Beate Zschäpe: Ihre letzten Worte im NSU-Prozess

Finale im NSU-Prozess: Kommenden Mittwoch soll im Münchner Mammut-Verfahren endlich das Urteil fallen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe distanziert sich erneut von den Morden.
von  Natalie Kettinger
Sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft: Beate Zschäpe. Foto: dpa
Sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft: Beate Zschäpe. Foto: dpa

München - Sie hat 14 Jahre lang mit zwei Männern im Untergrund gelebt, die zehn Menschen ermordet und drei Sprengstoffanschläge begangen haben - und will von all dem stets erst im Nachhinein erfahren haben: Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht, in dem kommenden Mittwoch das Urteil gesprochen werden soll (der NSU-Prozess - eine Chronologie).

In ihrem Schlusswort blieb die 43-Jährige am Dienstag bei dieser Schilderung und beschrieb sich als Opfer einer Vorverurteilung durch die Medien: Jedes Wort werde ihr falsch ausgelegt. "Bitte verurteilen Sie mich nicht für etwas, das ich nicht getan habe", sagte sie an die Richter gewandt.

Beate Zschäpe im NSU-Prozess: Hohe Stimme, graues Gesicht

Bislang hat sich Beate Zschäpe in dem mehr als fünf Jahre dauernden Mammut-Verfahren kaum geäußert. Im Dezember 2015 ließ sie einen ihrer Anwälte eine Erklärung verlesen. Ende September 2016 ergriff sie erstmals persönlich das Wort: Sie bedauere ihr "Fehlverhalten", sagte sie damals, und dass sie verurteile, was ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Opfern "angetan haben". Als sie nun zu sprechen beginnt, wirkt Zschäpe gefasst. Sie liest ihren Text vom Blatt ab. Beim Verfassen hat angeblich keiner ihrer fünf Anwälte geholfen. Ihre Stimme ist hoch, fast mädchenhaft, ihr Gesicht in der Untersuchungshaft grau.

Die Prozessführung und die Berichterstattung hätten sie verunsichert, sagt Zschäpe. Sie sei nicht so selbstsicher, wie stets behauptet werde. "Mir fehlt es an den körperlichen und seelischen Kräften, es fällt mir schwer, nach Jahren der Haft zu reden, ich habe Konzentrationsstörungen." Im Prozess habe sie geschwiegen, weil "ich mich schon immer schwer getan habe, öffentlich zu sprechen". Ihre vermeintliche Gefühlskälte sei ein anerzogenes Verhalten, das ihr nun "negativ ausgelegt" werde.

"Ich wollte und will die Verantwortung für die Dinge übernehmen, die ich selbst verschuldet habe, und entschuldige mich für das Leid, was ich verursacht habe. Ich bedauere das Leid der Angehörigen, die einen geliebten Menschen verloren haben." Sie habe sich 2011 nach dem Selbstmord ihrer Freunde nicht gestellt, um zu schweigen, behauptet Zschäpe - und lässt die brennenden Fragen der Hinterbliebenen dennoch offen. "Ich habe und hatte keine Kenntnis darüber, warum genau diese Menschen an genau diesen Orten ausgewählt wurden."

Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft für Zschäpe

Immerhin eine Frage beantwortet sie. Die Mutter von Halit Yozgat († 6. April 2006) hatte im Prozess wissen wollen, ob sie noch ruhig schlafen könne. Dazu Zschäpe: "Ich bin ein mitfühlender Mensch und habe den Schmerz, die Wut und Verzweiflung sehen und spüren können, es belastet mich bis heute. Ich bin entsetzt und erschüttert." Sie habe sich in der Wendezeit von der rechten Ideologie mitreißen lassen, distanziere sich aber jetzt davon. Am Ende bittet sie das Gericht, nicht unter "politischem Druck" zu urteilen.

Die Nebenkläger nehmen Zschäpe ihr Bedauern nicht ab. "Die letzten Worte enthielten nichts Neues. Die übliche inhaltsleere und unglaubhafte Distanzierung", sagt etwa Rechtsanwalt Peer Stolle.

Die Bundesanwaltschaft sieht Zschäpe als Mittäterin und fordert lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Ihre drei Pflichtverteidiger halten lediglich eine Strafe für einfache Brandstiftung - Zschäpe hat die letzte Wohnung des Trios angezündet und das auch gestanden - für angebracht. Ihre beiden Wunschverteidiger halten höchstens zehn Jahre Haft wegen Beihilfe bei zahlreichen Überfällen für gerechtfertigt.

NSU-Prozess: Urteil fällt am 11. Juli

Nach Zschäpe spricht am Dienstagmorgen Holger G. Er entschuldige sich bei den Angehörigen und hoffe auf ein mildes Urteil, sagt er knapp. Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben findet, er habe seiner im Prozess vorgetragenen Erklärung nichts hinzuzufügen. André E. bleibt stumm.

"Ich bin damals auf der Suche nach mir selbst in die falsche Richtung gelaufen. Ich habe einen Fehler gemacht, der mich nun wieder einholt", sagt Carsten S. mit tränenerstickter Stimme.

Er müsse nun lernen, mit diesem Fehler und der Schuld zu leben. Dass sich die Hinterbliebenen von Enver Simsek († 11. September 2000), Theodoros Boulgarides († 15. Juni 2005) und Mehmet Kubasik († 4. April 2006) mit ihm getroffen hätten, bedeute ihm sehr viel.

Den vier Männern drohen teils langjährige Haftstrafen.

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