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Berufsverbot für Münchner Klimaaktivistin Lisa Poettinger? Das Kultusministerium hat entschieden

Der Brief erreichte sie am Montagnachmittag. Was Lisa Poettinger zu der "skandalösen Entscheidung" sagt, wie sie reagieren will und wie das bayerische Kultusministerium argumentiert.
Guido Verstegen
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"Es ist offiziell: Ich habe ein Berufsverbot bekommen. Weil ich eine marxistische Analyse der Klimakrise vertrete", schreibt Lisa Poettinger auf X.
"Es ist offiziell: Ich habe ein Berufsverbot bekommen. Weil ich eine marxistische Analyse der Klimakrise vertrete", schreibt Lisa Poettinger auf X. © Daniel von Loeper

München - Sie darf definitiv nicht Lehrerin in Bayern werden: Das bayerische Kultusministerium hat der Münchner Klimaaktivistin Lisa Poettinger seine finale Entscheidung mitgeteilt. "Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat am Montag, dem 10. Februar 2025, Frau Pöttinger (sic!) darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien zum Beginn des zweiten Schulhalbjahres des Schuljahres 2024/2025 zugelassen wird", teilt ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage der AZ mit.

So begründet das Kultusministerium die Entscheidung im Fall Poettinger

Die Entscheidung habe dabei stets im Einzelfall zu erfolgen – als Behörde sei man an Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gebunden, so der Sprecher. Das Ministerium bitte um Verständnis, dass man zu einzelnen Verfahren "generell keine detaillierten öffentlichen Aussagen" treffen könne, man betone jedoch, dass die Nichtzulassung von Frau Poettinger "anders als teilweise dargestellt" nicht auf ihrem Einsatz für den Klimaschutz gründe.

"Richtig ist: Das Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt zählt zu den obersten Bildungszielen in Bayern. Engagement für die Bewahrung der Natur und für die Zukunft unseres Planeten ist Aufgabe einer jeden Lehrkraft im Freistaat."

Solidaritätskreis "Lasst Lisa lehren" kündigt bereits rechtliche Schritte an

Der Solidaritätskreis "Lasst Lisa lehren" hatte bereits am frühen Dienstagmorgen ein Statement zu der Entscheidung veröffentlicht. Die Gruppe teilt mit, dass die Münchnerin und ihre Anwälte den Bescheid nun genau prüfen und in Kürze Klage beim Verwaltungsgericht einreichen werden – "um diese skandalöse Entscheidung zu kippen und Poettinger und anderen potenziell Betroffenen das Recht zu erstreiten, ihre Ausbildung trotz gesellschaftlichen Engagements abzuschließen".

Lisa Poettinger hat sich Adelheid Rupp als Anwältin genommen. Beide sind Mitglied bei der Linken.
Lisa Poettinger hat sich Adelheid Rupp als Anwältin genommen. Beide sind Mitglied bei der Linken. © Daniel von Loeper

Wie das Kultusministerium bestätigte, kann gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe entweder Widerspruch beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus eingelegt oder eben unmittelbar Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht erhoben werden.  

Nicht zum Vorbereitungsdienst fürs Lehramt zugelassen: Das sagt Lisa Poettinger

Lisa Poettinger selbst äußerte sich auf X ehemals Twitter und schickte gleich ein Foto des Bescheides mit. "Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien zum Termin Februar 2025 wird Ihnen versagt", formuliert es demnach das Ministerium. 

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Für Lisa Poettinger ist die Entscheidung nicht nur "ein gravierender Angriff auf die Grundrechte der Ausbildungs- und der Meinungsfreiheit", wird sie in einer ersten Reaktion vom Solidaritätskreises zitiert. "Jetzt ist es also amtlich: Wer sich in seiner Freizeit für Klimaschutz und Demokratie engagiert und dabei auch noch Begriffe verwendet, die der Staatsregierung nicht gefallen, kann in Bayern für charakterlich ungeeignet erklärt werden, Kindern Englisch beizubringen", heißt es da weiter.

Ihr werde damit nicht nur eine spätere Anstellung an einer staatlichen oder städtischen Schule verweigert, sondern sogar, "überhaupt nur meine Lehramts-Ausbildung abzuschließen", so die 28-Jährige. Das belege, dass die Staatsregierung nicht die Klimakrise oder den Aufstieg der extremen Rechten als Gefahr betrachte, "sondern den Einsatz für eine lebenswerte Zukunft". 

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Der Solidaritätskreis kritisiert: "Obwohl die grundrechtsbeschränkende Entscheidung seit längerer Zeit absehbar war, hat das Ministerium die Studentin damit bis genau eine Woche vor Beginn des letzten Ausbildungsabschnitts am 17. Februar im Unklaren gelassen, ob sie diesen antreten kann (und dafür möglicherweise in eine andere bayerische Stadt ziehen muss) – oder ob ihr Lehramts-Ausbildung damit faktisch abgebrochen wird."

So argumentiert das Kultusministerium im Fall Poettinger

Als Begründung für den Schritt habe das Ministerium Zweifel an Poettingers Verfassungstreue angeführt, "abgeleitet unter anderem aus der bloßen Verwendung von Begriffen wie 'Profitmaximierung' und 'Klassenkampf', ihrem Engagement für Klimaschutz beim Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München sowie zwei noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren".

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"Im Blickpunkt stehen im vorliegenden Fall die Mitgliedschaft in und das Engagement für eine linksextremistische Gruppierung, gegenwärtig laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren sowie das öffentliche Billigen von Straftaten", bestätigte der Sprecher. "Noch einmal sei darauf hingewiesen: Wer nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung steht, den lassen wir nicht in den staatlichen Schuldienst."  

Im Wesentlichen seien die Vorwürfe dieselben wie im Ankündigungsschreiben vom 22. November 2024, heißt es aus dem Solidaritätskreis. Das Kultusministerium schreibe dort: "Nochmals und ausdrücklich sei konstatiert, dass Ihnen Klimaschutz per se nicht zur Last gelegt wird." Es werde aber auch betont, "dass sich nach Erkenntnis des Verfassungsschutzes linksextremistisches Handeln und Engagement für den Klimaschutz nicht ausschließen, sondern, ganz im Gegenteil: Es ist nicht ungewöhnlich, wenn im Einzelfall – wie bei Ihnen – beides Hand in Hand geht".

"Es geht um die Frage der Verfassungstreue"

Poettingers Bewerbungsunterlagen und ihrem Anhörungsschreiben sei nicht zu entnehmen, dass sie sich von dem Engagement für die Gruppierung "Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München" oder deren Zielen distanziere: "Im Gegenteil: Sie drücken lediglich Verwunderung aus, dass die Gruppierung als extremistisch eingestuft wird."

Lisa Poettinger war bei den Protesten gegen die IAA in München ganz vorne mit dabei.
Lisa Poettinger war bei den Protesten gegen die IAA in München ganz vorne mit dabei. © Bernd Wackerbauer

Da stets der Einzelfall zu berücksichtigen sei, habe das Staatsministerium den Sachverhalt unter Einbeziehung der Stellungnahme noch einmal sehr sorgsam geprüft, sagt der Sprecher des Kultusministeriums: "Unabhängig vom vorliegenden Einzelfall ist zu beachten, dass gerade, wenn es um die Frage der Verfassungstreue geht, immer auch die hier zuständigen Stellen eingebunden werden."

Das sagt das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zur Rechtslage

"Lehrkräfte haben wie kaum eine andere Berufsgruppe Einfluss auf junge Menschen und ihre Entwicklung. Lehrerinnen und Lehrer sind in ihrem Auftreten innerhalb und außerhalb der Schule Vorbilder für die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler", sagt der Ministeriumssprecher.

Der Freistaat Bayern habe daher sicherzustellen, dass sich Personen, die in den Staatsdienst aufgenommen werden, "durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (FDGO) bekennen". Das sei die Rechtslage: "Schülerinnen und Schüler ebenso wie ihre Eltern erwarten, dass der Freistaat diese umsetzt." Deshalb gebe es innerhalb jedes Einstellungsverfahrens eine Prüfung der Verfassungstreue jedes Bewerbers.

Der Sprecher weiter: "Bestehen Zweifel an dieser zum Beispiel aufgrund der Mitgliedschaft in einer oder mehreren extremistischen Organisationen (ganz gleich welcher extremistischen Ausrichtung), so sind diese vor der Einstellung der Person unter anderem durch eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz auszuräumen. Auch erhält die Bewerberin bzw. der Bewerber die Möglichkeit einer Stellungnahme."

Könnten die Zweifel auch danach nicht ausgeräumt werden oder erhärteten sich diese gar, "so darf die Bewerberin bzw. der Bewerber nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden." Gleiches gelte für Lehrkräfte, die sich bereits im Staatsdienst befänden und sich in oben beschriebener Weise äußerten oder hervorträten.

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47 Kommentare
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  • dakaiser am 13.02.2025 07:11 Uhr / Bewertung:

    Völlig richtig! Weder Rechts- noch Linksextremisten dürfen auf unsere Kinder losgelassen werden. Und dann noch verbeamtet werden wollen....ja wo samma denn?

  • Bongo am 12.02.2025 23:02 Uhr / Bewertung:

    Antwort an den wahren Tscharlie:
    Schön, dass Du uns Auskunft über Deine (Ein?)Bildung gibst. Aber als LKW-Fahrer war Verfassungstreue nicht gefordert, von Frau Poettinger dagegen schon!

  • Der wahre tscharlie am 13.02.2025 16:41 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bongo

    Wie ich lese, ist dein Wissen über meinen ehem. Job sehr begrenzt.
    Z.B. die US-Army vergibt Ladungen an externe Unternehmer. Bervor mein Chef den Auftrag bekommt, werde ICH komplett durchleuchtet. Ich kann mir denken, wo die überall Abfragen machen. Erst wenn das OK kommt, darf ich auf das Militärgelände.

    Es gibt u.a. auch in München eine Firma, ohne Führungszeugnis kommst du da hanicht hin. Ebenso Flughfen, wenn du aufs Vorfeld mußt.
    Ich könnte noch ein paar Beispiele anführen, aber bleib du nur bei deiner Vorstellung. Passt scho.

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