Bierpreisbremse abgelehnt! Das sind die Pläne von Josef Schmid

Nach langem Zanken hat der Stadtrat heute über den Bierpreisdeckel auf der Wiesn entschieden - und abgelehnt. Bürgermeister Josef Schmid verteidigt seine Pläne.
von  Felix Müller
Der zweite Oberbürgermeister Münchens, Josef Schmid will eine Preisbremse beim Wiesn-Bier – und dem MVV.
Der zweite Oberbürgermeister Münchens, Josef Schmid will eine Preisbremse beim Wiesn-Bier – und dem MVV. © Matthias Balk/dpa

Nach monatelangem Zanken hat der Stadtrat heute über den Bierpreisdeckel auf der Wiesn entschieden - und abgelehnt. In der AZ verteidigt Bürgermeister Josef Schmid seine Pläne – und fordert sogar noch mehr.

München - Die Bierpreisbremse kommt nicht! Heute hat der Stadtrat über den Vorstoß von Wiesn-Chef Josef Schmid (CSU) entschieden. Dieser hatte eine Deckelung von 10,70 Euro pro Maß für die nächsten drei Oktoberfeste vorgeschlagen – und heftigen Widerstand ausgelöst.

In der AZ verteidigt er sein Konzept, droht den Wirten mit einer Hendl- und Schweinsbraten-Bremse – und schlägt vor, auch außerhalb der Wiesn über Preisgrenzen zu reden, etwa beim MVV. Der 47-jährige ist Münchens zweiter Bürgermeister.

Anmerkung: Das Interview wurde vor der Stadtratsversammlung und der Abfuhr für die Bierpreisbremse geführt

AZ: Herr Schmid, wir hätten ein paar Thesen zur Bierpreis-Debatte. These 1: Wenn der Stadtrat gegen ihren Reform-Plan stimmt, ist das nicht nur ein schwerer Schlag für den Wiesn-Chef Josef Schmid, sondern auch machtpolitisch für den Bürgermeister Josef Schmid.
JOSEF SCHMID: Nein, überhaupt nicht. Das wäre ein harter Schlag für diejenigen, die dagegen stimmen. Ich kann nicht verstehen, wie man eine vernünftige Umlegung von Sicherheitskosten auf die Wirte, die die größten Umsätze und Gewinne machen, ablehnen kann. Eine Ablehnung des Stadtrats würde dann den normalen Münchner Wiesn-Gänger treffen, der wieder einmal mehr zahlen muss. Dafür hätten viele Menschen kein Verständnis.

These 2: Wenn der Bierpreisdeckel kommt, legen die Wirte die hohen Sicherheitskosten auch auf die Münchner um – und treffen dann mit Spezi- oder Hendl-Preisen vor allem die Familien.
Die Wirte haben da nur begrenzte Möglichkeiten. Ein alkoholfreies Getränk darf den Bierpreis ja eh nicht übersteigen, der Deckel gilt darüber hinaus auch für alkoholfreies Bier. Außerdem finden Sie für Limo und Speisen auch außerhalb der Zelte ein großes Angebot, das ist beim Bier anders.

Und wenn Sie sich irren und die Wirte doch weiter bei den anderen Speisen und Getränken anziehen?
Dann könnten wir selbstverständlich weitere Preisvorschriften machen. Wer hindert uns daran, zu sagen, auch der Preis für ein Hendl und einen Schweinsbraten darf eine Summe x nicht übersteigen? Die Wirte wissen, dass wir unsere Vorschriften nächstes Jahr gegebenenfalls anpassen können.

These 3: Es ist über Monate nie gelungen, die Debatte über Ihre Vorschläge zu versachlichen. Um Ihre Vorschläge ging es eigentlich gar nicht.
Ich hatte den Eindruck, dass ich in den Sitzungen des interfraktionellen Arbeitskreises meine Vorschläge sehr gut erläutern konnte. Da sind auch keine Fragen offen geblieben. Vielleicht ist es wirklich so, dass manche dagegen sind, weil der Vorschlag von mir kam. Das wäre allerdings ein Armutszeugnis.

These 4: Ein Wiesn-Chef, der die Wiesn-Wirte gegen sich hat, hat ein großes Problem.
Ich habe die Wiesn-Wirte nicht grundsätzlich gegen mich. Wenn ich mit einigen Wirten persönliche Gespräche führe, klingt vieles schon ganz anders. Im übrigen bin ich als Wiesn-Chef vor allem für die Besucher dieses Festes da. So verstehe ich jedenfalls dieses Amt.

These 5: Wenn der Bierpreisdeckel abgelehnt wird, dann haben Sie ein Thema gesetzt, hatten Aufmerksamkeit, wurden am Nockherberg erwähnt. Aber eigentlich hat die ganze Diskussion der Stadt nichts gebracht.
Erstens halte ich es für gut möglich, dass sich die Wirte aufgrund dieser Debatte eine Zeit lang mit Preissteigerungen demonstrativ zurückhalten. Das wäre auch schon mein Erfolg. Verstehen würde ich eine Ablehnung des Bierpreisdeckels aber trotzdem nicht. Der Bierpreisdeckel stößt bei über 80 Prozent der Menschen auf größte Zustimmung. Die Menschen haben schon ein ganz gutes Gespür, was gerecht ist und was nicht.

Christian Ude hat sich in der AZ verwundert über Ihr Vorgehen geäußert, diese Diskussion öffentlich zu führen. Man habe Fragen der Wiesn doch stets "diskret, vertrauensvoll, intern" geregelt. War Ihr Vorstoß populistisch?
Der Erste, der heuer öffentlich einen Vorschlag zum Oktoberfest gemacht hat, war der amtierende Oberbürgermeister Dieter Reiter. Es ist doch vollkommen klar, dass ich als zuständiger Referent und Wiesn-Chef auf einen öffentlich gemachten Vorschlag auch öffentlich mit eigenen Ideen reagiere. Und der Vorwurf des Populismus ist doch völlig absurd. Es zeugt von elitärem Denken, Mehrheitsmeinungen auf diese Weise abzukanzeln. Ich kann vor solch einem elitären Denken nur warnen.

Was passiert, wenn der Stadtrat am Mittwoch "Nein" sagt?
Der Stadtrat hat die Entscheidungs-Kompetenz über die Betriebsvorschriften. Wenn er gegen den Bierpreisdeckel stimmt, sorgt er dafür, dass die Mehrkosten der Wirte doch wieder nur beim Gast abgeladen werden – trotz der Super-Gewinne. Ich bleibe auf jeden Fall bei meiner Haltung: Das ist ein in sich schlüssiges Konzept. Die Sicherheitskosten werden dort bezahlt, wo die höchsten Gewinne gemacht werden. Es gibt einen Bierpreisdeckel, damit das Geld nicht von den Gästen geholt wird. Und dann schließlich einen Tag mehr, der für mich schon immer ein Tag für die Münchner war. 2010 haben den übrigens noch alle gut gefunden – auch die, die jetzt plötzlich dagegen sind.

Was halten Sie von dieser These: Die spinnen an der Stadt-Spitze, sich Monate über dieses Thema zu streiten. Es gibt doch viel wichtigere Preisfragen in dieser Stadt als die, ob man einen Euro spart, wenn man fünf Maß trinkt?
Natürlich gibt es noch wichtigere Fragen. Für mich ist die Frage eines Bierpreisdeckels Teil einer größeren Debatte. So ist mein Vorschlag auch einzuordnen. Das übergeordnete Thema ist: Was können wir in der Stadtpolitik tun, um gegen die ständig steigenden Preise in München anzugehen?

Bei den Wohnungen offenbar wenig.
Wir bauen ja sehr viele preiswerte Wohnungen, aber dadurch sinken die Mieten insgesamt nicht. Wir können allenfalls etwas dämpfend wirken. In vielen andern Bereichen können wir gar nichts tun, weil die Preisbindung rein in privater Hand liegt. Mir geht es darum, Bereiche zu finden, wo wir wenigstens mal für ein, zwei Jahre einen Preisstopp erreichen können.

Wo könnte das sein?
Ich werde unserem Kooperationspartner SPD beispielsweise vorschlagen, dass wir uns überlegen, ein Jahr die MVV-Preise stabil zu halten. Man hat durch die Fahrgastzuwächse die Einnahmen zuletzt so stark gesteigert, dass wir eine Nullrunde fahren können, ohne auf den Ausbau zu verzichten.

Warum nur ein Jahr?
Dann kommt beim MVV die Tarif-Strukturreform, dann wird alles neu aufgestellt. Auch bei dieser Reform müssen wir ganz stark auf die Bezahlbarkeit der Tickets achten. Aber zunächst plädiere ich für eine einjährige Preisbremse.

Was sind andere Bereiche, wo die Stadt Gebühren deckeln kann – oder ganz kostenlose Angebote machen?
Ich unterstütze zum Beispiel eine Aktion wie "Play me, I‘m yours" mit 16 Klavieren, die frei verfügbar im öffentlichen Raum stehen. Da kommen Menschen zusammen, die sich sonst nicht dort treffen würden, bleiben stehen, kommen ins Gespräch. Also ein kostenloses Kultur-Angebot im öffentlichen Raum. Oder nehmen Sie den Kulturstrand. Der ist nicht nur deshalb wertvoll, weil er cool ist, die Isar erlebbar macht und der Stadt einfach guttut.

Sondern warum auch?
Eben, weil er ein kostenloses Angebot ist. Wir müssen auch das Isar-Flussbad weiter mit Nachdruck verfolgen, das nach meinen Vorstellungen keinen oder nur sehr wenig Eintritt kostet sollte. Eines ist doch klar: München wird in vielen Bereichen immer teurer. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, gegenzusteuern wo wir nur können. Beim Bierpreis auf der Wiesn sollten wir damit anfangen.

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