkt anzufassen und "natürlich auch anzuprobieren", sagt er. Viele Geschäfte hätten während der Pandemie in der Hohenzollernstraße aufgegeben. "Ich halte durch, der Laden ist mein Leben", sagt Bertrand.

"Wer die Pandemie gerockt hat, den schockt nichts mehr"

Hausnummer 35. Wir betreten das Geschäft Lemoni. Dort ist Katrin Tewes die Chefin. Zwei Läden hat sie inzwischen in München. Einen hier an der Hohenzollernstraße, den anderen am Wiener Platz. Was es bei ihr gibt? "Alles, was auch mir gefällt", fasst sie zusammen. Viele Produkte kommen bei ihr aus Griechenland. Sie hat eine familiäre Verbindung. "Mein Vater ist Grieche", sagt Tewes.

Im Lemoni dreht sich alles um Design, Klamotten, Honig, Gewürze, Seife, Tee, Schmuck oder Postkarten, auch online bestellbar. Über die Umsätze kann sich Tewes nicht beklagen. "Wir haben inzwischen eine treue Stammkundschaft", erzählt sie. Ihr vorweihnachtlicher Mega-Renner: "Kaschmir-Schals gehen unheimlich gut, seit September", sagt Tewes.

Umsatzdellen durch Krieg und Inflation fürchtet sie nicht. So leicht könne sie nichts mehr erschrecken. "Eine Woche, nachdem ich am Wiener Platz eröffnet habe, kam der Lockdown", sagt sie. Ihr Motto: Augen zu und durch. "Wer die Pandemie gerockt hat, den schockt nichts mehr", sagt die selbstbewusste Geschäftsfrau.

Schräg gegenüber: Jaques' Wein-Depot. Eine fröhliche Geschäftsführerin empfängt uns, Stephanie Frentzen. Hier gibt es Wein bis Champagner, auch Hochprozentiges wie Pastis, dazu passende Feinkost. Sehr beliebt: Amarone, Brunello, Barolo.

Corona: mehr Wein denn je

"Am besten verkaufen sich gerade Weine für acht bis zehn Euro", erzählt sie. Acht bis zehn Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019 liege der Umsatz. Aber das sei halb so wild. "Während Corona hatten wir ein Umsatzplus", sagt sie.

Stephanie Frentzen, Geschäftsführerin in Jaques' Wein-Depot.
Stephanie Frentzen, Geschäftsführerin in Jaques' Wein-Depot. © Daniel von Loeper

Vor Weihnachten laufe es besser als erwartet. "Ich glaube, unsere Kunden schätzen es, dass sie hier viele Produkte probieren können", sagt Frentzen - und schenkt uns einen Finger breit Champagner ein.


Kaufingerstraße: Passantenzahlen fast auf dem Niveau von 2019

Mütze, Schal, Handschuhe, Bücher, Schmuck, Parfum, Gutscheine: Das traditionelle Weihnachtsgeschäft laufe schon seit dem Wintereinbruch recht zufriedenstellend, fasst Wolfgang Fischer die Stimmung seiner Branchenmitglieder im Einzelhandelsverband der Innenstadthändler zusammen. Fischer hat stets die Passanten-Frequenz auf der Kaufingerstraße im Blick. Rund um den Marienplatz gibt es dafür Messstellen. Die Rechnung ist recht einfach wie zuverlässig: je mehr Laufkundschaft, desto mehr Umsatz.

Wolfgang Fischer vom Münchner Einzelhandelsverband Citypartner.
Wolfgang Fischer vom Münchner Einzelhandelsverband Citypartner. © Citypartner

Heuer ist der Vergleich zum Weihnachtsgeschäft 2019 natürlich besonders spannend, dem letzten Jahr ohne Corona. Und 2022 fühlt es sich ja fast so an, als ob es Corona kaum noch gäbe. "Wir sind noch nicht ganz auf dem Niveau vor der Pandemie", sagt Fischer. Aber es gehe schon in die Richtung. Er vergleicht dabei zwei Zeiträume: Von 26. November bis 11. Dezember wurden 1,74 Millionen Passanten gezählt. Im Jahr 2019 waren das 1,93 Millionen. Gut sei auch, dass heuer Heiligabend auf einen Samstag falle. "So hatte man nach dem vierten Advent noch fast eine volle Woche extra für die Geschenke", sagt er.

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