Bier verkauft sich immer schlechter: Bei einer Münchner Brauerei fließt der Gerstensaft dennoch in Strömen

Die deutschen Brauer stöhnen. 2023 wurde so wenig Bier verkauft wie seit 30 Jahren nicht mehr. Doch eine kleine Brauerei aus München widersetzt sich diesem Trend und konnte auch im vergangenen Jahr seinen Bierabsatz erhöhen.
von  André Wagner
Steffen Marx, Gründer von Giesinger Bräu, kann sich – gegen den bundesweiten Trend – über einen signifikanten Umsatzanstieg in 2023 freuen.
Steffen Marx, Gründer von Giesinger Bräu, kann sich – gegen den bundesweiten Trend – über einen signifikanten Umsatzanstieg in 2023 freuen. © imago/STL

München - Die deutschen Bierbrauer schlagen Alarm. Der Bierabsatz in Deutschland ist laut des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent gesunken. Das entspricht einer Menge von 394,2 Millionen Liter. Insgesamt konnten 2023 in Deutschland 8,4 Milliarden Liter Bier abgesetzt werden (in dieser Zahl nicht enthalten sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie eingeführtes Bier  aus Nicht-EU-Staaten). Seit 1993 ist der bundesweite Bierabsatz um mehr als ein Viertel zurückgegangen.

Ganz Deutschland jammert also über einen sinkenden Bierabsatz. Ganz Deutschland? Eine kleine Brauerei im Südosten Münchens konnte sich 2023, dem bundesweiten Trend zum Trotz, über steigende Absatzzahlen erfreuen – Giesinger Bräu in der Martin-Luther-Straße.

Kult-Brauerei aus München: Giesinger Bräu vermeldet für 2023 gestiegenen Bierabsatz

"Wir konnten unseren Bierabsatz im vergangenen Jahr signifikant erhöhen und sind daher mit der Umsatzentwicklung zufrieden", so Steffen Marx, Gründer und Geschäftsführer Giesinger Bräu zur AZ. 

Laut Marx habe sich im abgelaufenen Jahr das neue "Münchner Hell", welches seit 2021 gebraut wird, der Klassiker "Giesinger Erhellung", das neukonzipierte "Radler" und das neue alkoholfreie "Giesinger Freiheit" besonders gut verkauft. Bei den Craft-Bieren sieht Marx ein Abflauen des Trends, was sich auch in den diesbezüglichen Absatzzahlen der Giesinger Bräu widerspiegelt.

Auch wenn seine eigenen Absatzzahlen zum Jubeln einladen, ist sich Steffen Marx der Probleme des deutschen Biermarktes bewusst. "Ganz allgemein für Deutschland und die Branche gesprochen: Der Bierabsatz kennt seit Jahren nur eine Richtung: nach unten. Das hängt zum einen mit der Veränderung der Trinkgewohnheiten der jüngeren Generation sowie zum anderen mit dem höheren Ernährungsbewusstsein in der Bevölkerung zusammen", nennt der Münchner Brauereichef die Gründe für die sinkenden Bierabsätze.

Aber nicht nur beim Bier selbst, auch bei Biermischungen mit Limonade, Cola, Fruchtsäften und anderen alkoholfreien Zusätzen ging der Umsatz 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 9,2 Prozent zurück.

Sinkender Bierabsatz: Trend geht hin zu alkoholfreien Getränken

Der Trend scheint immer mehr zu den alkoholfreien Getränken rüberzuschwappen, wie auch die Zahlen des Münchner Oktoberfestes 2023 beweisen. Zwar konnte die Wiesn mit 7,2 Millionen Menschen einen neuen Besucherrekord vermelden, auf den Bierkonsum wirkte sich dieser allerdings nicht aus. Ganz im Gegenteil: Insgesamt wurden auf der vergangenen Wiesn 6,5 Millionen Maß ausgeschenkt, ganze 800.000 weniger als noch beim Oktoberfest 2019.

Im Gegensatz zum süffigen Gerstensaft konnte Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) bei den nichtalkoholischen Getränken ein deutliches Umsatzplus vermelden. "Die sind sehr gut gelaufen", so der Münchner Wirtschaftsreferent.

Steffen Marx, Chef von Giesinger Bräu, erweiterte das Sortiment seiner Brauerei um eine alkoholfreie Variante.
Steffen Marx, Chef von Giesinger Bräu, erweiterte das Sortiment seiner Brauerei um eine alkoholfreie Variante. © imago/Stefan M. Prager

Und auch Giesinger-Bräu-Chef Steffen Marx bläst ins selbe Horn. "Dieses Segment wächst sehr dynamisch. Unsere alkoholfreies Bier wird vom Konsumenten stark nachgefragt. Auch deshalb bringen wir mit einem Cola-Mix in diesem Jahr ein alkoholfreies Getränk auf den Markt."

Nicht ohne Grund bringt auch die Münchner Paulaner-Brauerei neben Spezi und Spezi Zero ein weiteres alkoholfreies Getränk auf den Markt und verkauft ab Ende Februar eine neue Orangenlimonade.

Doch nur noch auf das Pferd der nichtalkoholischen Getränke zusetzen, dürfte im Rennen gegen die sinkenden Absätze auch nicht des Weisheit letzter Schluss sein. Denn schließlich gibt es noch Biere, die sich trotz allem noch gut verkaufen und mit denen man dem derzeitigen Absatztrend entgegenwirken könnte.

"Manche Sorten wie das Bayrisch Hell wachsen bundesweit gegen den Trend, das könnte also eine Maßnahme sein, zu schauen, welche Sorten entwickeln sich aktuell ganz gut und entsprechend zu reagieren. Zum anderen ist es natürlich auch eine Strategie, sich an die veränderten Trinkgewohnheiten anzupassen, das heißt mehr alkoholfreie Biere und Getränke, kalorienreduzierte Biere etc. zu produzieren", so Marx über Möglichkeiten, bei den Bierabsatzzahlen wieder ein Trendwende herbei zuführen. "Wir gehen vorsichtig optimistisch in das Jahr 2024 was den Bierabsatz angeht. Viel hängt davon ab, wie die Sommermonate werden. Zu kalt ist schlecht, zu heiß auch - da muss man sehen, wie es wird."

Bierverkäufe gehen zurück: Bringt die Fußball-EM die Trendwende?

Ein Trumpf haben die deutschen Brauer in diesem Jahr allerdings noch in der Hinterhand, immerhin findet im Sommer die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland statt, was den Brauern durchaus in die Karten spielen könnte.

"Wir wissen aus Erfahrung, dass ein Heim-Turnier ein voller Erfolg werden kann, das hängt aber stark von der Stimmung ab, sprich, wie gut ist die Heimmannschaft und kann sie eine gewisse Euphorie entfachen. Da München ein wichtiger EM-Standort ist, setzen wir natürlich auch auf die Touristen aus aller Welt, die gerne ein Bier einer jungen, lokalen Brauerei probieren möchten!", so Steffen Marx, dessen Brauerei auf Giesings Höhe eine erfolgreiche EM ein weiteres Absatzplus bescheren könnte.

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