Bei Helene Fischer spielt sie die erste Geige
Die Münchner Violinistin Michaela Danner (31) spielte für Helene Fischer und James Last. Derzeit versucht sie, ihr erstes Solo-Album per Crowdfunding zu finanzieren. Die Geschichte einer Musikerin, der das, was sie macht, nie gut genug ist.
München - Kurz vor dem Eingang in die Katakomben des Olympiastadions spricht sie ein junger Mann an. Schüchtern. Er knickst fast vor ihr. Ob es denn möglich sei, ein gemeinsames Foto? Er hält ihr sein Smartphone vor die Nase.
Sie nickt, sagt: „Na klar.“ Nimmt ihren Geigenkasten vom Rücken, stellt sich neben den Fan in blaukarierten Shorts. Lächelt mit ihm in die Handy-Kamera. Er sagt danke, sie nickt freundlich, nimmt die Geige wieder auf den Rücken.
Weiter geht’s, sie hat es eilig. Gleich ist Generalprobe. Der Pass, den sie trägt, erlaubt ihr ungehinderten Zugang zu allen Stadionbereichen. Am Abend wird Michaela Danner hier in knappen Jeans-Shorts vor über 55 000 Leuten stehen.
Sie ist die Chef-Violinistin von Helene Fischer – und versucht gerade, per Crowdfunding ihr erstes Solo-Album zu finanzieren. Am Abend zuvor hat sie noch für Matthias Reim gespielt. Irgendwo weit hinter Berlin, sie sagt, am Ende der Welt. Zwei Stunden hatte die Rückfahrt zum Flughafen am Morgen danach gedauert. Und dann hatte der Flieger Verspätung.
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Die Zeit wird knapp. Ein Taxi bringt sie direkt zum Stadioneingang. Da steht sie dann im halbkurzen schwarzen Kleid mit weißen Punkten, Ankle Boots an den Füßen. Schlank, zart, mit heller Haut, dunkelbraunen Locken, roten Fingernägeln. Das Gegenteil von dem, was sich an diesem Tag blondiert, gesträhnt und kräftig geschminkt durchs Olympiagelände schiebt.
Beim Schlager lernte sie, „wie qualitativ gute Musik gemacht wird“
Man würde die gebürtige Münchnerin eher in einer Indie-Band vermuten, Folk-Pop oder Singer/Songwriter. Nicht beim Schlager. Michaela Danner gibt auch zu, dass Schlager nicht das ist, was sie privat hört. „Das ist Auftragsarbeit“, sagt sie. Aber das soll bitte nicht falsch verstanden werden.
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Da ist nichts Herablassendes in ihrer Stimme oder ihrer Mimik. „Ich habe hier kennenlernen dürfen, wie qualitativ gute Musik gemacht wird“, sagt sie. „Das schätze ich sehr.“ Logisch, bei ihrem musikalischen Background. Sie und ihre ältere Schwester, die heute klassische Pianistin ist, hatten schon sehr früh begonnen, Klavier zu lernen.
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Die klassikbegeisterten Eltern wollten und förderten das sehr. Zunächst in Laim, wo sie ihre ersten Lebensjahre verbrachte. Später dann in Gräfelfing, wo sie dann auch Abitur machte. Besser als das Klavier, erzählt sie, hat ihr aber schon immer die Geige gefallen. Eher ungewöhnlich für ein Kind, wie sie es damals noch war.
Darauf angesprochen hebt Michaela Danner die Schultern. Blickt ein bisschen unschlüssig. Klar, jetzt, heute, kann sie genau erklären, was sie an dem Streichinstrument fasziniert.
Ein Leben lang im Orchester sitzen? Nicht ihr Ding
„Man kann den Ton selber gestalten. So wie eine Stimme“, sagt sie.
Aber damals? Und dann eines Tages auch noch hauptberuflich? Nein, sagt sie, das stand ursprünglich nicht auf ihrem Plan. Ein „Leben lang“ im Orchester sitzen? War nie ihr Ding. Und öffentliche Auftritte fand sie als Kind wegen ihres Lampenfiebers so reizvoll, dass sie „stampfend im Zimmer stand“, wenn die Eltern sie mal wieder zum Vorspielen schicken wollten, zum Beispiel zu „Jugend musiziert“, das sie einmal sogar gewonnen hat. Andere würden platzen vor Stolz. Michaela Danner sagt, es war ja nur mit dem Klavier. Und: „Ich hatte kein überschwängliches Selbstbewusstsein.“
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Der Schwester und ihr sei auch lange gar nicht klar gewesen, dass „wir eigentlich gut sind“. Was auch daran liege, dass sie sehr kritisch mit sich sei. Nie ist das, was sie macht, gut genug. „Das ist schon anstrengend“, sagt sie. Lacht und seufzt.
„Man muss zwischendurch schon ein bisschen gnädig mit sich sein.“ Gelingt es ihr? „Heute kann ich Auftritte viel besser genießen“, sagt sie. „Auch danach.“ Weil sie nicht mehr jeden Fehler analysiert, der nun mal bei Live-Auftritten passieren kann. Und weil sie sich von der strengen Klassik verabschiedet hat, die sie „immer ein bisschen einengend“ empfand. Sie will Spaß auf der Bühne.
Sie schielt jetzt immer wieder mal nach vorne, zur Bühne des Olympiastadions, wo die Band Glasperlenspiel gerade ohrenbetäubend laut den Sound checkt. Danach ist sie dran, mit den Streichern, die sie für Helene Fischer zusammengesucht hat, mit den Arrangements und Noten, die sie extra für diese Tour geschrieben hat. Michaela Danner kann das. Weil sie neben Theaterwissenschaften und Psychologie auch noch Musikwissenschaften in München studiert hat und sich gleichzeitig am Freien Musikzentrum in Jazz-Geige und Popularmusik ausbilden ließ.
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Ihr Magister-Studium habe darum etwas länger gedauert, sagt sie. Fast entschuldigend. Wozu es keinen Grund gibt. Sie war ja selten da – in der Stadt, die ihr lange „zu gerade und zu sauber, zu korrekt und zu katholisch“ erschien. In der sie die kleinen Clubs vermisste und vermisst, die Szene für Pop-Musik, weshalb sie München auch mal für ein halbes Jahr mit Berlin eintauschte.
„Ich habe über München geschimpft“, gibt sie zu. „Und bin jetzt doch immer noch da.“ Gerne sogar. Weil die Berge so nahe sind. Und sie auf dem Balkon der Wohnung in Neuhausen, die sie mit ihrem Freund, einem Fotografen, teilt, ihre Ruhe hat. Allzu oft kommt das allerdings nicht vor.
Irgendwann war der Wunsch da, eigene Songs zu schreiben
Denn während des Studiums fing sie an, für andere Künstler zu arbeiten. Für Nevio, der einstmals knapp davor war, Deutschlands Superstar zu werden. Für die Sportfreunde Stiller. Für Fiva Sonnenberg, in deren Video zu „Dein Lächeln“ Michaela Danner an der Geige zu sehen ist. Damals noch mit langen Haaren.
Für Matthias Reim. Für James Last, den sie gerade auf dessen allerletzter Tour begleitete und von dem sie sagt: „Ein toller Mensch.“
Mit der Zeit spielte die Violinistin nicht mehr nur für die anderen, sie begann auch, deren Streicher-Parts zu schreiben und zu arrangieren und das passende Musiker-Personal zusammenzusuchen. Schließlich kam der Anruf aus dem Umfeld von Helene Fischer, die ihr die Leitung für die Streicher übertrug.
Darauf ist sie dann doch ein bisschen stolz. Doch irgendwann war der Wunsch da, eigene Songs zu schreiben. Mit eigenen Texten, von ihr gesungen. Michaela solo. Kein Violin-Album, sondern „deutscher Mainstream-Pop“. Denn das hört Michaela Danner privat.
Dafür hat sie ein Crowdfunding-Projekt gestartet. Sie will relativ unabhängig sein, sich nicht reinreden lassen, den oder die Wunsch-Produzenten und Musiker selbst bezahlen können. Zeigen, wer sie ist. Außerdem: „Ich bekomme ein erstes Feedback, ob meine Songs bei den Leuten ankommen.“
Die Resonanz nach den ersten Tagen zeigt: Sie kommen an. Gut sogar. Vorne hat Glasperlenspiel seinen Soundcheck beendet. Michaela Danner muss jetzt los. Sie packt ihren Geigen-Koffer auf den Rücken, nimmt ihre Wasserflasche, verabschiedet sich, geht dann Richtung Bühne. Konzentriert. Vor 55 000 Menschen spielt man nicht jeden Tag. Da muss alles gut laufen. Denn Fehler mag sie nicht.
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