Bier-Verein in München: Bier als Kommunikationsmittel

München - Horst Wurm lehrte von 1994 bis 2006 Kommunikationswissenschaften in Mainz. Mit seinen PR-Agenturen hat er schon Kampagnen für das bayerische Nationalgetränk organisiert.
Wurm gründete den Bierverein: "Bier und Wir"
Erst versuchte er vor einem Jahr, einen Dachverband für alle bayerischen Biervereine zu organisieren, was "ein Flop war", wie er sagt. Nun hat er den Bier-Verein "Bier und Wir" gegründet, zusammen mit dem Lokalpolitiker Armin Gastl. Wurm hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bereits als Schirmherren gewonnen. Ein Gespräch über Alkohol, Oktoberfest und Sucht - bei einer Tasse schwarzem Kaffee am Platzl.
AZ: Herr Wurm, ist Ihr Verein "Bier und Wir" aus einer Bierlaune heraus entstanden?
HORST WURM: Nein, wir sind keine Spontangeschichte oder eine Stammtisch-Idee. Ich habe mir das sehr gut überlegt und sehe da großen Bedarf.
"Bierland Bayern": Bayern und Bier ist untrennbar
Warum?
Weil beim Thema Bier die Menschen in Bayern zu kurz kommen. Sie sind die Konsumenten, viel mehr nicht. Das ist auch bei den vielen großen Bierfesten so. Und in Bayern ist ja das Bier kulturell enorm verwurzelt, vielleicht stärker als in jedem anderen Bundesland. Das "Bierland Bayern" ist aus sich selbst heraus gewachsen. Niemand hat das so erfunden.
Woran machen Sie das fest?
Das Thema Bier ist universell. Ein Blick von außen schadet da nicht. Wenn Sie zum Beispiel in die USA fliegen und erzählen, dass Sie aus München kommen, da ist die erste Reaktion: "Ah, tolles Bier habt ihr. Und das Oktoberfest, wunderschön!" Bayern und das Thema Bier sind meiner Meinung nach einfach untrennbar. Und da geht es nicht nur um die großen Brauereien. Wir haben auch Hunderte kleinere Bierproduzenten.
Wurm sucht noch Mitglieder für den Bier-Verein
Was wollen Sie mit dem Verein "Bier und Wir" genau erreichen? Bier ist doch schon sehr stark verwurzelt in Bayern.
Noch sind wir dabei, genügend Mitglieder zu finden. Aber wenn sich der Verein finanziell selbst trägt, wollen wir dem Bierland Bayern eine stärkere Stimme und ein Gesicht geben. Deshalb heißen wir "Bier und Wir". Und - wichtig - "eine bayerische Initiative".
Wodurch wollen Sie das erreichen?
Wichtig ist, erst einmal viele Akteure an Bord zu holen. Zuletzt konnten wir den Verband der bayerischen Privatbrauereien für uns gewinnen, was mich besonders freut. Er hat nämlich mehr als 600 Mitglieder. Aber auch der Bayerische Trachtenverein hat seine Partnerschaft zugesagt. Mit Weihenstephan an der Technischen Universität befinden wir uns auch in guten Gesprächen und haben uns auf eine Kooperation geeinigt.
Einige Brauereien kämpfen wegen Pandemie ums Überleben
Was ist verbesserungswürdig beim Thema Bier in Bayern?
Es wirkt oft so, als ob die Brauereien introvertiert, allzu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Einige kämpfen derzeit ums Überleben, wegen der Pandemie. Wir wollen die neutrale Instanz zum Thema Bier sein. Erst in Bayern, dann vielleicht über die Landesgrenzen hinaus. Es ist ein bayerisches Privileg, dass wir bereits als Bierland Bayern bekannt sind. Oder haben Sie schon mal vom Bierland Niedersachsen gehört?
Sie klingen so, als ob Sie ziemlich viel Erfahrung zum Thema Bier haben.
Mit meinen Agenturen habe ich schon viele Kampagnen organisiert. Der Fanclub des Erdinger Weißbiers etwa ist eine Erfindung von mir. Und ich bin auch schon seit Jahrzehnten Mitglied im internationalen Bierconvent. Der war früher etwas bekannter, weil Franz Josef Strauß eines der Mitglieder gewesen ist, genauso wie der frühere Bundespräsident Walter Scheel. Bis heute bin ich der bayerische Vertreter des Bierconvents.
Bier schon immer beliebtes Getränk im Freundeskreis
Ich gehe mal davon aus, dass Sie gerne Bier trinken.
So ist es. Natürlich in Maßen. Am liebsten herkömmliches Weißbier.
Bei welchen Gelegenheiten?
Unterschiedlich. Gerne zu bayerischem Essen. Ich spiele auch sehr gern Golf. Und nach dem Golfen gibt es nichts Besseres als ein alkoholfreies Weißbier.
War auch Ihre Jugend vom Thema Bier geprägt?
Es war schon immer ein beliebtes Getränk in meinem Freundeskreis. Und als Jugendlicher durfte ich immer für meinen Vater und dessen Familienstammtisch Bier zapfen.
Wie sah der Stammtisch denn aus?
Ein enger Familienkreis versammelte sich meistens einmal pro Monat oder alle 14 Tage in der Wohnung meiner Eltern. Etwa zehn Leute. Mein Vater organisierte ein 30-Liter-Fass. Und ich bediente dann unsere Gäste. Mein Onkel Robert Lembke war häufig da.
Der aus der früheren "Was bin ich?"-Rate-Show?
Genau der. Er war der Bruder meiner Mutter. Er hatte übrigens ein sehr gutes Einschätzungsvermögen und stets gute Ratschläge für meine berufliche Karriere.
"Am Stammtisch zeigt sich, wie verwurzelt Bier in Bayern ist"
Worum ging es bei den Stammtischen? Politik?
Ich muss kurz überlegen. Nein, eigentlich ging es immer um Familienthemen.
Finden Sie solche Bier-Stammtische wichtig?
Absolut. Hier zeigt sich wieder, wie stark verwurzelt das Getränk in der Gesellschaft ist. Sie kennen das doch selbst. Wenn Sie etwas mit einem Freund oder einer Bekannten besprechen wollen, dann heißt es oft: Lass uns doch bei einem gemeinsamen Bier darüber reden. Ich sehe Bierkonsum als eine kommunikative Kulturtechnik.
Münchner Verein will Suchtprävention unterstützen
Aber es gibt auch die Schattenseiten. Täglich sterben bis zu fünf Bayern an den Folgen der Alkoholsucht - etwa 1.500 Tote jährlich.
Wir widmen uns dem Thema auch, unterstützen jegliche Form von Suchtprävention und sind gegen Alkoholmissbrauch. In unserer Satzung steht, dass wir unseren Teil dazu beitragen wollen, auf die Thematik aufmerksam zu machen und aufzuklären. Wenn Sucht dominant wird, stoßen Menschen an Grenzen und brauchen Hilfe. Das ist nicht nur bei Alkohol so.
Sie nannten das Oktoberfest als Beispiel. Viele junge Erwachsene aus aller Welt kommen da nach München, mit einem einzigen Ziel: sich besinnungslos zu betrinken.
Das lehne ich entschieden ab. Aber auch unser Verein wird das nicht verhindern können. Ich sehe Bier als ein kulturelles Genussmittel, vielleicht sogar das älteste der Menschheit. Für mich selbst kann ich sagen: Nach spätestens drei Maß ist bei mir immer Schluss gewesen am Oktoberfest. Über den ganzen Abend hinweg. Da sollte jeder seine eigenen Grenzen kennen.
"Ein Dauer-Stammtisch auf der Wiesn - das wäre wundervoll"
Eine Rätsel-Frage zum Oktoberfest: Findet es dieses Jahr statt?
Ich befürchte nein. Dafür beschäftigt uns die Pandemie noch zu sehr. Die Lage ist, glaube ich, unabwägbar.
Wenn es wieder stattfindet: Wollen Sie mit Ihrem Verein dort präsent sein?
Selbstverständlich, das wäre doch wundervoll. Ich werde eine der Brauereien höflich fragen, ob wir eine Box für uns haben können, als eine Art Dauerstammtisch von 'Bier und Wir'.
Wie viele Mitglieder haben Sie derzeit?
Etwa 40 Einzelpersonen und mehr als ein Dutzend Partner.
Verein trägt sich noch nicht finanziell
Wie viele Mitglieder bräuchten Sie, damit sich der Verein finanziell trägt?
500 bis 600.
Und was kostet die Mitgliedschaft?
Partner zahlen 200 Euro im Jahr, Einzelmitglieder 30 Euro jährlich, plus eine einmalige Aufnahmegebühr von 20 Euro.
Woran könnte Ihr Verein noch scheitern?
Zum einen finanziere ich noch die Ausgaben aus meiner eigenen Tasche. Weil mir das Thema wichtig ist. Aber irgendwann muss der Verein sich selbst tragen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Zum anderen dürfen wir uns nicht auf ein einziges Thema fokussieren. Daran sind schon andere Vereine gescheitert.
"Bier ist ein Kommunikationsmittel"
Haben Sie ein Beispiel?
Kennen Sie noch den 'Verein gegen betrügerisches Einschenken'? Anfangs sind die eingeschlagen wie eine Bombe. Ich kenne die. Aber niemand redet mehr über die. Weil sich das Problem schon verbessert hat. Unser Spektrum soll zeitlos und neutral sein.
Was wird eine Ihrer ersten Initiativen mit dem Verein "Bier und Wir" sein?
Bier ist ein Kommunikationsmittel. Daher wollen wir einen Stammtisch im Hofbräuhaus organisieren, am liebsten schon in acht Wochen. Unser Büro ist genau gegenüber. Da bietet sich das an. Und irgendwann wollen wir solche Stammtische in ganz Bayern etablieren.