Beate M. (41) hat ein Spenderorgan: "Meine Leber ist ein Geschenk"

Vor neun Jahren und neun Monaten wäre Beate M. fast gestorben. Sie war 31 Jahre alt und schwanger. In letzten Moment bekam die Allgäuerin eine Spenderleber – Mutter und Kind überlebten. So geht es ihnen heute.
München – Es hatte harmlos begonnen. Beate M. dachte, sie hätte sich erkältet oder schlimmstenfalls eine Grippe. Die Maschinenbautechnikerin aus dem Allgäu fühlte sich schwach, dazu kam ein merkwürdiger Ausschlag an den Beinen. Es fiel der jungen Mutter zunehmend schwer, ihren eineinhalb Jahre alten Sohn zu versorgen. Ihr Arzt tippte zunächst auf eine Duftstoffallergie, er fragte, ob sie ein neues Waschmittel ausprobiert hätte und schickte sie wieder nach Hause. Doch dann kamen Gliederschmerzen dazu und hohes Fieber.
„Ich habe solche Schmerzen bekommen, dass ich nicht mehr liegen konnte“, berichtet Beate M. der AZ. Ihr Mann rief den Notarzt. Doch auch der Notfallmediziner lag mit seiner Diagnose daneben, er ging von einer Grippe aus und ließ ihr Globuli da. So ging es tagelang weiter, die Mediziner erkannten zunächst nicht, wie schwer die junge Mutter erkrankt war. Beate M. vermutete damals schon, dass sie wieder schwanger sein könnte. Sie und ihr Mann wünschten sich sehnlich ein zweites Kind.
Die Schmerzen wurden von Tag zu Tag schlimmer. „Ich ging wie ein Roboter.“ Ein neuer Arzt schickte Beate M. schließlich nach Memmingen ins Krankenhaus. Nun hieß die Diagnose Rheuma. Zum Wochenende wurde sie wieder heimgeschickt. Schon am nächsten Tag brachte ihr Mann sie wieder hin. Beate M. kam auf die Intensivstation. Am zehnten Tag, einem Sonntag, ließen sie die Memminger Klinikärzte mit einem Krankenwagen ins Klinikum Großhadern bringen. Das war ihre Rettung.
„Muss ich sterben?“, fragte sie ihren Mann. Er antwortete nicht
„Ich hatte extrem erhöhte Leberwerte, Herzrasen und hohes Fieber. Ich konnte zeitweise gar nicht mehr sprechen.“ In Großhadern war schnell klar, dass die damals 31-Jährige in Lebensgefahr schwebte. „Mein Mann saß an meinem Bett. Als ich ihn gefragt habe, ob ich jetzt sterben muss, hat er mir nicht geantwortet. Er hatte Tränen in den Augen. Da habe ich begriffen, wie ernst es ist.“
Die junge Frau hatte eine Hepatitis-E-Infektion. Wo sie sich angesteckt hatte, weiß sie bis heute nicht genau. Möglicherweise hatte sie sich das Virus bei einer Südamerika-Reise eingefangen. Tatsache war: Der Erreger hatte ihre Leber zerstört, griff bereits andere Organe an. In diesem Zustand erfuhr Beate M., dass sie schwanger war – in der 13. Woche. „Es war keine Zeit mehr darüber nachzudenken“, sagt sie heute.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Arzt setzte sich an ihr Bett und sagte, dass sie eine neue Leber bräuchte. Und dass sie eine für sie hätten. „Es war eine Entscheidung über Tod oder Leben. Ich war so schwach, dass ich mit ganz zittriger Schrift unterschrieb.“
Ob ihr Baby die OP überleben würde, konnte ihr zu diesem Zeitpunkt niemand sagen. Es war am 4. August 2005 – zwei Wochen nach den ersten Symptomen – als Beate M. in den OP-Saal geschoben wurde. „Ich habe noch gehört, wie jemand sagte: ,Das Organ ist da. Sie bekommen noch ein Beruhigungsmittel.’ Ich dachte noch, das brauche ich nicht, ich bin doch schon voller Medikamente!“ Dann dämmerte sie weg.
Wäre die Schwangerschaft noch nicht so weit fortgeschritten gewesen, hätte Beate Maier ihr Baby wohl verloren. Aber auch größer hätte es nicht sein dürfen: „Es war genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie haben das Kind während der Operation auf die Seite gelegt.“ Alles war gut gegangen. „Als ich aufwachte, lebte mein Baby. Aber keiner hat mir sagen können, ob es durch die starken Medikamente, die eine Abstoßung des transplantierten Organs verhindern, behindert sein würde.“
"Franziska ist ein Wunderkind!"
Beate M. trug ihr Baby trotzdem aus. In der 37. Woche sollte die Geburt eingeleitet werden, das Kind sollte nicht auf das neue Organ drücken. Doch die kleine Franziska bestimmte den Zeitpunkt ihrer Geburt selbst und kam kurz zuvor von alleine. „Franziska kam gesund auf die Welt. Sie ist ein Wunderkind“ Auch heute noch kann die Mutter ihr Glück kaum fassen: „Franziska kam absolut gesund auf die Welt. Sie ist ein Wunderkind!“
Seit fast zehn Jahren lebt die zweifache Mutter nun schon mit der Leber eines anderen. Das Spenderorgan stammt von einem Mann. Mehr weiß sie nicht. Beate M. arbeitet wieder in ihrem Beruf, sie tanzt Zumba und arbeitet im Garten – sie fühlt sich fit und gesund wie früher. In den ersten Wochen rechnete sie fest damit, dass es ihr noch zu schaffen machen würde, ein fremdes Organ in ihrem Körper zu haben. Doch dann traf sie in der Reha eine Frau, der ein Herz transplantiert worden war. Sie erzählte ihr von einem Traum, den sie gehabt hatte. In diesem Traum sei sie dem Spender begegnet und er habe zu ihr gesagt: „Ich schenk dir mein Herz. Das musst du annehmen!“ Beate M.: „Seit diesem Tag sehe ich meine Leber als Geschenk.“