Beate Zschäpes Mutter schweigt

Beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht verweigert die 61-Jährige die Aussage. Dafür spricht der Cousin der Angeklagten.
von  Natalie Kettinger
Die Mutter der Hauptangeklagten im NSU Prozess, Annerose Zschäpe, hat die Aussage verweigert.
Die Mutter der Hauptangeklagten im NSU Prozess, Annerose Zschäpe, hat die Aussage verweigert. © dpa

 

Beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht verweigert die 61-Jährige die Aussage. Dafür spricht der Cousin der Angeklagten.

München - Sie ist eine unscheinbare Frau mit Brille, durch deren schwarzes Haar sich silberne Strähnen ziehen. Mittelgroß, mittelschlank, dunkles Jeanshemd, helle Hose. Auf der Straße würde sie nicht weiter auffallen – aber als sie in den Zeugenstand tritt, sind alle Augen auf sie gerichtet. Es herrscht Stille im Saal 101 des Münchner Oberlandesgerichts. Journalisten, Zuschauer, Juristen, alle wollen hören, was die Mutter der Hauptangeklagten im NSU-Prozess zu sagen hat. Doch Annerose Zschäpe (61) schweigt.

Es ist ein kurzes, eisiges Wiedersehen zwischen Mutter und Tochter. Die Jüngere hat die Arme in Abwehrhaltung vor der Brust verschränkt und starrt geradeaus. Die Ältere fixiert den Vorsitzenden, die Blicke der Frauen begegnen sich nicht.

„Sie sind die Mutter der Angeklagten?“, fragt Richter Manfred Götzl. „Ja“, antwortet Annerose Zschäpe leise. „Wollen Sie Angaben machen?“ Will sie nicht. Ob ihre Aussagen bei der Polizei im Prozess verlesen werden dürfen? „Nein“, sagt die Mutter. Dann verlässt sie das Gericht.

Eine gebrochene Frau, die zwei Studiengänge (Zahnmedizin und Ingenieurökonomie) absolviert und beruflich trotzdem nie Fuß gefasst hat. Die zwei Mal verheiratet war und heute in einer Zweizimmerwohnung mit ihrer kranken Mutter lebt. Die als 22-Jährige von einem rumänischen Zahnarzt schwanger wurde, der die Tochter bis zu seinem Tod nicht anerkannte. Die Tochter, der nun Mittäterschaft an zehn Morden vorgeworfen wird.

Bei ihrer Vernehmung durch Beamte des Bundeskriminalamtes im November 2011 war Annerose Zschäpe deutlich gesprächiger gewesen. Da hatte sich ihre Tochter gerade gestellt, nach 14 Jahren im Untergrund, in denen die Zschäpe-Frauen keinen Kontakt zueinander hatten. Ihr Verhältnis sei schon vorher „verhärtet gewesen“, erzählte die Mutter den Ermittlern. Man habe einander nicht mehr vertraut. „Die politische Einstellung meiner Tochter war nicht der ausschlaggebende, jedoch ein sehr bedeutender Grund für unser Zerwürfnis“, so die Mutter, deren Aussagen nun nicht im Prozess verwendet werden dürfen.

Vermutlich entschied sich Annerose Zschäpe dazu, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, um ihre Tochter nicht zu belasten. Die Bundesanwaltschaft wirft der 38-Jährigen vor, ein – neben Uwe Mundlos († 38) und Uwe Böhnhardt († 34) – gleichberechtigtes Mitglied des NSU-Trios und damit Mittäterin gewesen zu sein. Dazu hätte gepasst, was die Mutter 2011 zu Protokoll gegeben hatte: Beate sei nicht gerade „leicht beeinflussbar“ gewesen und habe ihre Meinung stets konsequent vertreten. Nach einer ahnungslosen Mitläuferin klingt das nicht.

Auch Stefan A. (39), Beate Zschäpes Cousin, schildert sie am Mittwoch im Prozess als äußerst selbstbewusst: „Die hat sich von niemandem etwas aufzwingen lassen.“ Sonst bringt seine Vernehmung wenig Neues, obwohl beide in Jena aufgewachsen sind, im selben Jugendclub verkehrten und zur selben rechten Clique gehörten. Der Maler scheint sich jedoch hauptsächlich für Alkohol und Partys interessiert zu haben und nicht für das, was in seinem direkten Umfeld geschah.

Richter Götzl: „Wie war das Verhältnis zwischen Beate Zschäpe und ihrer Mutter?“ Stefan A.: „Weiß ich nicht.“ – „Hat Ihre Cousine ihre Ausbildung abgeschlossen?“ – „Keine Ahnung.“ – „Welche Schule hat sie besucht?“ – „Eine ganz normale.“ – „Welche Einstellung hatten Sie?“ – „Wie Vorstellung? Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen alles, halt.“ Stundenlang geht das so.

Zuletzt lässt sich A. doch noch ein paar Details entlocken. Mundlos habe einmal einer „Zigeunerin“ ein Stück Kuchen an den Kopf geworfen. Außerdem habe er am Computer Flugblätter und Hetzgedichte gegen Ausländer geschrieben, erzählt Stefan A. Böhnhardt sei ein Waffennarr gewesen, der ständig eine Schreckschusspistole dabei hatte. Irgendwann hätten die Uwes (und damit auch Beate) den Kontakt zu ihm abgebrochen. „Uwe Mundlos war mit meiner Lebenseinstellung nicht einverstanden, ich habe getrunken und Party gemacht – er hat mich als Asi bezeichnet.“

Die Uwes hätten plötzlich kaum noch Alkohol getrunken und seien mit Beate zu Parteitagen und Demos gefahren. Uwe Mundlos habe sich in die politischen Aktionen regelrecht „reingesteigert“, so Zschäpes Vetter. Stefan A. soff und feierte lieber weiter mit seinen Skinhead-Freunden. „Party, Spaß und ab und zu ’ne Prügelei: Das war unsere Lebensweisheit“, sagt er – und meint wohl „Lebensmotto“.

 

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