Betreuungsplatz verzweifelt gesucht

Es gibt zu wenige Betreuungsplätze für Grundschüler. Wenn Eltern ihre Kinder nicht unterbringen, ist das für manche Familien eine mittlere Kastastrophe. Vier Fallbeispiele
von  Abendzeitung
Wohin mit dem Kindern? Eva-Maria Krotwaart mit den Söhnen David und Niklas und Antonia Bergmann (Name geändert)  mit Tochter Julia suchen einen Hortplatz.
Wohin mit dem Kindern? Eva-Maria Krotwaart mit den Söhnen David und Niklas und Antonia Bergmann (Name geändert) mit Tochter Julia suchen einen Hortplatz. © Ronald Zimmermann

MÜNCHEN - Es gibt zu wenige Betreuungsplätze für Grundschüler. Wenn Eltern ihre Kinder nicht unterbringen, ist das für manche Familien eine mittlere Kastastrophe. Vier Fallbeispiele

„Ich möchte, dass junge Mütter und Väter frei entscheiden können, wie sie Beruf und Familie miteinander verbinden wollen“, erklärt Familienministerin Kristina Köhler auf ihrer Homepage. Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander: Die Suche nach einem Betreuungsplatz treibt manche Eltern in München an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Besonders verzweifelt: die Situation im Hort- und Tagesheim-Bereich und bei Ganztagsschulen. Die AZ erzählt die Geschichte von vier Familien aus Laim, die der Mangel in Bedrängnis bringt.

FAMILIE KROTWAART

„Es ist schwer genug, für ein Kind einen Betreuungsplatz zu finden, aber für zwei? Da werden Sie ausgelacht!“, sagt Eva-Maria Krotwaart (39) – Mutter von Zwillingen und voll berufstätige Projektmanagerin. Ihre Söhne David und Niklas hätten schon 2009 in die Schule gehen sollen. Was fehlte, waren Plätze für die Nachmittags-Betreuung. Die Familie ließ nichts unversucht, schrieb sogar an den OB. Vergeblich. Da kam es recht, dass die Buben nochmal zurückgestellt werden konnten. Das Jahr ging rasch vorbei, das Problem aber blieb.

„Mein Job liegt mir am Herzen, ich will ihn nicht verlieren“, sagt Eva-Maria Krotwaart. Die Familie nimmt sogar einen Umzug in eine teurere Wohnung in Kauf. Sie geht nach Moosach – in der Hoffnung, zwei Tagesheim-Plätze an der Jenaer Straße zu bekommen. Das erscheint den Eltern realistischer, als weiter auf Plätze in Laim zu hoffen. Und wenn’s in Moosach nicht klappt? „Das glaube ich nicht. Dafür habe ich schon zu viel mitgemacht.“

FAMILIE GRUNDNER

„Ganztagsbetreuung ist für uns eine wirtschaftliche Notwendigkeit“, sagt Andreas Grundner (43, Name geändert). Könnten er oder seine Frau nicht mehr voll arbeiten, würde das Geld nicht reichen. Der Vater ist Disponent, die Mutter Medizinprodukte-Beraterin. Ihr Sohn Marc ist fünf, heuer soll er eingeschult werden, dann braucht er eine Aufsicht bis 17 Uhr. Außerdem müsste der Bub irgendwie von der Schule in die Nachmittagsbetreuung kommen. Die Eltern könnten ihn mittags dort nicht hinbringen.

Sprich: Die beste Lösung wäre eine Schule mit angeschlossenem Tagesheim. Fünf Einrichtungen hat die Familie gefunden, die passen würden – keine davon liegt im eigenen Stadtteil. Das bedeutet: Die Eltern können nur einen Gastantrag stellen und werden damit nachrangig behandelt. „Das Sprengelprinzip verschärft die Probleme, die sich aus der Unterversorgung mit Ganztags-Betreuungsplätzen ergeben“, sagt der Vater.

FAMILIE HOFFMANN

Familie Hoffmann (Name geändert) hat die Hoffnung, in München Betreuungsplätze für ihre Zwillings-Buben zu finden, aufgegeben. Sie zieht nach Dachau. Dort ist den Eltern von Hortträgern mitgeteilt worden, dass bislang jede Familie, die dringend Hortplätze benötigt hat, berücksichtigt werden konnte. „Das nimmt einem den Druck“, sagt Verlagsassistentin Silvia Hoffmann (34).

In München hätten die Eltern keine Planungssicherheit gehabt. Die Bescheide, ob es mit einem Platz geklappt hat, kämen oft erst bis Juni, sagt die Mutter. „Ich kann doch meinem Arbeitgeber nicht kurzfristig erklären, dass ich keine Nachmittagsbetreuung für meine Kinder bekommen habe!“

FAMILIE BERGMANN

Julia wird am 9. Oktober sechs Jahre alt. Familie Bergmann (Name geändert) ist völlig verunsichert, ob sie damit schulpflichtig ist. Bisher galt: Alle Kinder, die bis Ende Dezember sechs Jahre alt werden, müssen zur Schule. Nun soll für heuer aber ein neuer Stichtag gelten – der 30. September. So steht es auf den Internetseiten des Kultusministeriums. Dabei gibt es offenbar ein Kommunikationsproblem: Selbst im Kindergarten herrscht laut Antonia Bergmann (42) Verwirrung, wer nun zu den Vorschulkindern zählt – und wer nicht. Eine Privatschule in Pullach, bei der die Familie Julia anmelden wollte, beschied: Das Mädchen ist neun Tage zu jung. „Wenn meine Tochter nicht unterkommt, muss ich wohl meinen Beruf als Steuerberaterin aufgeben“, sagt die Mutter.

Vier Familien-Geschichten, wie es sie in München zuhauf gibt. Derzeit reichen Horte und Tagesheime für insgesamt 38 Prozent der Grundschüler, in Laim und anderen Stadtteilen ist die Versorgung laut Statistik unterdurchschnittlich (siehe Grafik). „Die Nachfrage geht sicher gegen 90 Prozent“, hieß es schon vergangenes Jahr im Schulreferat. Die Stadt will ihre Ziele nachbessern. Im März legt die Verwaltung dem Stadtrat eine Beschlussvorlage vor. Darin wird als neues Ziel ausgegeben, dass künftig eine Ganztagsbetreuung für 80 Prozent aller Grundschulkinder zur Verfügung stehen soll. Bis wann dies aber erreicht wird, steht in den Sternen.

Julia Lenders

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.