Biber in München: Großer Kahlfraß an der Isar und in den Parks

München - Der Biber hat ganze Arbeit geleistet. Am unteren Ende des fast 60 Zentimeter dicken Baumstamms ist nur eine faustdicke Engstelle übrig geblieben. Der Anblick erinnert an eine Eieruhr. Der alte Baum ist verloren. Er muss gefällt werden, damit er nicht zur Gefahr wird für die Spaziergänger und Jogger im Englischen Garten.
"In einer einzigen Nacht kann ein Biber einen Baum von der Stärke eines Maßkruges durchnagen", weiß Martin Hänsel vom Bund Naturschutz. Das macht der Nager nur zur kalten Jahreszeit, wenn er in Bodennähe nichts mehr zu fressen findet.

Die dicke Rinde am Stamm ist für ihn ungenießbar, also nagt der Biber die Bäume einfach um, weil er an die dünnere Rinde weiter oben und die dünnen Äste kommen will. Klettern kann er nicht.

Wann Biber-Management und Schutzmaßnahme nötig sind
Wenn der Winter vorbei ist, werden die Schäden Jahr für Jahr offensichtlich: Allein in und um München müssen dann Hunderte Bäume gefällt werden. Die Biber, die in Bayern einst ausgestorben waren, verändern die Ufer-Landschaften an fließenden Gewässern wie der Isar, dem Eisbach oder der Würm stark: Sie werden lichter.
In den 1990er Jahren ließen sich in München die ersten Biber am Deutschen Museum nieder. Mittlerweile gibt es zehn bis 15 feste Reviere im Stadtgebiet mit insgesamt etwa 80 Tieren, schätzt Hänsel. Von Dachau bis zum Starnberger See, überall haben sich die streng geschützten Tiere niedergelassen. "Alle zwei bis drei Kilometer reihen sich die Reviere aneinander – schön wie eine Perlenkette", schwärmt der Naturschützer.
Doch die umgefressenen Bäume, das gibt auch er zu, "sind nicht unbedingt das Bild von Natur, das wir uns vorstellen". Die Konsequenz: "Wo sich der Biber dauerhaft niederlässt, braucht man ein Biber-Management und Schutzmaßnahme", so Hänsel.

Biber sind streng geschützte Tiere
Als gelungenes Beispiel nennt der Naturschützer den Pasinger Stadtpark: "Dort bringen wir Gitter an den Stämmen der Bäume an, die nicht angenagt werden sollen und streichen einen sandigen Kleber auf die Wurzelausläufe."
Auch im Englischen Garten werden vereinzelt Bäume mit sogenannten Drahthosen geschützt – zum Beispiel unweit des Chinesischen Turms oder am Stauwehr Oberföhring. "Im Nordteil sind unsere Mitarbeiter immer wieder damit beschäftigt, Bäume und nun auch Strauchgruppen einzuzäunen, um sie vor Schäden durch Biber zu schützen", sagt Franziska Wimberger von der Schlösser- und Seenverwaltung.

Ein Schwerpunkt des Baumschutzes ist südlich vom Ernst-Penzold-Weg am Oberstjägermeisterbach. Im Pasinger Stadtpark bieten die Naturschützer den hungrigen Säugetieren im Winter sogar vegetarische Extrakost an, damit sie nicht zu viele Bäume vernichten: Auf einem Feld wurden eigens Weiden als Futterpflanzen angepflanzt, vereinzelt gibt es im Winter außerdem Fütterungen mit Ästen.
Die Biber-Population in Bayern von derzeit etwa 22.000 Tieren wieder etwas zu dezimieren, ist für Naturschützer keine Option. Die streng geschützten Tiere dürfen nicht getötet werden – es sei denn, sie stauen zum Beispiel einen Bach so stark auf, dass Keller geflutet werden. "In so einem Fall müssen sie entfernt werden", erklärt Gerhard Schwab, der Biberberater für Südbayern. Dann werden die bis zu 30 Kilo schweren Tiere in Lebendfallen gelockt und erschossen.
Naturschützer: Wiederansiedlung der Tiere großer Gewinn
Zudem sorgt der natürliche Schwund dafür, dass die Biber sich nicht noch stärker ausbreiten. "Etwa die Hälfte der Jungtiere kommt in den ersten Jahren um“, weiß Gerhard Schwab. Biberjunge können anfangs noch nicht schwimmen, viele ertrinken. Und die zwei Jahre alten Biber werden von ihren Eltern gnadenlos aus dem Nest – vielmehr der Burg – geworfen.
Auf der Suche nach ihrem eigenen Revier werden viele von Kontrahenten so massiv gebissen, dass sie sterben. Auch überfahren werden Jungtiere immer wieder. Obwohl die Biber in Bayern dafür sorgen, dass an den Ufern vieler Gewässer der Bestand alter Bäume von Jahr zu Jahr schwindet, sehen die Naturschützer die Wiederansiedlung der Tiere als großen Gewinn.
"Wenn der Baum stirbt, kommt mehr Sonne dorthin. Das bedeutet, dass sich die Vegetation verändert. Auf einmal blühen dort Blumen, die Wildbienen anlocken", erklärt Gerhard Schwab. Biber sorgen für eine größere Artenvielfalt und einen natürlichen Hochwasserschutz. Nicht zuletzt böten sie "auch dem Menschen ein unschätzbares Naturerlebnis", sagt Martin Hänsel.
Und das sogar mitten in der Stadt – wie am Eisbach oder an der Isar.

Wissenswertes: Viele Jungtiere verenden
Die streng geschützten Biber werden in freier Wildbahn bis zu 1,30 Meter lang. Davon macht der Schwanz (die Biberkelle) 30 Zentimeter aus. Zwei bis drei Pfund Grünzeug (Kräuter, Sträucher, Wasserpflanzen, Gräser, Stauden) futtert der Vegetarier pro Tag. Im Winter ernährt er sich von Rinde und Zweigen.
Damit schafft er bis zu 30 Kilo Lebendgewicht, das ist mehr, als ein Reh auf die Waage bringt. Biber halten keinen Winterschlaf und sind monogam. Im Mai bringt das Weibchen meist zwei Junge zur Welt. Die Nachkommen dürfen zwei Jahre in der Biberburg bleiben, dann werden sie hinausgeworfen. Bei der Suche nach einem eigenen Revier sterben viele.
Die Biberburg hebt sich wie eine Insel aus dem Wasser. Manchmal leben die Säugetiere auch in Höhlen in der Uferböschung. Beim Tauchen verschließen sie ihre Ohren und Nasen, so können sie bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben.
Durch die typischen Biberdämme regulieren Biber den Wasserstand und schaffen Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Eine Gefahr geht von Bibern normalerweise nicht aus. Sie sind meist abends und nachts aktiv und gelten als sehr gutwillig. Der Bund Naturschutz bietet regelmäßig Biber-Safaris an.