Besuch beim BMW-Nachwuchs in München: Die Autobauer der Zukunft

Gehen diese Begriffe überhaupt zusammen? Bei BMW lernt jetzt auch Nachwuchs, der nicht mal einen Führerschein hat.
von  Martina Scheffler
Ausbilder Andreas Mauer (r.) mit Lukas Röwe (l.) und Julia Deppe (im Auto), die sich beide im Dualen Studium im Bereich System- und Hochvolttechnik bei BMW befinden.
Ausbilder Andreas Mauer (r.) mit Lukas Röwe (l.) und Julia Deppe (im Auto), die sich beide im Dualen Studium im Bereich System- und Hochvolttechnik bei BMW befinden. © Daniel von Loeper

München - Auto und Zukunft? Das gehört für viele junge Leute nicht mehr unbedingt zusammen. Der Führerschein hat längst den Stellenwert verloren, den er früher hatte. Und in Zeiten des Klimawandels verlieren vielleicht auch Berufe, die "was mit Auto" zu tun haben, an Attraktivität. Oder?

1.200 Azubis bei BMW

Bei BMW in München kann man sich über mangelndes Interesse beim Nachwuchs zwar nicht beklagen, doch die Ausbildung ist im Umbruch - und den jungen Leuten sind heute andere Dinge wichtig als einst. Gerade erst haben 1.200 junge Leute bundesweit bei dem Autobauer angefangen - allein 274 in München, in insgesamt 16 Ausbildungsberufen und 16 Dualen Studiengängen.

Elekromobiliät extrem präsent

Wie spricht man in Zeiten des Fachkräftemangels und der Transformation in der Branche die jungen Frauen und Männer an? "Es ist schwieriger geworden durch die Klimawende", sagt Thomas Dehn, Leiter der Berufsausbildung in München. Man habe bei BMW früh auf Elektromobilität gesetzt, jetzt sei das Thema "in extremem Ausmaß" präsent.

AZ-Redakteurin Martina Scheffler im Gespräch mit Thomas Dehn, Leiter Berufsausbildung BMW München.
AZ-Redakteurin Martina Scheffler im Gespräch mit Thomas Dehn, Leiter Berufsausbildung BMW München. © Daniel von Loeper

"Nachhaltigkeitschallenge" für den Nachwuchs

Mit einer "Nachhaltigkeitschallenge" will das Unternehmen den Nachwuchs mit der Nase darauf stoßen, welche Fragen sich künftig stellen - etwa, wie man mit Werkstoffen und Abfällen umgeht. Eine Idee: Schmuck aus Kolbenringen. Wie sich gleich die Entstehung von Abfall vermeiden lässt, ist bereits in die Ausbildung eingeflossen, etwa in einem Bereich, der nicht ganz ungefährlich ist. "

Sehr ressourcenschonend" sei mittlerweile der Einsatz von AR- (Augmented Reality) und VR-Brillen (Virtual Reality), bei denen die Auszubildenden zunächst mit einem Bild arbeiten, "das der Realität sehr nahekommt", sagt Michael Frühtrunk, Ausbilder im Bereich Schweißtechnik.

Fielen früher 750 Kilogramm Schrott bei den Übungen an, seien es heute durch die neuen Lehrmethoden nur noch 200. Und: Es wird Gas gespart. Durch die AR-Brille kann der Lehrling anhand von farbigen Signalen sehen, ob er die Brennerhaltung richtig ausführt. Leuchtet's rot, ist der Brenner an die falsche Stelle gerutscht. Ohne tatsächlich zu schweißen, werden erste Handgriffe an einer Tafel eingeübt.

Training mit VR-Brille

In einer zweiten Phase wird mithilfe der VR-Brille an einer realen Anlage trainiert. "So lernen wir die einzelnen Bauteile des Brenners kennen", erklärt die Auszubildende Franziska Czech (21). Alle nötigen Informationen oder Erklärvideos werden über die Brille eingeblendet. Erst in der dritten und letzten Phase wird dann wirklich geschweißt.

Azubi Fabio Koschke mit AR-Brille beim Schweißtraining.
Azubi Fabio Koschke mit AR-Brille beim Schweißtraining. © Daniel von Loeper

Arbeitsunfälle vermeiden

"Zu Beginn verbrauchen wir keinerlei Material", sagt Frühtrunk. Ein anderer Pluspunkt: "Wir haben keine Arbeitsunfälle, keine Verletzungsgefahr", hebt der 19 Jahre alte Fabio Koschke hervor. Auf diese Weise können auch Schülerpraktikanten risikolos ans Schweißen herangeführt werden.

Seit einem Jahr wird auf diese Weise gelehrt, berichtet Frühtrunk - und gelernt. Auch die Ausbilder lernten noch dazu, das Verfahren werde immer weiterentwickelt und auch an anderen Standorten und Bereichen genutzt.

Die neuen technischen Möglichkeiten sprächen auch viele junge Menschen an, die sonst mit Autos weniger am Hut haben, erzählt Ausbildungsleiter Dehn. So habe ein Mann angegeben, ihn reizten große Digitalunternehmen weniger als der Fahrzeughersteller. "Bei BMW kann ich am Produkt programmieren, das ist viel interessanter", sei die Aussage gewesen.

Man könne die Transformation mitgestalten, sagt Sprecherin Angela Konert. "Das bringt Identifikation und Sinnstiftung." "Man arbeitet an einem zukunftsfähigen Antrieb", sagt auch Lukas Röwe. Der 20-Jährige befindet sich im Dualen Studium im Bereich System- und Hochvolttechnik.

Das sagen die Studierenden

"Man kann auch was für die Umwelt tun", erklärt seine Kommilitonin Julia Deppe ihre Motivation. Nachhaltigkeit, sagt ihr Ausbilder Andreas Mauer, werde den jungen Menschen immer wichtiger. "Man merkt, dass man an der Zukunft mitarbeiten kann", sagt auch der 22 Jahre alte Paul Wickenheiser aus dem Bereich IT und Kaufmännische Ausbildung.

Gerade diese Abteilung war von Corona stark betroffen, wie Ausbilder Alexander Fischer erzählt. Da durch das Homeoffice viel an persönlichem Kontakt verloren ging, wurde das Azubi-Büro virtuell nachgebaut - mit einer VR-Brille kann man an den Tischen sitzen und aus dem Fenster den immer sonnigen Himmel betrachten.

Die VR-Brille, mit der das virtuelle Büro betreten werden kann, muss die Redakteurin auch mal ausprobieren
Die VR-Brille, mit der das virtuelle Büro betreten werden kann, muss die Redakteurin auch mal ausprobieren © Daniel von Loeper

Sieben Jahre Planung im Voraus

BMW versuche bei der Ausbildung etwa sieben Jahre im Voraus zu planen, erläutert Ausbildungschef Dehn die Abläufe. Es werde darauf geachtet, ob es noch ausreicht, Berufe nur anzupassen. Wenn nicht, werde gefragt, welche Berufe die neuen Bedürfnisse erfüllen könnten. "Es ist nicht leicht, den Anschluss nicht zu verlieren. Man muss wissen, was passiert."

Automatisierung und Digitalisierung macht Dehn als beherrschende Themen der Ausbildung aus. Wie er sagt, will BMW dementsprechend eigene Mitarbeiter ausbilden und nicht "am Markt einkaufen".

Es geht nicht nur ums Kernprodukt Auto

Dass das Auto nicht mehr den Stellenwert oder auch ein Image wie früher hat, spiele bei der Lehre gar keine so große Rolle, sagt Dehn. Neben dem Kernprodukt Automobil gebe es noch so viele andere Services. Einige der jungen Leute hätten gar keinen Führerschein, "die sagen trotzdem, es ist aber cool, was man hier machen kann". Schließlich, sagt der Ausbildungsleiter, ist man mit der Frage, wie man Verbrennermotoren sauberer machen kann, mit Elektromobilität und Wasserstoffautos - gerade startete BMW die Produktion in Garching - "an den ganzen Zukunftsthemen dran".

Hier besteht Verbesserungsbedarf

Verbesserungsbedarf sieht Dehn auch: bei Digitalisierung und Schulbildung in Deutschland. Verglichen etwa mit Mexiko seien WLAN-Versorgung und Telefonnetz-Erreichbarkeit hierzulande schlechter. "Da ist noch was zu tun." Auch in Norwegen sehe es in dieser Hinsicht besser aus: "Da haben Sie überall 4G. Da müssen wir als Standort Deutschland schauen, dass wir keine Wettbewerbsnachteile haben."

Die Schulabsolventen hätten zwar im Bereich Mathematik und digitale Grundbildung bessere Noten, schnitten in Tests aber schlechter ab. Da müsse noch mehr getan werden, wünscht sich Dehn.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.