Bier-Verbot im Hofbräuhaus

Die Regeln im berühmtesten Wirtshaus der Welt sind strenger als das Gesetz: Wer unter 18 ist und eine Halbe bestellt, blitzt ab. Was Brauer und Politiker sagen, wie es zwei Jugendlichen erging
München - Zwei Austauschschülerinnen aus Chile besuchen Bayern. Was ist ihnen im Vorfeld nicht alles erzählt worden: Da war die Rede von der Bierstadt München. Von Biergarten-Seligkeit im Sommer und Wirtshaus-Gemütlichkeit im Winter. Davon, dass Bier hierzulande quasi als Grundnahrungsmittel gilt. Und dass es sogar einmal eine Bierrevolution gab. Zum Praxis-Test begeben sich die 16 und 17 Jahre alten Chileninnen in Begleitung von zwei Erwachsenen zunächst ins Bier- und Oktoberfestmuseum.
Doch der Stüberlbesuch endet schon nach wenigen Minuten. „Seid Ihr schon 18?”, will die Bedienung von Gabriela und Elisa wissen. Eine aufrichtige Antwort später ist klar: Hier werden die beiden kein bayerisches Bier probieren dürfen. Und das obwohl das Bundesgesetz als Altersgrenze für den Ausschank von Gerstensaft 16 Jahre festlegt – sie demnach also alt genug dafür wären. „Im Hofbräuhaus ist das genauso”, gibt die Kellnerin den Mädchen noch mit auf den Weg.
Der Hofbräuhaus-Wirt Wolfgang Sperger bestätigt das: „Wir schenken kein Bier aus an Jugendliche unter 18 Jahren.” So die Anweisung ans Personal. Auch wenn damit im weltberühmten Wirtshaus strengere Regeln gelten als im Rest der Republik. Warum das Ganze? Die AZ fragte beim Finanzministerium nach – immerhin gehört das Hofbräuhaus bekanntlich dem Freistaat. Doch dort verweist man an den Betreiber. Der Wirt berichtet von schlechten Erfahrungen: „Es hat einfach zu viele Fälle mit jungen Leuten gegeben, die damit nicht umgehen konnten”, sagt Sperger. Nur wenn bei Schülergruppen die Lehrer dabei seien (und dabei bleiben), „dann geben wir ihnen halt ein Radler.” Oder wenn Eltern mit heranwachsenden Sprösslingen kämen. „Aber wir wollen den Missbrauch nicht.” Wenn es nach Oliver Klupp vom Biermuseum in der Sterneckerstraße ginge, wäre der Jugendschutz in Sachen Alkohol ohnehin strenger.
„Das Alter sollte auf 21 angehoben werden, auch für Bier”, findet er. Egal von woher jemand angereist ist: Bei ihm kriegt er kein Helles, wenn er nicht volljährig ist. Im Zweifel muss sich der Jugendliche ausweisen. Klupp: „Ich kann’s mir nicht leisten, dass einer hier raustorkelt – und dann passiert ihm was.” Der Eindruck des Wirts: Früher hätten die Jugendlichen zwar auch Party gemacht. Aber nicht bis zur Besinnungslosigkeit. Das klingt nun alles sehr verantwortungsvoll. Oder doch nur streng?
Beim Bayerischen Brauerbund ist man erst einmal überrascht. Bier erst ab 18? „Wir halten nichts von noch strengeren Regeln”, sagt Hauptgeschäftsführer Lothar Ebbertz. „Auch aus dem Grund, dass Jugendliche den Umgang mit Alkohol lernen müssen.” Und dafür bräuchten sie eben auch die Gelegenheit.
„Es ist doch besser, sie trinken mit 16 mal ein Bier, als dass sie mit 18 gleich mit Spirituosen ihren ersten Absturz erleben.” Auch Stadtrat Richard Progl von der Bayernpartei hat kein Verständnis für das Bierverbot für 16- und 17-Jährige – vor allem wenn sie extra von weit hergekommen sind. „Das ist mit Sicherheit eine Riesenfrechheit”, sagt er. Jugendliche sollten nicht unter „Generalverdacht” gesetzt werden. Letzterem würde wohl auch CSU-Urgestein und Stadtrat Hans Podiuk zustimmen.
„Man muss die Situation einwerten. Und wenn ich sehe, das sind solide Leute, sollte das schon klappen.” Zuspruch ernten die Wirte dagegen vom Hotel- und Gaststättenverband. „Jeder Gastronom hat das Recht, das selbst festzulegen, solange er nicht das Gesetz bricht”, sagt Frank-Ulrich John. Das Recht sei eindeutig auf dessen Seite. „Ich habe Respekt vor der Entscheidung der Wirte.” Die zwei 16 und 17 Jahre alten Chileninnen haben das Hofbräuhaus trotzdem besucht. Und, allerdings in Begleitung von zwei erwachsenen „Aufpassern”, ein Bier bekommen. Dumm nur, dass ihnen das Dunkle nicht geschmeckt hat.
AZ-Kommentar: Alkohol schon mit 16?
Die AZ-Redakteure Julia Lenders und Timo L o ko schat über das Mindestalter für den Genuss alkoholischer Getränke, das in Deutschland derzeit bei 16 Jahren liegt.
PRO: Mei, war ich stolz, als ich mit 16 zum ersten Mal ein Bier ordern durfte. Da stand er also vor mir: der schäumende, herb-aromatische Beweis, dass ich fast erwachsen war. Zum Glück haben mir eifrige Wirte diesen Moment nicht vermiest.
Klar: In Zeiten von jugendlichen Komasäufern ist es politisch wohl unkorrekt, Kneipenbetreibern anzukreiden, wenn sie sich zu einem besonders strengen Jugendschutz entschließen. Aber gut gemeint ist nicht immer gut. Schließlich will nicht jeder 16-Jährige, der ein Bier bestellt, noch zehn weitere hinterherkippen. Wenn doch, dann kann (und soll) der Wirt eingreifen.
Besser so, als wenn sich Teenager Alk an der Tanke kaufen. Julia Lenders
KONTRA: Zugegeben: In Zeiten, in denen manche Jugendliche mit 12 rauchen, mit 13 Sex haben und sich mit 14 über Alimente informieren, mag diese Frage vielleicht etwas altmodisch klingen, aber: Warum bitteschön muss man mit 16 Jahren Alkohol trinken?!
Dass die Wirtefamilie Sperger bei diesem „Trend“ nicht mitmacht und damit auf satte Einnahmen verzichtet, finde ich vorbildlich. Alkohol, auch Bier, ist allen PR-Parolen zum Trotz auch in Bayern kein Grundnahrungs-, sondern ein Suchtmittel. Dabei braucht es gar nicht zum fatalen Komasaufen zu kommen. Bei Minderjährigen reichen laut Medizinern schon geringe Mengen, um dem Körper in seiner Entwicklung zu schaden.
Es muss ja statt Bier nicht gleich Buttermilch sein. Timo L o ko schat