BG Bau: Weniger Lohn wegen günstiger Miete

München - Kurz vor Weihnachten 2018 haben einige Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) in München einen Brief von ihrem Arbeitgeber bekommen. Der braune Umschlag wirkte wie ein netter Weihnachtsgruß. "Frohe Festtage!" war auf den Umschlag gestempelt. Einige öffneten freudig den Brief. Doch der Inhalt war nicht ganz so weihnachtlich, er war das genaue Gegenteil.
In dem mehrseitigen Schreiben stand nämlich, dass sie künftig weniger Nettolohn bekommen werden – und zwar wegen ihrer günstigen Miete. "Zwischen 50 Euro bis hinauf zu dreistelligen Beträgen sollen meine Mandanten pro Monat weniger erhalten, unbefristet", sagt Rechtsanwalt Michael Löffler. "Und das, weil sie in Betriebswohnungen leben, die günstiger sind, als im Mietspiegel gelistet."
Derzeit betreut Löffler 16 Münchner Mandanten, die davon betroffen sind. "Bundesweit könnten es Tausende und bayernweit Hunderte sein", sagt der Rechtsanwalt.
"Geldwerte Vorteil" durch vergünstigte Mieten
Als Begründung führt die BG Bau den sogenannten "geldwerten Vorteil" an, den ja die Arbeitnehmer, die auch Mieter sind, durch ihre vergünstigte Mieten erhalten würden. Das Unternehmen rechnet offenbar damit, die Differenz zwischen tatsächlicher Miete und ortsüblicher Miete nachträglich und künftig grundsätzlich versteuern zu müssen. Löffler ist fassungslos: "Die Bescheide, die meine Mandanten erhalten haben, sind konfus und wirken so, als ob sie zügig erstellt werden mussten", sagt er. In vielen Schreiben sei die Rechnung schlicht falsch: "Mal werden drei Garagen statt zwei angesetzt, mal wird die Mieterhöhung nicht berücksichtigt."
Die BG Bau verfügt über eine unbestimmte Anzahl an Immobilien in München. Ihr gehören ganze Häuser mit Apartments, etwa an der Linprunstraße, Lutzstraße oder Erzgießereistraße. Die Differenz der günstigeren Mieten zum Mietspiegel beträgt im Schnitt zwischen 200 und 400 Euro, je nach Lage und Größe. Ein Beispiel: Würde eine Zwei-Zimmer-Wohnung an der Nymphenburger Straße etwa 800 Euro kosten, dürfen dort Mitarbeiter häufig für etwa 500 Euro wohnen. Der geldwerte Vorteil beträgt dann folgerichtig etwa 300 Euro.
Schriftliche Vereinbarung mit dem Finanzamt
Also eigentlich alles rechtens? "Nein!", sagt Rechtsanwalt Löffler, "es gibt zwei Gründe, weshalb es gar nicht nötig ist, die günstigen Mieten als geldwerten Vorteil einzustufen." Zum einen gebe es eine schriftliche Vereinbarung der BG Bau mit dem Finanzamt aus dem Jahr 2007. Damals haben die beiden Parteien eine Sondervereinbarung getroffen. Laut BG Bau hat das Finanzamt damals erklärt, dass die geldwerten Vorteile aus der Vermietung von Immobilien steuerfrei bleiben, bis einschließlich zum Jahr 2025.
"Ich habe die Genossenschaft auf diese Sondervereinbarung längst hingewiesen", sagt Löffler, "aber das wurde bisher ignoriert." Zudem hat der Anwalt ein weiteres Argument, weshalb die vergünstigten Mieten nicht als geldwerter Vorteil zählen dürften: "Laut Gesetz ist die Regel hinfällig, sobald die BG Bau nicht nur an die eigenen Mitarbeiter, sondern auch an externe Personen vermietet. Und das trifft hier zu", so Löffler. Der Immobilieneigentümer BG Bau vermiete grundsätzlich auch an Nicht-Mitarbeiter.
Ob es zu einem Gerichtsverfahren kommt, ist ungewiss. Einige von Löfflers Mandanten sind verzweifelt. "Einer von ihnen erhält eigentlich Lohn in Höhe von knapp 1.800 Euro netto. Er soll künftig nur noch 900 Euro bekommen. Und davon soll er dann noch die Miete und sonstige Unterhaltskosten begleichen", sagt Löffler. "Wie soll das funktionieren?", schrieb der Mann Löffler an. Er bittet ihn um Hilfe – wie 15 weitere BG-Bau-Mitarbeiter auch.
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