Beim Wohnraum fehlt in München das Geld: Aber Sport sponsert die Stadt mit Millionen

München - Boris Becker und Roger Federer haben schon auf den Plätzen im Norden des Englischen Gartens gespielt. Der Münchner Tennisclub MTTC Iphitos hat hier seine Anlage. Jedes Frühjahr finden hier die BMW Open statt. Bisher ein eher kleineres Turnier mit 4000 Zuschauern.
Schon bald soll alles deutlich größer werden: Der Club plant am Englischen Garten ein neues Stadion, in dem 7300 Menschen Platz haben. Das Preisgeld soll auf rund 2,5 Millionen Euro steigen. Die Gesamtkosten für den Neubau liegen bei 28,73 Millionen Euro. Fertig soll er spätestens Anfang 2028 sein. Der Münchner Stadtrat hat am Mittwoch entschieden, 30 Prozent der Kosten zu übernehmen. Dazu muss man wissen: Die Stadt fördert normalerweise keine Profis, sondern bloß die Hobby-Sportler.
Neues Tennisstadion in München: Auch OB Dieter Reiter sprach sich dafür aus
Doch jetzt war eine Mehrheit des Stadtrats trotzdem bereit, 8,6 Millionen auszugeben. Den Vorschlag dafür machte Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU). Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich anscheinend dafür eingesetzt. Zumindest sagt Marc Tenbücken, der im Vorstand des Clubs sitzt: "Der OB und der Referent haben für uns gestritten."
Mehr Bauchschmerzen bei dieser Entscheidung hatten die Grünen. "Begeisterung sieht anders aus", sagte Stadtrat Beppo Brem, der bei den Grünen für Sportpolitik zuständig ist. Denn dem Stadtrat sei die Beschlussvorlage sehr kurzfristig übermittelt worden. Die Grünen stimmten aber doch zu.
Härter fällt die Kritik der Linken-Fraktion aus. "Mit Breitensportförderung hat das nichts mehr zu tun. Das ist eine durch und durch kommerzielle Veranstaltung", sagt Stadtrat Thomas Lechner (parteilos). Marc Tenbücken vom Tennis-Club verweist darauf, dass die rund 1500 Vereinsmitglieder auf den Plätzen spielen könnten, wenn kein Turnier stattfindet. Die BMW Open dauern etwa eine Woche.
Aber auch sonst bleibt die Anlage am Englischen Garten den meisten Münchnern wohl eher verschlossen. Es sei denn, ihr Konto ist gut gefüllt. Die Aufnahmegebühr beträgt 1760 Euro, der jährliche Mitgliedsbeitrag 1012 Euro. Zum Vergleich: Beim FC Alte Haide liegt der Jahresbeitrag bei 156 Euro. "Wir sind kein Reichen-Club", betont Marc Tenbücken vom MTTC Iphitos zwar. Lechner hingegen fragt: "Wer kann sich das in München leisten?"
Linken-Fraktion: "Münchner Bolzplätze statt Luxus-Courts!"
Aus seiner Sicht hätte die Stadt das Geld besser in Bolzplätze investiert, auf denen alle Kinder hätten spielen können. Der Verein hätte den Bau durch private Sponsoren finanzieren müssen, findet Lechner außerdem. Bei der Größenordnung sei das völlig illusorisch, entgegnet Tenbücken. Ohne das Geld der Stadt könnte der Club die neue Anlage aus seiner Sicht nicht bauen. Und ohne den neuen Center Court könnten wohl gar keine großen Turniere in München mehr stattfinden.
Denn die Kategorie "ATP 250", unter der jetzt Turniere in München ausgetragen werden, wird abgeschafft. Und für die größere Kategorie "ATP 500" muss auch ein größeres Stadion her.
Allerdings: Die Zeiten, in denen das Geld bei der Stadt locker saß, sind eigentlich vorbei, hört man immer wieder. Trotzdem sind plötzlich 8,6 Millionen da? Wichtig sei den Grünen gewesen, dass der städtische Haushalt für den Zuschuss nicht ausgeweitet und dass kein anderer Verein benachteiligt wird, erklärt Beppo Brem. Beides passiere nicht.
Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU): 3,7 Millionen Euro Einnahmen durch Tennis-Turnier
Tatsächlich fließt der größte Teil des Geldes (7,3 Millionen) aus dem Budget des Planungsreferats – also die Behörde, die in München eigentlich Wohnraum schaffen soll. Ein großes Turnier in München sei auch ein Wirtschaftsfaktor, sagt Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). Mit einem touristisch bedingten Umsatz von 3,7 Millionen Euro rechnet der Wirtschaftsreferent.
Dietl verweist außerdem darauf, dass es ein Zeichen sei, dass die Stadt nicht immer bloß den Fußball im Blick habe. Einig ist sie sich mit Brem auch darin: Auch die Breitensportler motiviert es, wenn die großen Stars, die neuen Boris Beckers, bei ihnen daheim spielen.