Interview

Benediktinerabtei St. Bonifaz: "Unser Pfarrsaal als Impfzentrum"

Martin Glaab von der Benediktinerabtei St. Bonifaz in München und Andechs über die Situation von Wohnungslosen in der Corona-Pandemie.
von  Laura Meschede
Ein beeindruckender Bau zwischen Hauptbahnhof und Königsplatz - und ein Ort der Hilfe für Obdachlose: St. Bonifaz.
Ein beeindruckender Bau zwischen Hauptbahnhof und Königsplatz - und ein Ort der Hilfe für Obdachlose: St. Bonifaz. © imago/imagebroker

Im AZ-Interview spricht Martin Glaab über die schwierige Lage der Obdachlosen während der Pandemie in München.

AZ: Herr Glaab, kürzlich wurde der Pfarrsaal von Sankt Bonifaz zu einem Impfzentrum umgebaut. Warum?
MARTIN GLAAB: Die Impfaktion richtete sich an wohnungslose Menschen in München. Organisiert wurde sie von der Caritas. Es war das zweite Mal, dass wir eine derartige Aktion durchgeführt haben: Schon im Mai haben wir den Pfarrsaal zwischenzeitlich zum Impfzentrum für Wohnungslose umfunktioniert. Denn für diese Menschen ist die Pandemie besonders gefährlich.

Die Situation in München wird seit 30 Jahren nicht besser

Woran liegt das?
Ohne Obdach zu sein, ist für den Körper enorm anstrengend. Wohnungslose haben oft Vorerkrankungen und sind den ganzen Tag der Witterung ausgesetzt. Wenn dann noch eine Pandemie obenauf kommt, dann ist das für den Körper, der sowieso schon geschwächt ist, sehr gefährlich. Und dazu kommt: Viele wohnungslose Menschen haben keine Krankenversicherung.

Martin Glaab von der Benediktinerabtei St. Bonifaz.
Martin Glaab von der Benediktinerabtei St. Bonifaz. © ho

Wie hat sich die Situation von Wohnungslosen in der Pandemie verändert?
Natürlich spüren wir aktuell die Auswirkungen der Pandemie in unseren Angeboten: Wegen der Hygienerichtlinie können wir nicht so viele Leute auf unser Gelände lassen. Nicht in die Kleiderkammer, nicht in die Arztpraxis, nicht zur Essensausgabe. Die Menschenschlangen vor der Tür unserer Abtei sind lang. Aber insgesamt hängen die Probleme nicht einfach an der Pandemie: Die Situation von Menschen, die in München am unteren Existenzminimum leben, wird seit 30 Jahren nicht besser.

Das größte Problem ist der Wohnraum

Woran zeigt sich das?
Zum Beispiel an der Krankenversicherung: Unter den Leuten, die zu uns kommen, ist der Anteil an Krankenversicherten seit Jahren rückläufig. 2019 waren knapp 52 Prozent von ihnen ohne Versicherung. Das größte Problem ist aber der Wohnraum: Es fehlt seit Jahren an Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Von den Leuten, die wir in der Obdachlosenhilfe betreuen, leben mehr als fünfzig Prozent auf der Straße.

Wie wurde die Impfaktion in der Abtei angenommen?

Sehr gut. Bislang haben wir knapp 350 Leute geimpft. Allerdings nicht nur zu den großen Impfaktionen. Wir impfen auch in der herkömmlichen Sprechstunde bei uns in der Praxis innerhalb der Abtei. Wohnungslose und Menschen ohne Krankenversicherung können jederzeit einfach bei uns vorbeikommen, um sich impfen zu lassen.

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