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Bei Demo der "Letzten Generation": Harald Lesch wettert gegen Polizei-Razzia

Großer Protest der "Letzten Generation" nach der Polizei-Razzia: "Solidarität schlägt Repression" und "Gegen Razzias wegen nix": So stand es auf zahlreichen Plakaten der über 500 Protestierenden, die am Donnerstagabend durch die Innenstadt gezogen sind.
von  Clara Westhoff
Harald Lesch bei der Demonstration für die "Letzte Generation" am Donnerstagabend in München.
Harald Lesch bei der Demonstration für die "Letzte Generation" am Donnerstagabend in München. © Screenshot "Letzte Generation" / Twitch

München - Bayerische Terror-Ermittler haben Wohnungen von Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" durchsucht und die Organisation ohne gerichtliches Urteil als kriminelle Vereinigung bezeichnet – dagegen wurde am Donnerstagabend in München spontan demonstriert.

"Letzte Generation": Münchner solidarisieren sich mit Klima-Bewegung

Über 20 Mannschaftsbusse der Münchner Polizei standen rund um den Marienplatz bereit. Als sich der Protestmarsch der "Letzten Generation" um 19.30 Uhr vor dem Alten Rathaus in Bewegung setzte, war schnell klar – eingreifen muss die Polizei nicht.

Friedlich zogen die 500 Protestierenden über das Tal zum Altstadtring, an der Staatskanzlei und am Haus der Kunst vorbei, bis sie gegen 21.30 Uhr den Odeonsplatz erreichten.

Protestmarsch der "Letzten Generation": Warum war der Protest so leise?

Der spontane Umzug lief nicht nur friedlich, sondern fast beängstigend still ab. Ganz ohne Parolen und Musik? Ja, bestätigt die 27-jährige Klima-Aktivistin Nina, die Tiktok-Videos für die "Letzte Generation" dreht. Diese Art von Protest sei ein niedrigschwelliges Angebot für alle, die sich wie sie selbst zwar solidarisch zeigen, aber nicht an der Straße festkleben wollen.

Während bei "Fridays for Future" laute Techno-Musik läuft, ist den Aktivisten hier nicht nach fröhlicher Stimmung: "Das ist keine Wohlfühlveranstaltung, wir sind hier nicht zum Spaß, sondern weil wir wütend und verzweifelt sind."

Nina produziert für die "Letzte Generation" Tiktok-Videos. Auch beim Protestmarsch am Donnerstagabend hat sie gefilmt.
Nina produziert für die "Letzte Generation" Tiktok-Videos. Auch beim Protestmarsch am Donnerstagabend hat sie gefilmt. © Clara Westhoff

"Letzte Generation": Plötzlich kriminell?

Im Wintersemester will Nina Pädagogik studieren, mit kriminellen Tätigkeiten will und darf sie daher nichts zu tun haben. "Umso schockierter war ich, als ich gestern gesehen habe, dass auf unserer Website steht, wir seien eine kriminelle Vereinigung." Wie konnte das passieren?

Der Protestmarsch auf Höhe der Bayerischen Staatskanzlei.
Der Protestmarsch auf Höhe der Bayerischen Staatskanzlei. © Clara Westhoff

Razzien, eingefrorene Konten und ein fehlerhafter Hinweis

Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt gegen sieben Aktivisten der Organisation. Es wurden Wohnungen in sieben Bundesländern durchsucht, Konten beschlagnahmt und die Website der "Letzten Generation" eingefroren.

Dort konnte man am Mittwoch einige Stunden lang folgenden Hinweis lesen: "Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar! (Achtung: Spenden an die Letzte Generation stellen mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung dar!)"

Generalstaatsanwaltschaft München räumt Fehler ein

Obwohl es mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gibt, fehlt noch ein entsprechendes Gerichtsurteil.

Auf NDR-Anfrage räumte die Generalstaatsanwaltschaft München ein, dass die Formulierung unzutreffend sei und derzeit lediglich der Anfangsverdacht bestehe, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte.

Jakob ist Aktivist bei der "Letzten Generation".
Jakob ist Aktivist bei der "Letzten Generation". © Clara Westhoff

Polizei-Razzia gegen "Letzte Generation": "Das ist stümperhaft"

Dazu kann der 40-jährige Klima-Aktivist Jakob beim Protestmarsch in München nur den Kopf schütteln: "Da wurde ein Gerichtsurteil vorweggenommen, das ist stümperhaft. Ich weiß nicht, ob das ein besoffener Praktikant war, aber das darf dem Staatsdienst nicht passieren." Er will bei dem Marsch ein Zeichen gegen den Umgang der Justiz mit zivilen Widerstandsbewegungen setzen.

Protestmarsch der "Letzten Generation": Viele sind zum ersten Mal dabei

Der 25-jährige Student Kasimir ist zum ersten Mal bei einer Protestaktion der "Letzten Generation" dabei. Er sagt: "Klimaschutz bekommt momentan nicht den Stellenwert, den er bekommen sollte. Bei den richtigen Stilmitteln, um diese Belangen einzufordern, bin ich mir selber nicht hundert Prozent sicher.

Ein Stück weit dürfe ziviler Ungehorsam dazugehören – solange er nicht gewaltvoll werden würde.

Student Kasimir ist zum ersten Mal bei einer Protestaktion der "Letzten Generation" dabei. Fürs Klima engagiert er sich aber schon länger, er war beispielsweise bei dem Klima-Camp auf der Theresienwiese dabei.
Student Kasimir ist zum ersten Mal bei einer Protestaktion der "Letzten Generation" dabei. Fürs Klima engagiert er sich aber schon länger, er war beispielsweise bei dem Klima-Camp auf der Theresienwiese dabei. © Clara Westhoff

Prominente Unterstützer: Harald Lesch demonstriert für "Letzte Generation"

Die meisten kennen den Astrophysiker und Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch wahrscheinlich aus seiner Sendung "Leschs Kosmos" (ZDF) oder von Talkshowrunden, in denen er sich deutlich für klare Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel ausspricht.

Am Donnerstag war Lesch auch beim Protestmarsch in München mit dabei und fand deutliche Worte, wie ein Interview aus dem Livestream der "Letzten Generation" zeigt. "Jetzt muss man euch unterstützen nach dieser Scheiße", hört man Lesch gegenüber einem Aktivisten der "Letzten Generation" sagen, der ihn kurz darauf interviewt. Es sei eine rote Linie überschritten worden. Man müsse zwar ihren Aktionen nicht immer zustimmen, so Lesch. Aber "was jetzt passiert ist, geht auf keinen Fall".

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Am Rand der Demo: Mann zeigt Hitlergruß

Wie die Polizei am Freitag mitteilte, hat am Rand der Demo im Tal ein Mann aus einem Wohnhaus heraus den Hitlergruß gezeigt. Die Polizei fand in der Wohnung 15 Personen, konnte aber keinen Täter feststellen, wie sie selbst sagt. Abgesehen davon verlief die Demo aus Polizeisicht ohne Probleme.

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