Bayernweit sinkt Gewalt gegen Polizisten - nur nicht in München

München - Oft sind es Routineeinsätze, die plötzlich eskalieren. So wie am Dienstagabend in einem Hotel im Münchner Bahnhofsviertel. Ein Angestellter meldete per Notruf einen Gast, der auf seinem Zimmer randalierte und einen Teil der Einrichtung zertrümmerte. Der 30-Jährige aus Regensburg schien unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu stehen.
Eine Streife der PI 14 (Westend) versuchte, den Hotelgast zu beruhigen. Doch der 30-Jährige reagierte aggressiv auf die beiden Polizisten. "Er wollte weder seinen Personalausweis vorzeigen", sagt ein Polizeisprecher, "noch war er in sonst einer Weise kooperativ."
Gewalt gegen Polizisten in München: Kopfstoß wie aus dem Nichts
Als ihn die Beamten festnehmen wollten, wehrte sich der Hotelgast massiv. Mit einem gezielten Kopfstoß traf er einen 35-jährigen Polizisten im Gesicht. Der Beamte kam schwer verletzt im Rettungswagen ins Krankenhaus. Gegen den Tatverdächtigen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der Regensburger wird dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Der muss entscheiden, ob der 30-Jährige in U-Haft kommt.
Angepöbelt, beschimpft, attackiert: Sinkende Hemmschwelle gegenüber Münchner Polizei
In München sind derartige Fälle an der Tagesordnung. "Der Einsatz für Polizisten ist in der Großstadt mit größeren Gefahren verbunden", sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Vor allem an den Wochenenden und nachts spüren die Beamten, dass ihnen gegenüber die Aggressionen steigen, die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt. Sie werden angepöbelt, beschimpft und auch attackiert. "Meist interessiert es die Täter nicht, ob sie einen Mann oder eine Frau in Uniform vor sich haben", erzählt ein Münchner Polizist.
Es sind vor allem Männer, die zu verbaler oder körperlicher Gewalt neigen. Laut der am Mittwoch im Innenministerium vorgestellten Zahlen sind 84 Prozent der Verdächtigen Männer (5.368 Fälle), 59 Prozent waren betrunken oder standen unter Drogen (3.747 Fälle). Bei 951 Männern spricht das Ministerium von Mehrfachtätern: 15 Prozent der Verdächtigen.
In Bayern wurde im vergangenen Jahr weniger Gewalt gegen Polizisten registriert. Erstmals seit 2017 sind die Zahlen laut Innenministerium gesunken. "Es ist ein Lichtblick, leider noch nicht mehr", erklärt Jürgen Köhnlein, bayerischer Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft (DPolG). "Denn trotz einer Gesamtabnahme sind die Zahlen bei den schweren Angriffen nicht wirklich spürbar zurückgegangen. Gerade die Anzahl der Angriffe mit Waffen ist entweder gleich geblieben oder sogar gestiegen. Eine Kehrtwende bei der Intensität gibt es daher leider nicht."
1.500 Fälle von Widerstand gegen die Beamten
Wie aus dem Lagebild hervorgeht, wurden 2021 bayernweit 7.826 Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten registriert (- 8,9 Prozent im Vergleich zu 2020). Mehr als die Hälfte der Fälle waren Angriffe mit körperlicher Gewalt (4.379).
Schwerpunkte der Straftaten waren Beleidigungen (3.080 Fälle), tätliche Angriffe (2.169 Fälle) und Widerstände gegen Polizeivollzugsbeamte (1.498 Fälle). In zwölf Fällen hatte der Angreifer eine scharfe Schusswaffe bei sich (2020: 9). 19.069 bayerische Polizistinnen und Polizisten wurden 2021 Opfer von physischer und psychischer Gewalt (- 7,7 Prozent). Die Zahl der Verletzten sank um 180 auf 2.629. Darunter waren 19 Schwerverletzte, die stationär behandelt werden mussten.
In München ist die Gewalt gegenüber Polizisten nicht so deutlich zurückgegangen wie im Rest des Freistaats. Die Zahlen hätten sich im Vergleich zum Vorjahr kaum geändert, heißt es. Bei Einsätzen wurden 531 Polizisten in München verletzt, knapp 70 mehr als in 2020. Weitere Zahlen will das Präsidium am Freitag veröffentlichen. Ein Grund für die hohen Zahlen könnten die vielen Demonstrationen in der Stadt sein, beispielsweise von Corona-Skeptikern und Querdenkern wegen der Pandemiebeschränkungen. Dabei kam es immer wieder zu Übergriffen auf Polizisten, Beleidigungen und Beschimpfungen.