Bewiesen! So alt ist München wirklich!

Gibt es unsere Stadt wirklich erst seit 1158? Das gilt nun als überholt. Eine Scherbe, von Forschern entdeckt und analysiert, schreibt die Geschichte um: München ist 1000 Jahre alt – mindestens
München - Schön war er nicht, der Topf. Ein bauchiges, buckliges Keramikgefäß, von einer unsicheren Hand aus Ton-Wülsten geformt. Qualitätsware sieht anders aus – aber mei, immerhin konnte man damit kochen.
Heute ist nur eine einzelne Scherbe vom Kochtopf übrig. Vor zweieinhalb Wochen haben sie Archäologen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) bei den Ausgrabungen auf dem Marienhof gefunden. Den Experten ist in diesem Augenblick klar: Das Ding ist alt. Sogar sehr alt. Nach einigen Untersuchungen geht’s noch genauer: 950 bis 1000 Jahre.
Laut Forschern bedeutet das: Anfang des 11. Jahrhunderts lebten Menschen im heutigen Zentrum der Stadt – etwa 150 Jahre vor der offiziellen und historisch verbürgten Stadtgründung 1158.
Das haben viele Historiker schon seit langem vermutet; Beweise dafür hatten sie aber nicht. „Dass es vor 1158 Menschen in München gab, ist jetzt erstmals amtlich nachgewiesen“, sagt Egon Greipl, Generalkonservator des BLfD. Auf den ersten Blick sei die Scherbe „nur ein Stück Abfall“, so Greipl. „Sie erzählt uns aber: Ich stamme aus dem 11. Jahrhundert. In mir wurde Suppe gekocht – weit vor der Stadtgründung.“
Die etwa elf Zentimeter lange und fünf Zentimeter breite Scherbe lag eine Ewigkeit unter dem Marienhof verborgen – in fünf Metern Tiefe, direkt unter einer uralten, zugleich entdeckten Latrine an der Ecke Schrammer-/Theatinerstraße. Erst die Ausgrabungen im Vorfeld zum – noch immer nicht beschlossenen – Bau der zweiten Stammstrecke förderten sie ans Licht.
Dass sie so tief lag, ist der erste Hinweis auf ihr hohes Alter. Je weiter unten etwas liegt, desto älter ist es meistens – und die Latrine wurde 1260/1261 schon erbaut. Damit ist sie nebenbei der älteste datierte Bau der Stadt.
Weitere Untersuchungen ergaben: Die Scherbe ist der oberste Rand eines unförmigen und bauchigen Kochtopfs. Diese Form ist typisch für die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts, sagt Jochen Haberstroh vom BLfD. Die amateurhafte Verarbeitung lässt auch darauf folgen, dass der Hafner damals keine Drehscheibe benutzte, sondern sein Kochutensil mit bloßen Händen formte – typisch für die Zeit.
Die miese Verarbeitung ist für Archäologe Jochen Haberstroh ein Beweis dafür, dass der Topf aus dem Vor-München stammt. „Solche Stücke wurden nicht über weite Strecken verkauft“, sagt der Experte. Ein Loch in der Scherbe zeigt, dass der Topf irgendwann kaputtging. Laut Haberstroh wurde er dann mit einem Draht fixiert. „Normalerweise hielten sie gut und gern mehrere Jahrzehnte“, sagt Haberstroh. „Die waren ziemlich stabil.“
Deshalb hofft er auch, bis zum Ende der Ausgrabungen im Frühjahr 2012 den Rest des Kochtopfs zu finden – oder etwas noch Älteres.