Berühmte Modekette in München schließt – Restbestände werden nun verscherbelt

Wieder stirbt ein Traditionshaus in München: Das Modeunternehmen Hallhuber, das 1977 in Sendling seine erste Filiale eröffnete, ist am Ende. Die neun Filialen in der Stadt sind schon fast leergekauft.
von  Irene Kleber, Nina Job
Eigentlich ein seltenes Bild der letzten Jahre, aber in diesen Tagen normal: lange Schlangen vor der Kasse.
Eigentlich ein seltenes Bild der letzten Jahre, aber in diesen Tagen normal: lange Schlangen vor der Kasse. © Bernd Wackerbauer

München - Nur ein paar Meter von der Eingangstür zum Hallhuber in der Kaufingerstraße sitzt Ivan Hajek. Der Akkordeonspieler (61) spielt sein melancholisches Stück "Orion", das vom Niedergang der Welt erzählt. Wie passend. Wie er da so sitzt, könnte man meinen, Hajek spielt das Lied auch für den Laden, vor dem er sitzt.

Hinter ihm am Schaufenster steht riesengroß: "Alles muss raus. Nur noch acht Tage." Schon von außen sieht man: Nie waren die Schlangen an der Kasse in dem eleganten Laden so lang – und die Regale so leer.

Abgesang in der Fußgängerzone: Ivan Hajek spielt auf seinem Akkordeon sein trauriges Stück "Orion" genau vor dem Hallhuber-Laden.
Abgesang in der Fußgängerzone: Ivan Hajek spielt auf seinem Akkordeon sein trauriges Stück "Orion" genau vor dem Hallhuber-Laden. © Bernd Wackerbauer

Kleider, Mäntel, Schals, Schuhe, Schnäppchenjäger haben schon fast alles abgeräumt. "Bis zu 80 Prozent vom Original-Preis", heißt es überall im Laden. Mäntel, die mal 220 Euro kosteten, sind nun für 44 Euro zu haben, Blusen für vorher 160 Euro gibt's jetzt für 32. Die Damenklamotten aus den hochwertigen Materialien gehen weg wie warme Semmeln.

Nach fast 50 Jahren ist das Münchner Unternehmen Hallhuber am Ende

Alle Bemühungen waren vergeblich. Nach 46 Jahren ist das Münchner Modeunternehmen am Ende. Die Geschäftsführung und der gerichtlich bestellte Sachverwalter Christian Gerloff teilten der AZ mit, dass Hallhuber alle Mietverträge für seine Läden gekündigt hat. In den insgesamt 130 Filialen im deutschsprachigen Raum waren zuletzt noch 1.200 Mitarbeiter beschäftigt, davon 300 im Großraum München. Allen wurde gekündigt. "Die Kündigungen erfolgten sukzessive nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens", so die Hallhuber GmbH.

Von den Mitarbeiterinnen in der Kaufingerstraße sind nur noch 15 von ehemals 22 überhaupt noch da. Zu sehen, wie die hochwertige Ware nun verschleudert wird, tut ihnen weh. "Das ist so traurig", sagt eine zur AZ. "Kleider, die mal 200 Euro gekostet haben, gibt's jetzt für 40. Das muss man sich mal vorstellen. Da ist kaum der Faden zum Zusammennähen bezahlt, geschweige denn die Arbeit der Näherinnen und der Transport."

Die Regale leeren sich.
Die Regale leeren sich. © Bernd Wackerbauer

Noch härter wird der Niedergang der Modekette wahrscheinlich Susanne Hallhuber treffen. Jahrzehntelang war sie die Chefdesignerin. Ihr Anspruch: feminine, stilweisende, alterslose Mode.

Sie war mit dem Gründer Klaus Hallhuber verheiratet. Und als er das Modeunternehmen 1995 an den Eigentümer von Rosner verkaufte, blieb sie trotzdem Creative Director. 2017 feierte Susanne Hallhuber noch den 40. Geburtstag des Modeunternehmens, dessen Kleidungsstil sie geprägt hatte. 400 Shops und Verkaufsflächen gab es damals in Deutschland plus sieben in anderen Ländern.

Nach Corona hatte Hallhuber sich nochmal kurz aufgerappelt

In seiner wechselvollen Geschichte hat die Münchner Modemarke mehrmals den Eigentümer gewechselt: 2000 übernahm Stefanel, 2009 ein Finanzinvestor, ab 2014 gehörte Hallhuber zur Gerry Weber AG, 2019 übernahm ein Fonds die Mehrheitsanteile.

Ganz kurz vor dem Aus war es schon mal 2021, da musste Hallhuber erstmals Insolvenz anmelden. Schuld waren die Lockdowns in der Corona-Pandemie, hieß es. Im Insolvenzverfahren konnte sich Hallhuber noch mal rappeln, doch in den zwei Jahren danach gelang es nicht, noch mal durchzustarten. Ende Mai dieses Jahres ging's wieder zum Insolvenzgericht. "Multiple Krisen im Textileinzelhandel" seien die Ursache für die massiven Umsatzeinbußen, heißt es jetzt.

Die verbliebene Ware gibt's zu Schnäppchenpreisen.
Die verbliebene Ware gibt's zu Schnäppchenpreisen. © Bernd Wackerbauer

Die Filiale in der Theatinerstraße gibt es schon nicht mehr. Die Fächer und Regale sind leergekauft, der Laden ist abgewickelt. Die Verkäuferinnen in der Kaufingerstraße und am Marienplatz zählen die Tage: Nur noch acht, nur noch neun, hieß es am Freitag.

Und wenn auch die Pailletten-Teilchen weg sind und die paar anderen Sachen, die noch hängen, wird schon früher das Licht ausgemacht. Wären nicht so viele Schnäppchenjäger in den Läden, würde es darin hallen – so leer sind die Verkaufsräume bereits.

Die Hallhuber-Stammkunden können sich über die Rabatte nicht richtig freuen

Christine G., eine ältere Dame, hat noch Glück gehabt. 14 Jahre lang war sie regelmäßige Kundin bei Hallhuber. Sie kommt mit einem Paar kamelhaarfarbener Handschuhe aus dem Geschäft. Gerade richtig für die kalte Jahreszeit. Statt 45 Euro musste sie nur noch neun Euro dafür zahlen. Richtig freuen kann sie sich darüber trotzdem nicht. "Fürchterlich, dass Hallhuber schließt", sagt sie zur AZ. "Es ist ja vorne in der Fußgängerzone auch schon so viel zu."

Der letzte Einkauf: Christine G. war Stammkundin bei Hallhuber, der 1977 seinen ersten Laden in Sendling eröffnet hat. Als sie das Geschäft in der Kaufingerstraße am Freitag betritt, ist alles anders. Sie kauft ein Paar stark reduzierte Handschuhe in dem Geschäft, das in wenigen Tagen schließt. Richtig freuen kann sie sich darüber nicht.
Der letzte Einkauf: Christine G. war Stammkundin bei Hallhuber, der 1977 seinen ersten Laden in Sendling eröffnet hat. Als sie das Geschäft in der Kaufingerstraße am Freitag betritt, ist alles anders. Sie kauft ein Paar stark reduzierte Handschuhe in dem Geschäft, das in wenigen Tagen schließt. Richtig freuen kann sie sich darüber nicht. © Bernd Wackerbauer

Für die Verkäuferinnen sind die letzten Tage anstrengend. "Wir haben hier noch nie so viele Menschen gehabt wie vergangene Woche", erzählt eine. Die eine Filiale schließt bereits um 16 Uhr, die andere eine Stunde später. "Wir können einfach nicht mehr", sagt sie. Endzeitstimmung.

Und trotzdem scheint es im Unternehmen noch einen winzigen Funken Hoffnung zu geben: Von Gesprächen mit einem Interessenten ist noch die Rede und von "offenem Ausgang". Die Hallhuber-Verkäuferin in der Fußgängerzone glaubt nicht daran. Sie sagt erschöpft: "Es reicht dann auch."

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