Berufspolitikerin mit 28: Jamila Schäfer geht fleißig an die Spitze

Mit 28 ist Jamila Schäfer Berufspolitikerin – allerdings noch ohne Mandat. Sie sitzt bei den Grünen im Parteivorstand und bald wohl im Bundestag.
von  Christina Hertel
Jamila Schäfer ist für viele Wähler ein unbekanntes Gesicht, in ihrer Partei hat sie es schon nach oben geschafft.
Jamila Schäfer ist für viele Wähler ein unbekanntes Gesicht, in ihrer Partei hat sie es schon nach oben geschafft. © Bernd Wackerbauer

München - Nachdem ein Brand auf der Insel Lesbos Tausende Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen waren, ein zweites Mal obdachlos gemacht hatte, ging Jamila Schäfer vorbei an verbrannten Zelten, Decken, Planen. Zwischen all dem entdeckte sie ein dürres, getigertes Kätzchen.

Es war das einzige Lebewesen, das sie aus dem Lager mit nach Deutschland nehmen konnte, sagt Schäfer. "Die Papiere für eine Katze waren in ein paar Tagen fertig." Um Kinder nach Deutschland zu holen, habe die Regierung ein Jahr gebraucht.

Seit 2018 Mitglied des Bundesvorstands der Grünen

"Die größte Herausforderung in meinem Job ist, nicht zynisch zu werden", sagt Schäfer. Sie reiste nicht als Helferin nach Moria, die Decken und Wasserflaschen verteilte. Sie besuchte das Lager als Politikerin. Seit 2018 ist sie Mitglied des Bundesvorstands der Grünen. Im Herbst zieht sie voraussichtlich für ihre Partei in den Bundestag ein.

Zwar kandidiert sie als Direktkandidatin im Münchner Süden und diesen Wahlkreis hat seit 2002 immer die CSU gewonnen. Jedoch ergatterte sie auf der bayerischen Landesliste Platz sieben. Ihr Einzug in den Bundestag gilt damit als sicher.

Schäfer ist erst 28 Jahre alt, studiert eigentlich noch Soziologie, und sagt trotzdem vieles das klingt, als mache sie schon seit Jahrzehnten Politik. Zum Beispiel, dass es ihr für das "Grounding" wichtig sei, auch mal Freunde außerhalb des politischen Betriebs zu treffen.

Zwar ist Schäfer der breiten Öffentlichkeit unbekannt, innerhalb der Partei hat sie jedoch bereits Karriere gemacht. Sie war Sprecherin der Grünen Jugend, seit drei Jahren ist sie im Bundesparteivorstand. Zuletzt arbeitete sie an der Kampagne mit, die Anna-Lena Baerbock zur Kanzlerin machen soll.

Bis jetzt ist diese erfolgreich: Inzwischen liegen die Grünen in den Umfragen sogar vor der Union. Es sei es dem Vorstand gelungen, die Partei, die sich einst zwischen Realo und Fundi-Flügel gespalten war, zusammenzubringen, sagt Schäfer.

Seit zehn Jahren Engagement für Asylpolitik

So, wie Anna-Lena Baerbock als eine gilt, die sich mit Fleiß und Fachwissen an die Spitze gekämpft hat, wirkt auch Jamila Schäfer nicht wie eine Person, die sich gerne über das Wetter unterhält. Lieber über Asylpolitik, Menschenrechte und die Frage, was sich an den EU-Außengrenzen ändern müsste.

Zum Beispiel würde Schäfer die Kommunen, die sich bereit erklärten, geflüchtete Menschen aufzunehmen, das auch tun lassen. Bis jetzt verhindere dies die Regierung.

Jamila Schäfer als Rednerin auf einem Parteitag.
Jamila Schäfer als Rednerin auf einem Parteitag. © Archiv

Schäfer engagiert sich seit fast zehn Jahren für Asylpolitik. In dieser Zeit hat sich kaum etwas verändert. Immer noch ertrinken jedes Jahr Hunderte Menschen im Mittelmeer. Trotzdem habe sie die Hoffnung, dass sie etwas bewirken kann, nicht verloren, sagt Schäfer. Wahrscheinlich, weil sie die Erfahrung, wie viel Protest bringen kann, schon früh gemacht hat: 2009, damals war Schäfer in der zehnten Klasse, beteiligte sie an den Bildungsstreiks gegen das achtjährige Gymnasium: Inzwischen ist das G8 Geschichte.

Den Glauben, dass sie etwas verändern können, würde Schäfer auch in den Menschen in ihrem Wahlkreis wecken. "Kaum jemand traut sich seinem Abgeordneten eine E-Mail zu schreiben", sagt sie. Das würde sie gerne ändern. Dafür hat sie ein Bürgertelefon eingerichtet. Unter Telefon: 015252331528 kann man sie jeden Freitag von 17 bis 20 Uhr anrufen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.