Besuch in Bayerns größter Parfüm-Werkstatt

Parfüm, Puder oder Putzmittel: Die AZ zu Besuch in Bayerns größter Parfüm-Werkstatt in Baierbrunn.
von  Anne Kathrin Koophamel
Schnuppern ist Barbara Wittig Beruf. Über 400 Düfte hat die Parfümeurin im Kopf – und mixt in Gedanken.
Schnuppern ist Barbara Wittig Beruf. Über 400 Düfte hat die Parfümeurin im Kopf – und mixt in Gedanken. © Gregor Feindt

München -  Aus Düse 87 rieseln nur Tropfen, aus Nummer 260 entweicht ein ganzer Schwall Duftöl. Die Lagerhalle füllt sich mit einem Blumenduft, der leicht an Gummibärchen erinnert. In dem großen silbernen Kessel mischen sich diese Elixiere mit Alkohol und dem Chypreduft aus Düse 249. „Über 300 Öle laufen über diese Harfe und vermischen sich zum Duft von Shampoos, Seifen, Parfüms, aber auch Putzmittel und Klosteinen“, sagt Nina Losch von der Duftschmiede „Drom“.

Hier, in Baierbrunn, nicht weit vor den Toren Münchens, werden seit 100 Jahren Wohlgerüche für die Welt produziert. 35000 Tonnen gehen pro Jahr in die Welt, mehr als 100 Düfte werden durchschnittlich pro Tag entworfen. Escada-Parfüms wurden hier geboren, Handcreme-Düfte für eine große deutsche Firma, aber auch Öle für französische Seifen oder amerikanische Kosmetika. Die Kundennamen sind geheim. „Wir sind der Zulieferer“, sagt Losch. Und doch passiert bei Drom noch so viel mehr.

Im Büro von Parfümeurin Barbara Wittig etwa. Auf ihrem Computerbildschirm flackert eine lange Liste Essenzen. Osmanthus, Patschuli, Moschus, Vetiver: 400 solcher Gerüche hat sie im Kopf. Und dort mischt sie auch zusammen. „Es muss schon beim Denken harmonisch sein. Die Nase ist nur die Kontrolle“, sagt sie. 25 Jahre schnuppert sie bereits professionell bei Drom – auch mal an den Köpfen der Mitarbeiter. Dann soll wieder ein neues Shampoo auf den Markt kommen und das müsse eben an unterschiedlichen Haut- und Haartypen getestet werden. „Riechen ist Trainingssache“, sagt Wittig, „ich rieche nicht besser, nur anders und vor allem bewusster. Der Trend gehe zu androgynen Düften oder „sogar zu stark individualisierten“.

Mit letzteren fing Drom 1911 im Lehel an. Bruno Storp war Apotheker, aber eigentlich wollte er Opernsänger werden. Seine Kreativität nutzte er beim Mischen von Substanzen und wird schließlich mit „Storp Schwimmseife“ erfolgreich. Bis heute ist Drom in den Händen der Familie. Nur dass jetzt nicht mehr im Lehel gemixt wird, sondern auch im chinesischen Guangzhou, in Paris und für 40 Länder. Und statt Schwimmseife werden hier auch schon mal Putzmittel in Toiletten im Dauereinsatz durchgespült – um ihre Geruchsfestigkeit im Wasser zu testen.

Parfümeurin Wittig braucht zum Mischen von Düften kein Wasser. Und so etwas Abstraktes wie einen Sonnenuntergang zu verduften, braucht sie gerade mal ein paar Minuten Kreativität. Dann riecht die Sonne in ihrem Kopf rot mit Orangennoten „und natürlich Rose, Hölzer, Patschuli versteht sich“. Bis zu 120 Noten packt sie in einen Duft, damit die Philosophie des Produkts sich im Duft widerspiegelt“.

Die Parfümeure kreieren zwar ihre eigenen Duftvariationen. Aber oft kommt auch der Kunde mit einer Idee zu Drom, die dann in einen Geruch umgesetzt werden muss.
Für Wittig ist Duft vor allem Genuss im Kleinen – und das jeden Tag. „Ich trinke meinen Kaffee und rieche ihn, ich creme mir die Hände ein und tue das bewusst mit dem neuen Duft auf der Haut.“ Das Geheimnis sei, die Welt in Einzelgerüche zu zerlegen. „Ein Duft weckt Gefühle und bleibt damit in der Erinnerung“, sagt Wittig. Bei ihr riecht aber nicht etwas einfach nur nach „Großmutter“, bei ihr sind Düfte „floral, karamellfarben, narkotisch, balsamisch oder pudrig“. Jeder wisse, wie Weihnachten rieche, kenne den Geruch von Zuhause oder aber Schnee. Kein Wunder, dass Männer zu Weihnachten bis heute gerne Düfte verschenken.

800 Millionen Euro werden allein pro Jahr in Deutschland mit Parfüms umgesetzt. Doch damit sich ein Duft am Markt hält, braucht es neben Können und guter Werbung vor allem Glück. „Einen Klassiker wie Chanel No. 5 können Sie nicht absichtlich kreieren. Das ist auch Zufall“, sagt Wittig. So werden jedes Jahr bis zu 200 neue Parfüms auf den Markt gebracht, 97 Prozent von ihnen werden laut des Vereins Fragrance Foundation binnen Monaten wieder vom Markt genommen. Chanel, Opium oder auch 4711 sind da die Ausnahmen.
Nacheifern will Wittig diesen Marken nicht. „Gerüche verändern sich mit der Mode, als Parfümeur hast du nie ausgelernt.“ Viele synthetische Düfte hätten den Mark verändert und verteuern Rohstoffe, die per Hand gewonnen werden. Das Öl aus der Iriswurzel etwa kostet derzeit rund 50000 Euro. Wittig: „Aber am Ende kann ein billiger Duft schwerer zu kombinieren sein als ein teuerer. Denn auch der günstige soll ja ansprechend sein.“
 

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