Berg am Laim: Zammraufen für Zivilcourage

Zivilcourage und Selbstbehauptung - das sind nicht erst seit dem tragischen Tod von Dominik Brunner ein Thema. Ein Programm der Polizei für Münchner Schulen macht Kinder nun stark gegen Gewalt.
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Die Maria-Ward-Schule: Hier wird den Schülerinnen Zivilcourage beigebracht
Mike Schmalz Die Maria-Ward-Schule: Hier wird den Schülerinnen Zivilcourage beigebracht

MÜNCHEN - Zivilcourage und Selbstbehauptung - das sind nicht erst seit dem tragischen Tod von Dominik Brunner ein Thema. Ein Programm der Polizei für Münchner Schulen macht Kinder nun stark gegen Gewalt.

Auf dem Schulhof in der Josephsburgstraße stehen sich zwei Schülerinnen gegenüber. Sie streiten. Angriffslustig steuert die Größere auf die andere zu. „Stopp!", entgegnet diese leise und macht mit der rechten Hand eine abwehrende Geste. „Stopp!", ruft daraufhin eine Frau mit kurzem dunklen Haar und geht auf die Mädchen zu. „Das geht noch viel lauter", sagt sie zu der Kleineren. Und dann macht sie es vor: „Stopp!"

Ute Sterner ist Lehrerin an der Maria-Ward-Mädchenrealschule in Berg am Laim und die Konfliktszene nur ein Rollenspiel. Die 49-Jährige hat sich von der Polizei zur Trainerin für Gewaltprävention aus-bilden lassen. „Zammgrauft" heißt der Kurs, der an vielen Schulen auf dem Stundenplan steht. Tausende Schüler haben gelernt, wie sie gefährliche Situationen erkennen und was sie tun können, wenn sich jemand aggressiv verhält.

Selbstbehauptung ist ein wichtiger Bestandteil des Lehrgangs. Doch es geht um mehr. Stefanie Löbel ist eine der Schülerinnen, die das Training absolviert hat. „Ich will helfen können, wenn jemand auf der Straße angegriffen wird", sagt die 13-Jährige. „Aber in vielen Situationen bringt man sich damit selber in Gefahr." Dieser Gedanke hindert viele Menschen daran, in Gewaltsituationen einzugreifen - und das nicht erst seit dem Tod von Dominik Brunner in Solln.

Dabei ist die Lösung einfach: Andere Menschen direkt ansprechen, sie auf den Konflikt aufmerksam machen, Hilfe holen – das kann jeder tun, ohne sich selbst zu gefährden. Stefanie hat im Präventionsunterricht viel gelernt. „Wir haben Situationen nachgestellt, zum Beispiel einen Überfall im Bus. Da habe ich gemerkt, wie sich Hilflosigkeit anfühlt – auch wenn man nicht selber das Opfer ist.“

Die Polizei hat das Programm „Zammgrauft" vor acht Jahren ins Leben gerufen. Inzwischen haben sich 1700 Multiplikatoren ausbilden lassen: Lehrer, Schulpsychologen, Sozialarbeiter. Der Kurs kommt so gut an, dass die Wartezeit für die Trainerausbildung ein halbes Jahr be-trägt. In Rollenspielen erleben die Jugendlichen, was es bedeutet, von einer Gruppe ausgegrenzt zu werden. „Mobbing ist auch eine Form von Gewalt", betont Ute Sterner.

Sie will erreichen, dass ihre Schülerinnen ein Gespür für die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt bekommen. Eine Mutter, die ihr Kind anschreit, sexuelle Belästigung in der U-Bahn, Ausgrenzung auf dem Pausenhof. Sie will, dass die Jugendlichen hellhörig werden und ein Bewusstsein für Unrecht entwickeln. „Lieber einmal zu viel Alarm schlagen als einmal zu wenig", ist ihr Credo.

Die Lehrerin unterrichtet normalerweise Biologie und Sport. „Schon mit den ganz Kleinen machen wir in der Turnhalle Vertrauensspiele – die sollen von klein auf erfahren, was es heißt, sich auf andere verlassen zu können."

„Man wird immer vor Zivilcourage zurückschrecken, wenn man alleine ist", räumt Ute Sterner ein. „Aber in der Gruppe geht Helfen ganz leicht. Das wollen wir unseren Schülerinnen vermitteln."

Stefanie Löbel fühlt sich besser gewappnet, seit sie am Kurs „Zammgrauft" teilgenommen hat. Sie kann sich nicht mehr vorstellen, zuzusehen, wenn jemand in Not gerät. Wenn das ein 13-Jähriges Mädchen sagt, ist bereits viel getan.

Ansprechpartner: Ralph Kappelmeier, Kommissariat 314, Ettstraße 2, Tel. 089/ 2910 - 0

Julia Stanek

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