Beate Zschäpe: Bespuckt in Stadelheim

Seit März sitzt die mutmaßliche NSU-Terroristin in U-Haft in München. Mit einem geliehenen Laptop bereitet sie sich auf den Prozess vor – der türkische Sender TRT durfte im Frauentrakt drehen
von  Natalie Kettinger

Seit März sitzt die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe in U-Haft in München. Mit einem geliehenen Laptop bereitet sie sich auf den Prozess vor – der türkische Sender TRT durfte im Frauentrakt drehen.

München - Am Anfang wurde sie bespuckt, mittlerweile soll sie mehrere Freundschaften geschlossen haben: Seit Mitte März sitzt die mutmaßliche Nazi-Terroristin Beate Zschäpe in Stadelheim ein. Jetzt ist es dem türkischen Fernsehsender TRT als erstem ausländischen Medium gelungen, im Frauentrakt der Münchner Justizvollzugsanstalt zu drehen und Einzelheiten über Zschäpes Leben hinter Gittern zu erfahren.

„Das Informationsbedürfnis aus der Türkei ist insbesondere seit der Polemik um die Akkreditierungsvergabe stark gestiegen“, sagt Vural Ünlü, Vorstandsvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Bayern. Er koordiniert die journalistische Arbeit von TRT, eines öffentlich-rechtlichen Senders mit Sitz in Ankara, der über Kabel und Satellit auch in Deutschland empfangbar ist. Das Interesse seiner Landsleute versuchen der Münchner und sein Team nun mit Hintergrundberichten zu befriedigen – etwa aus Stadelheim, wo die Hauptangeklagte Beate Zschäpe auf den Beginn des NSU-Prozesses am 6.Mai wartet. Rund 74 Euro kostet den Steuerzahler jeder einzelne Hafttag.

Die Zellen in dem erst wenige Jahre alten Frauentrakt hätten ihn an eine Jugendherberge erinnert, erzählt Ünlü: „Mit Bett, Schreibtisch, Stuhl, separater Toilette und einem schwenkbaren HD-Fernseher.“ Beate Zschäpe sei in einer Einzelzelle untergebracht, auf einem Gang mit 30 anderen Frauen. „Am Anfang wurde sie bespuckt, inzwischen scheint sie Anschluss gefunden zu haben.“ Die JVA habe ihr einen Laptop – ohne Internetzugang – gestellt, mit dem sie sich akribisch auf das Verfahren vorbereite. „Ihre Anwälte sind oft bei ihr. Mutter und Oma hingegen haben noch keine Besuchsanträge gestellt.“ Die mutmaßliche Nazi-Terroristin scheint in einer stabilen mentalen Verfassung zu sein. „Zumindest hat sie den Psychologischen Dienst der Haftanstalt bislang nicht in Anspruch genommen.“

Im Frauentrakt sind auch vier türkischstämmige Insassinnen untergebracht. „Aber wir wissen nicht, ob Beate Zschäpe ihnen jemals begegnet ist“, sagt Vural Ünlü.

Ihr JVA-Besuch war nicht der einzige Coup, den die türkischen Journalisten gelandet haben: Diesen Montag wird ihnen Karl Huber, der Präsident des Oberlandesgerichts, ein Exklusiv-Interview geben. Eine Gunst, die der Jurist anderen Medien derzeit verwehrt. Vural Ünlü ist begeistert: „Ein starkes Signal an die türkische Öffentlichkeit und hilft, Vertrauen zurück zu gewinnen.“

Landespolizeipräsident Waldemar Kindler war ebenfalls zum Gespräch mit den Reportern aus Ankara bereit – nur einer will sie partout nicht empfangen: Ministerpräsident Seehofer. Alle Anfragen seien freundlich aber bestimmt von der Pressestelle zurückgewiesen worden, sagt Ünlü. „Dabei ist Bayerns Image beschädigt – und als Landesvater kann man Größe zeigen, wenn man bereit ist, sich kritischen Fragen zu stellen und sich nicht wegduckt, wenn ein kalter Wind weht.“

 

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