Beate Zschäpe: Der eitle Auftritt der Nazi-Braut
Am ersten Tag vor Gericht zeigt Beate Zschäpe kein bisschen Reue und inszeniert einen Auftritt. Sie scherzt, schüttelt ihr Haar, wirkt selbstsicher, kühl und arrogant - und sieht sie aus wie eine kandidelte Karrierefrau.
München - Sie grinst, sie lächelt, sie gestikuliert, sie fährt sich durch die frisch gefärbten Haare. Es ist eine gespenstische Szene, die sich an diesem Morgen im Sitzungssaal A 101 abspielt. Beate Zschäpe hat ihren großen Auftritt, und sie dreht der Öffentlichkeit den Rücken zu. So, als wollte sie beiläufig zeigen, was die Hauptperson vom Prozess des Jahres hält.
Mehr als ein Jahr lang musste das Land auf diesen Moment warten. Die Verletzten, die Familien der Toten wollten endlich der Frau ins Gesicht sehen, die zum Inbegriff rechten mörderischen Terrors geworden ist. Seit dem 8. November 2011 kannte man nur ihre Fahndungsfotos. Auf denen sieht sie teigig aus, plump, verbissen oder linkisch. Und dann gibt es die Bilder aus den Urlauben, die sie mit den Mordkumpanen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an der Ostsee verbracht hat. Beachparty und so...
Aber was ist das wirklich für eine Frau, wird sich Semiya Simsek gefragt haben. Sie hat ihren Vater verloren in Nürnberg vor 13 Jahren. Der Blumenhändler wurde erschossen, er war das erste Opfer von Böhnhardt und Mundlos. Jetzt sitzt seine Tochter Semiya in den Reihen der Nebenkläger und hält sich den schwangeren Bauch. Und vorne, vielleicht zehn Meter weg von ihr, da scherzt Beate Zschäpe mit ihren Anwälten, sie nimmt einen Drops.
Fast eine halbe Stunde geht das, bevor das Gericht kommt. Hier zeigt jemand Selbstbewusstsein, kaum verborgenes Vergnügen an der großen Aufmerksamkeit. Um kurz vor zehn Uhr war Zschäpe in den Sitzungssaal gehuscht. Wenn sie wirklich Hand- und Fußfesseln trug auf dem Weg aus Stadelheim, dann hat man sie ihr hier erspart. Schlank, grazil, aufrecht geht sie. Im schwarzen taillierten Hosenanzug sieht sie aus wie eine kandidelte Karrierefrau – noch so eine Maske.
Die Bundesanwaltschaft hält Beate Zschäpe, gelernte Gärtnerin, meistens arbeitslos, für einen unverzichtbaren Bestandteil des Neo-Nazi- Trios, das von 2000 bis 2007 mordend und raubend durch die Republik zog. Die Ankläger behandeln sie, als habe sie selbst abgedrückt bei den zehn Morden. Sie verwaltete das Geld aus den Bankrauben, behauptet die Anklage, das Trio plante die Taten gemeinsam. 1998 gingen sie in den Untergrund – und Zschäpe sorgte für die bürgerliche Tarnung.
Sie feierte auf Nachbarschaftfesten, trank mit dem griechischen Wirt Ouzo, organisierte unter falschen Namen Bahncards und Krankenkassenkarten. Der eine sei ihr Freund, der andere sein Bruder, erklärte sie das seltsame Dreiecksverhältnis zu Mundlos und Böhnhardt. Die beiden seien erfolgreich in der Computerbranche, sagte sie, wenn die mal wieder länger unterwegs waren. Wenn die Männer mordeten, sah sie daheim Pornos am Computer. Das Schicksal von „Sexy Cora“ interessierte sie, während ihre Männer irgendwo Kindern ihre Väter nahmen. Und wenn sich die beiden Uwes danach verspäteten, dann surfte Beate besorgt nach „Unfällen in Sachsen“.
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All das fanden die Fahnder auf den Festplatten. Von einer unterschiedlichen, aber gleichwertigen Arbeitsteilung sprechen die Ankläger, sie sei die Logistikerin gewesen. Und auch an der Gründung der politischen Gruppe, des gewalttätigen „nationalsozialistischen Untergrunds“, sei sie von Anfang an, seit 1998 beteiligt gewesen. Wie rücksichtslos die leutselige Beate vorgehen kann, das zeigte sie am 4. November 2011.
Nach dem Selbstmord von Böhnhardt und Mundlos zündete sie die gemeinsame Zwickauer Wohnung an. Den Tod zweier Handwerker und einer 90-Jährigen, die gebrechlich im Haus lebte, nahm sie billigend in Kauf. Aber ihre Katzen, um die sie herzhaft weinte, wenn sie mal abgängig waren: Für die sorgte sie noch, bevor sie das Feuer legte. Sie brachte sie bei Nachbarn unter.
Dass sie die bürgerliche Fassade glaubhaft spielen kann, dass sie gesellig ist und eitel, das kann man vom ersten Augenschein im Prozess nachvollziehen. Ihre langen Haare lässt sie sich auch im Knast ständig nachfärben. Schon am Nachmittag des ersten Verhandlungstags ist jede Unsicherheit weg bei Zschäpe. Sie lässt die Ohrringe aufblitzen und sich von den Verteidigern bei Laune halten.
So munter und so angeregt plappert sie mit ihren Anwälten, dass man kaum glauben mag, wie sie die Strategie ihrer Verteidigung durchhalten soll. Beate Zschäpe will die ganze Zeit schweigen. Und die Opfer müssen weiter warten.