Streit zwischen Mietern in München und ihrem Wohnkonzern eskaliert: Jetzt wehren sich die Schwabinger Bewohner

München - Sie haben sogar Schilder mitgebracht. "Wo bleiben die Fördergelder?" steht auf einem davon, "Modernisierungsumlage zeitlich begrenzen!" auf einem anderen. Aber als sie dann reingehen in die Dawonia-Zentrale, da nehmen sie die Schilder dann doch nicht mit.
Nicht, dass es Ärger gibt. Und schließlich sind Charlotte Luther-Villinger und ihre Mitstreiter heute nicht gekommen, um zu demonstrieren – sie wollen nur eine Unterschriftenliste übergeben.
Berliner Straße in München: Mietergemeinschaft streitet seit über einem Jahr mit der Dawonia
Luther Villinger und die anderen, die sich heute vor der Zentrale der Dawonia versammelt haben, gehören zur Mietergemeinschaft Berliner Straße. Vor mehr als einem Jahr haben sie sich zusammengeschlossen, weil ihr Vermieter, die Immobiliengesellschaft Dawonia, in ihren Häusern im "Berliner Quartier" in Schwabing eine Wärmedämmung einbauen möchte – und einen Großteil der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen will.
Seitdem ist die Mietergemeinschaft immer wieder mal hier in der Zentrale gewesen, um ihre Briefe an die Dawonia persönlich zu übergeben. Denn auch ein Jahr nach Gründung der Mietergemeinschaft ist ihr Streit mit ihrem Vermieter alles andere als beendet. Inzwischen geht es nicht mehr darum, die Modernisierung zu verhindern. Die Baumaßnahmen haben längst begonnen.
Es geht vielmehr um die Frage, wer sie am Ende bezahlen wird – und zu welchem Anteil. Im Kleinen fechten die Dawonia und die Mieter des Berliner Quartiers gerade aus, was zuletzt anhand des Heizungsgesetzes in ganz Deutschland diskutiert wurde: Wer zahlt, wenn eine Wohnungsgesellschaft energetische Sanierungen vornimmt?

Berliner Viertel: "Die Mieterhöhung, die wir jetzt kriegen, werden wir auf ewig behalten"
"Wenn die Miete wegen einer Modernisierung erhöht wird", sagt Alfred Miller, "dann sinkt die ja nicht wieder, sobald die Modernisierung abbezahlt wurde. Die Mieterhöhung, die wir jetzt kriegen, werden wir auf ewig behalten." Miller (67) sitzt in seinem Wohnzimmer und breitet einen Papierstapel vor sich aus.
Berechnungen der Dawonia, Berechnungen der Mietergemeinschaft, Belehrungen durch den Mieterverein. Miller wohnt in einem der betroffenen Häuser im Berliner Viertel.
Mieter investieren viel Zeit und stellen eigene Berechnungen an
In den letzten Monaten hat er stundenlang Dokumente gewälzt und im Internet recherchiert: Was kostet eine Wärmedämmung? Welche Umbaumaßnahme gilt als Modernisierung, welche als Sanierung? Und was davon können Vermieter einfach auf ihre Mieter umlegen?
Die Ergebnisse hat er in eine Tabelle eingetragen, seinen Berechnungen nach wäre eine Mieterhöhung von 1,87 Euro pro Quadratmeter zulässig, die Dawonia möchte aber 2,89 Euro mehr pro Quadratmeter verlangen. "Nehmen wir zum Beispiel die Fenster", sagt Miller. "Die Dawonia möchte statt zweiglasigen Fenstern dreiglasige Fenster einbauen. Davon müssen wir eigentlich nur das zusätzliche dritte Fenster bezahlen."
Eine kleine Hoffnung: Könnten Fördergelder das Problem lösen?
Denn der Rest, so sieht das die Mietergemeinschaft, sei eigentlich nur eine Sanierung – und die sei Sache des Vermieters. Umso mehr, weil die Fenster seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden seien. Der aktuell wichtigste Streitpunkt ist jedoch weniger die konkreten Berechnungen, denn die Frage nach der Förderung.
Seit Monaten, so schildert das Charlotte Luther-Villinger, versuche die Mietergemeinschaft herauszufinden, ob die Dawonia Fördergelder für die Modernisierungmaßnahme beantragt habe. "Es gibt verschiedene Zuschüsse, die man bekommen kann für solche Modernisierungen", sagt Charlotte Luther-Villinger. "Aber wir bekommen keine klare Antwort darauf, ob Zuschüsse beantragt wurden."
Bewohner sammeln Unterschriften – und bekommen Unterstützung
Schon länger mutmaßen die Mieter des Berliner Quartiers, dass es bei der Modernisierungsmaßnahme weniger um den Klimaschutz gehe, denn darum, die Bewohner mit ihren verhältnismäßig günstigen Altmietverträgen zu entmieten.
Dass sie keine klare Antwort auf ihre Frage nach der Förderung bekommen, stützt ihren Argwohn noch mehr. In der Unterschriftenliste fordern sie deshalb die Dawonia auf, "alle öffentlichen Zuschüsse" aufzulisten und zu belegen. 90 Bewohner des Quartiers haben unterschrieben, mehr als zwei Drittel.
Dawonia reagiert auf Kritik
Tatsächlich kommt es häufig vor, dass Wohnungsgesellschaften Förderungen für Modernisierungen nicht in Anspruch nehmen – und damit die Kosten für die Mieter in die Höhe treiben. Der Deutsche Mieterbund fordert deshalb, dass Fördergelder auch dann von einer Mieterhöhung abgezogen werden müssen, wenn sie nicht in Anspruch genommen wurden.
"Unsere Forderungen sind alle auch Forderungen an die Politik", sagt Miller. "Aber jetzt übergeben wir sie erst einmal an die Dawonia."
Die Dawonia reagiert auf AZ-Anfrage wie folgt auf die Vorwürfe: "Wir haben für die angekündigten Maßnahmen Fördermittel beantragt. Darüber wurden die Mieter:innen im März 2023 informiert. Die Modernisierungsankündigung ist nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt. Es ist daher nicht richtig, dass die Dawonia die vollen Kosten für Fenster und Haustür auf die Mieter:innen umlegen möchte. Die tatsächliche Modernisierungsumlage wird außerdem erst nach Abschluss der Maßnahmen auf Basis der tatsächlichen Kosten, der in Abzug gebrachten Fördermittel und dem ermittelten Instandsetzungsbedarf berechnet. Die langjährigen Dawonia:Mieter:innen profitieren zudem von der gesetzlichen Kappung der Modernisierungsumlage auf max. 2 Euro pro Quadratmeter aufgrund der aktuellen Miete von weniger als 7,- Euro je Quadratmeter (Hinweis: Umlage ab 7,- Euro pro Quadratmeter beträgt max. 3 Euro pro Quadratmeter)."