Bei OP Nerv durchtrennt: Seit 14 Jahren Schmerzen

Hermann Steinauer aus Mühldorf kämpft um eine Entschädigung: Doch die Klinik und die Gerichte sagen, dass der Fehler normales OP-Risiko war.
von  John Schneider
Eine zuckende Narbe ist Hermann Steinauer von der OP geblieben.
Eine zuckende Narbe ist Hermann Steinauer von der OP geblieben. © jot

Hermann Steinauer kämpft um eine Entschädigung: Doch die Klinik und die Gerichte sagen, dass der Fehler normales OP-Risiko war.

München Hermann Steinauer (76) hat eine Zahl parat, wenn es gilt, sein Leiden in Zahlen zu fassen. „Ich habe seitdem über 12 000 Tabletten geschluckt.“ Über 12 000 Schmerztabletten, weil vor 14 Jahren eine OP fürchterlich schief ging.

Der Mühldorfer war im Februar 2001 von der Leiter gestürzt. Ein Lendenwirbel ist gebrochen und abgesplittert. Eine Querschnittslähmung droht. Doch es dauert elf Tage bis er operiert wird. Ein Nerv wird dabei durchtrennt. Seither leidet er unter chronischen Schmerzen. Als er beim Besuch in der AZ-Redaktion sein Hemd hochzieht, ist die stark zuckende Narbe am Rücken noch immer deutlich zu sehen.

„Ich kann nichts mehr machen. Selbst das Gehen bereitet mir große Schmerzen“, erklärt der 76-Jährige. Vor der OP war Steinauer ein begeisterter Sportler. Kegeln, Radfahren, Schwimmen – alles passé.

Die Ärztekammer attestierte einen Arztfehler. Aber: Nach Ansicht der Klinik gehörte dies zum Operationsrisiko. Die Klinik bot ihm 3000 Euro an, ein Gericht erhöhte später auf 5000 Euro. Hermann Steinauer lehnte den Vergleich ab. „Ärzte, Anwälte, Gutachter und Gerichtskosten haben sich inzwischen auf 60 000 Euro summiert“, begründet er seine Verweigerung.

Doch sein Kampf um Entschädigung bleibt vergeblich. Die Klinik zieht sich immer wieder erfolgreich auf die Einwilligung zur OP zurück. Über die möglichen Gefahren sei gesprochen worden, der Patient also ausreichend aufgeklärt worden.

Nach mehreren juristischen Niederlagen zieht Steinauer vors Münchner Oberlandesgericht. Aber auch hier unterliegt er. „’Keine Erfolgsaussichten’ haben sie mir mitgeteilt“, erinnert sich Steinauer an diesen bitteren Moment.

Er begann anderswo Hilfe zu suchen. Und begegnete Martin Huber. Der CSU-Politiker befand sich damals im Wahlkampf für den Landtag. Doch er nahm sich Zeit für Steinauer. Der Fall berührte ihn.

Der inzwischen in den Landtag gewählte Huber macht sich schlau, findet heraus, dass Steinauer nicht allein steht. Jährlich etwa 40 00 Patienten beanstanden ihre Behandlung. Die Dunkelziffer dürfte seiner Meinung nach weitaus höher sein.

Doch vor den Gerichten ist es oft schwierig den Medizinern grobe Behandlungsfehler nachzuweisen. Die sind aber notwendig, um die finanziellen Forderungen der Patienten zu begründen.
Helfen könnte ein staatlicher Entschädigungsfonds. Damitwürden Opfer unterstützt werden – auch wenn dem jeweiligen Mediziner ein grober Fehler nicht hundertprozentig nachgewiesen werden kann.

Für Hermann Steinauer wäre das die letzte Chance, eine angemessene finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Martin Huber spricht mit Ministern, schreibt auch nach Berlin. Denn ein rein bayerischer Fonds würde wohl rechtliche Problem mit sich bringen. Er macht seinen Parteifreunden deutlich, dass Steinauer nicht nur körperlich leidet: „Hinzu kommt die große psychische Belastung, die durch die Hilflosigkeit gegenüber einem Facharzt und den Gerichten und die dauernden Schmerzen entsteht.“ Steinauer sei ein „schweres Leid“ zugefügt worden, findet der Abgeordnete.

Gibt es vielleicht doch noch ein Happy End? Hermann Steinauer, das ist klar, wird jedenfalls nicht aufgeben.

 

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