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Berühmte Politiker-Tochter Susanne Seehofer (FDP): "Mir ist nichts geschenkt worden!"

In der Serie "Kandidatur mal anders" stellt die AZ etwas ungewöhnliche Kandidaten für die Landtagswahl in Bayern vor. Los geht's mit Susanne Seehofer. Wie sie zur FDP kommt und was ihr Vater Horst dazu sagt.
von  Heidi Geyer
Susanne Seehofer kandidiert in München Mitte. Die AZ hat sie am Wiener Platz getroffen.
Susanne Seehofer kandidiert in München Mitte. Die AZ hat sie am Wiener Platz getroffen. © Daniel von Loeper

München - Politikerkinder, da denkt man irgendwie an die Söhne von Helmut Kohl, die sich mit ihrer Stiefmutter eine Schlammschlacht liefern und sichtlich unter ihrem prominenten Vater gelitten haben. Aus ihrem Schmerz haben die Kohl-Brüder keinen Hehl gemacht. Ganz anders Susanne Seehofer. Zum Termin mit der Abendzeitung kommt sie zwar ein bisschen zu spät, der Verkehr auf der Leopoldstraße war einfach zu zäh.

Seehofer reagiert aber so charmant, dass man ihr gar nicht böse sein kann. Als Reporter fragt man sich unweigerlich, ob sie das von ihrem Vater hat. Solche Vergleiche und dass ihr Vater, der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer, überhaupt immer wieder Thema ist, ist nichts Neues für Susanne Seehofer, wie sie der AZ erzählt: "Ich kenne es nicht anders, daher war das ganz normal, dass man immer wieder darauf angesprochen wurde."

Susanne Seehofer: War es schlimm für Vater Horst, dass sie zur FDP kam?

Und es wirkt nicht so, als würde sie ihren Schmerz verbergen. Im Gegenteil: Susanne Seehofer strahlt eine Leichtigkeit aus. Die auch nicht verschwindet, als sie in Nebensätzen erzählt, dass sogar Journalisten in ihrer Kindheit versucht haben, Mitschüler auszufragen. Da muss man schon ein bisschen schlucken. Ob es für ihren Vater schlimmer ist, dass sie für die FDP antritt – oder ob das Markus Söders CSU gewesen wäre?

Susanne Seehofer mit ihrem Vater Horst beim Neujahrsempfang 2014.
Susanne Seehofer mit ihrem Vater Horst beim Neujahrsempfang 2014. © BrauerPhotos / G.Nitschke

Schließlich gelten Söder und sein Vorgänger als Intimfeinde. Seehofer pariert das elegant: "Das müssen Sie ihn fragen. Ich kann mir vorstellen, dass er froh ist, dass seine Kinder politische Menschen geworden sind."

Sie sei eigentlich schon zu Schulzeiten eher liberal gewesen. "Ich war nie wirklich links, aber gesellschaftlich sehr offen und tolerant. So bin ich auch zur FDP gekommen." Ein "leben und leben lassen", etwa bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, das sei ihr immer wichtig gewesen, erzählt sie.

Susanne Seehofer ist nicht nur die "Tochter von..."

Vor zwei Jahren ist sie dann in die FDP eingetreten und kandidiert jetzt in München Mitte. Als Anfängerin bei den Liberalen ist sie aber schon bestens integriert. Eine Parteikollegin ist voll des Lobes über sie. Als beim Fotoshooting mit der AZ am Wiener Platz der Parteikollege Sebastian Körber zufällig vorbeikommt, gibt es eine herzliche Umarmung.

Susanne Seehofer und AZ-Redakteurin Heidi Geyer.
Susanne Seehofer und AZ-Redakteurin Heidi Geyer. © Daniel von Loeper

Seehofer ist nicht nur "die Tochter von", sondern hat sich ihr eigenes Leben aufgebaut. Während sie in der Kindheit mit den Eltern kaum weggefahren ist, hat sie die Chance später umso öfter genutzt. "Für mich war immer wichtig: Ich will die Welt sehen."

Seehofer hat BWL studiert und war unter anderem in Mexiko, Südafrika, Peking und im Silicon Valley. Heute arbeitet sie bei BMW als Nachhaltigkeitsmanagerin, wo sie sich nicht nur mit der Thematik CO2 beschäftigt, sondern auch mit sozialen Themen, also beispielsweise gerechten Arbeitsbedingungen bei Zulieferern, erklärt die 32-Jährige.

Susanne Seehofer wehrt sich gegen die Privilegien-Frage: "Ich habe nichts geschenkt bekommen"

Derzeit ist sie im Sabbatical für den Wahlkampf. Nicht leicht als Mutter einer zweijährigen Tochter: "Es ist schon eine Herausforderung – gerade mit langen Sitzungen am Abend." Es sei unfassbar viel Arbeit, aber es bereite ihr auch viel Freude. Sie wirkt dabei nicht verkniffen oder wie manche Kandidaten, die sich noch auf jedes Foto drängeln müssen.

Etwas empfindlicher wird sie allerdings, als es um die Frage geht, ob gewisse Privilegien an ihrer Glaubwürdigkeit kratzen. Denn nicht nur Seehofer hat einen guten Job, auch ihr Ehemann ist erfolgreicher Unternehmer. Kann so jemand nachvollziehen, welche Sorgen und Nöte Normalverdiener-Familien haben? "Grundsätzlich hab' ich nichts bei meiner Ausbildung oder dem Job, den ich mache, geschenkt bekommen. Ich habe mich immer anstrengen müssen, und mir ist nichts in den Schoß gefallen."

FDP dümpelt in den Umfragen bei drei Prozent: Warum tut Susanne Seehofer sich das an?

Was es bedeute, in München eine Kita zu suchen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, das sei ihr nicht fremd. Seehofers Politik-Verständnis sei ein anderes, sonst könnte ja ein gut verdienender Bundeskanzler sich nicht für Geringverdiener einsetzen. Die AZ scheint schon ein bisschen einen wunden Punkt getroffen zu haben, obwohl Seehofer sehr viel Gelassenheit mitbringt. Man merkt: Auf ihre Bodenständigkeit legt sie Wert. "Meine Schwiegermutter schneidet mit ihren 86 Jahren immer noch anderen Leuten die Haare."

Die Liberalen liegen Umfragen zufolge derzeit bei drei Prozent. Seehofer weiß, dass es eng werden kann. Trotz allen kräftezehrenden Wahlkampfes, von dem noch nicht mal ihre Geschwister verstehen, warum sie sich das antut. "Aber sie unterstützen mich!"

Das Thema Bildung liegt Susanne Seehofer besonders am Herzen

Es ist gerade das Thema Bildung, das Seehofer umtreibt. Wäre sie in Regierungsverantwortung, würde sie drei Punkte umsetzen: Erstens soll kein Kind ohne Schulabschluss von einer bayerischen Schule gehen. Zweitens sollen die Kinder ab der Kita ein Frühstück bekommen. Drittens ist ihr wichtig, dass alle Kinder in der Schule ordentlich lesen, schreiben und rechnen lernen. "Alle diese drei Punkte erfüllt der Freistaat nicht", sagt Seehofer.

Ausgerechnet sie, die in ein privilegiertes Elternhaus geboren wurde, findet es einen Skandal, dass der eigene Bildungserfolg in Bayern so abhängig von den Eltern ist wie in keinem anderen Bundesland. "Das ist ungerecht. Und das müssen wir ändern."

Bessere Rahmenbedingungen in der Bildung: Mehr Geld hilft nicht immer mehr

Bei der Debatte um die Kindergrundsicherung warfen die Grünen der FDP vor, arme Kinder zu vernachlässigen, als der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kein Budget freigeben wollte. "Es war völlig richtig, dass Christian Lindner bei der Kindergrundsicherung ein Veto eingelegt hat."

Seehofers Argument: Mehr Geld hilft nicht immer mehr. "Manche Kinder können auch deshalb nicht aufsteigen, weil keiner mit ihnen am Nachmittag ein Buch liest." Insgesamt würde sie auch mehr in die Schulen investieren, aber eben nicht nur für "digitale Gadgets". Die Rahmenbedingungen müssten sich insgesamt verbessern.

Vater Horst Seehofer sorgte für massiven Sicherheitseinsatz bei Susannes Abifeier

Auch das Ehegattensplitting will sie beibehalten. "Es wäre nur eine verdeckte Steuererhöhung, wenn wir das abschaffen." Für die Liberale ist es aber auch eine Frage des Menschenbildes. Seitens der Grünen wird das Ehegattensplitting oft dafür kritisiert, dass es Rollenmodelle zementiere. Etwa indem es sich für die Frau eines Gutverdieners schlicht nicht lohnt, in einem weniger gut bezahlten Job zu arbeiten. "Ich denke nicht so: Lohnt es sich für mich, zu arbeiten? Sondern: Ich will unabhängig sein."

Ob es nicht doch manchmal etwas blöd gewesen sei, die Tochter eines Spitzenpolitikers gewesen zu sein? Seehofer überlegt kurz: Doch, bei der Abiturfeier. Eigentlich wollten alle in der Klasse ausgelassen feiern. Aber den Tequila konnten sie nicht verstecken, schließlich waren wegen ihres Vaters überall Sicherheitskräfte. "Das war dann schon blöd", sagt Seehofer und muss lachen.

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