Beschneidungsgegnerin im Münchner Landtag ausgezeichnet: "Das hat Signalwirkung!"

Am Freitag ist die Münchnerin im Landtag mit dem Ellen-Ammann-Preis ausgezeichnet worden. Seit Jahren setzt sie sich gegen Beschneidung von Mädchen ein.
von  Bettina Funk
Eine Münchnerin durch und durch: Fadumo Korn (53)
Eine Münchnerin durch und durch: Fadumo Korn (53) © Walter Korn

Am Freitag ist die Münchnerin im Landtag mit dem Ellen-Ammann-Preis ausgezeichnet worden. Seit Jahren setzt sie sich gegen Beschneidung von Mädchen ein.

Bis sie sieben Jahre alt wurde, war Fadumo Korn ein glückliches Mädchen. Mit ihrer Familie und dem Vieh zog sie als Nomadin durch Somalia. Doch dann änderte sich alles. Sie wurde beschnitten. "Genitalbeschneidung ist Mordversuch", sagt Fadumo Korn wütend. Ihre eigene Mutter und ihre Tante hielten sie währenddessen fest. Nach der Beschneidung entzündete sich die Wunde jedoch. Urin und Blut konnten aus der kleinen Öffnung, die man gelassen hatte, nicht richtig abfließen.

Wochenlang rang sie mit dem Tod – und bezwang ihn. Weil sie das Nomadenleben ihrer Familie danach nicht mehr weiterführen konnte, schickte man sie zu einem Onkel nach Mogadischu und weil sie nicht gesund wurde, kam sie nach Italien und schließlich nach Deutschland. Seit 1979 lebt sie nun in München. Hier lernte sie auch ihren Mann Walter Korn kennen. Mittlerweile hat sie einen Sohn und arbeitet als Dolmetscherin. Und sie kämpft gegen Genitalbeschneidungen bei Mädchen. "Ich stehe auf, ich mische mich ein", sagt die 53-Jährige über sich selbst.

Sie ist sowohl Kummertante wie Ersatzmama

Vor fünf Jahren gründete die gebürtige Somalierin den Verein Nala. In München hat der Verein eine Gruppe für Flüchtlingsmädchen gegründet. "Die Mädchen haben alles hier in Deutschland", sagt Korn. "Sie gehen in die Schule und sie wohnen in Häusern, aber sie haben keine Orientierung." Fadumo Korn bezeichnet sich selbst als eine "Kummertante" und Ersatzmama für die Mädchen verschiedenster Herkunft. Sie weiß, wie sich die Mädchen fühlen, wenn sie nach München kommen. "Sie erleben Sprachlosigkeit, denn sie verstehen niemanden. Sie müssen erst einen Platz finden, an dem sie sich wohlfühlen."

Vor ein paar Wochen wurde Fadumo Korn in München plötzlich selbst auf offener Straße beschimpft. "Ich habe gebrüllt und bin dem Mann hinterhergerannt. Ich habe mich schon lange nicht mehr so heimatlos gefühlt. Aber ich bin eine schwarze Münchnerin."

In der Mädchengruppe bekommt sie Hilfe von Ehrenamtlichen. Darunter sind auch eine Sozialarbeiterin und eine Psychologin. "In unserem geschützten Raum geht es ans Eingemachte", erzählt Fadumo Korn. "Die Mädchen sprechen über alles: über Zwangsehe, Vergewaltigung in der Ehe, ihre Flucht." Und immer wieder geht es um Beschneidung.

Außerdem begleitet sie die Flüchtlingsmädchen zum Gynäkologen. "Dort haben sie aber sofort den Schnitt der Beschneidung im Kopf." Die Folge seien Panikattacken. "Dann muss ich mich körperlich um die Mädchen kümmern und entweder ihr Gesicht halten oder sie ihren Kopf unter mein T-Shirt gegen den Bauch drücken lassen", sagt sie.

"Sie hatten dieses kleine Wesen zugenäht"

Dann erzählt Fadumo Korn die Geschichte eines sechsjährigen Mädchens, das mit seiner Familie nach München kam. Sie wurde dazugerufen, weil es nicht mehr sprach. Als Grund dafür stellte sich bald die Beschneidung des Mädchens heraus. "Sie hatten dieses kleine Wesen unten bis auf eine kleine Öffnung zugenäht", sagt sie immer noch wütend. "Ihre Mutter wurde währenddessen festgehalten."

Doch das Engagement des Vereins Nala geht noch weiter. In Burkina Faso baut der Verein zurzeit ein Frauenbildungszentrum. Es soll ein geschützter Raum für Frauen entstehen. Dort gibt es Ärztinnen, mit denen die Frauen Gespräche über Operationen zum Rückgängigmachen der Beschneidung führen können. "Aber unser Verein Nala ist abhängig von Spenden. Wir möchten in Burkina Faso den Frauen helfen und hier in München die Mädchen ins Leben integrieren", sagt sie.

Für ihre Arbeit erhielt Fadumo Korn 2007 den Förderpreis Münchner Lichtblicke und 2011 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Am Freitag wurde sie mit dem Ellen-Ammann-Preis im Bayerischen Landtag ausgezeichnet. Verliehen wird der Preis vom Katholischen Deutschen Frauenbund. "Zum ersten Mal bekommt eine schwarze Muslima einen katholischen Preis. Das hat Signalwirkung", freut sich Korn. Die Nala-Mädchengruppe war bei der Preisverleihung dabei. "Wir sind bunt, wir sind laut – das hat wahnsinnig Spaß gemacht", sagt sie strahlend.

Lesen Sie hier: Knapp sieben Jahre Freiheitsstrafe für Uni-Vergewaltiger

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.