Bayernpartei vor Gericht: Eine verhängnisvolle Affäre

Drakonische Strafen für Politiker: Vor 50 Jahren fielen in München die Urteile im Spielbank-Prozess. Nach dem Urteil verlor die mitregierende Bayernpartei ihre Macht - und hat sich bis heute nicht von dem Skandal erholt.
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Bei der Urteilsbegründung von links nach rechts: Freisehner, Klotz, Baumgartner, Geislhöringer.
AZ Bei der Urteilsbegründung von links nach rechts: Freisehner, Klotz, Baumgartner, Geislhöringer.

MÜNCHEN - Drakonische Strafen für Politiker: Vor 50 Jahren fielen in München die Urteile im Spielbank-Prozess. Nach dem Urteil verlor die mitregierende Bayernpartei ihre Macht - und hat sich bis heute nicht von dem Skandal erholt.

Es ist der Prozess des Jahres. Schon um sieben Uhr morgens warten die ersten Zuhörer vor dem Schwurgerichtssaal. Als die Türen geöffnet werden, prügeln sie sich um die Plätze. Es ist der 8. August 1959.

Vor genau 50 Jahren fielen die Urteile im Spielbank-Prozess. Hochrangige Politiker wurden zu harten Strafen verurteilt. Gefängnis, Zuchthaus, Ehrverlust. Um was ging es bei der Affäre? Bayern wurde damals von einer Vierer-Koalition regiert, zu der die Bayernpartei gehörte. Die CSU saß auf der Oppositionsbank.

Der Vorwurf: Politiker sollen Bestechungs-Gelder bekommen haben

1955 hatte der Landtag die Konzessionsvergabe an Privatleute zum Betrieb von Spielbanken gebilligt. In Bad Kissingen, Bad Reichenhall, Garmisch-Partenkirchen und Bad Wiessee eröffneten Kasinos. Schon bald brodelte die Gerüchteküche: Bei der Lizenzvergabe sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, hieß es. Es sei Geld geflossen.

Ein Ermittlungsausschuss im Landtag sollte klären, was an den Vorwürfen dran ist. Unter Beschuss waren führende Köpfe der Bayernpartei geraten, darunter der stellvertretende Ministerpräsident Joseph Baumgartner. Der Ausschuss wurde zwar nicht fündig. Aber die Affäre war noch lange nicht vorbei: 1957 trat die Regierung zurück. Den neuen Ministerpräsidenten stellte die CSU.

Das Urteil: Meineid

Zwei Jahre später dann der Paukenschlag: Karl Freisehner, ein Spielbank-Interessent, erstattete Selbstanzeige – im heimlichen Einvernehmen mit der CSU. Er gab an, Bestechungsgelder gezahlt zu haben – auch an Joseph Baumgartner. Das Magazin Spiegel befand später: Von den Beschuldigungen, die Freisehner gegen den Politiker erhoben habe, „blieb vor Gericht nichts übrig“. Trotzdem gab es Verurteilungen: Er und andere Politiker hatten vor dem Ausschuss im Landtag Angaben gemacht, die das Gericht als Meineid bewertete.

War das Ganze nur eine CSU-Intrige? Wolfgang Baumgartner, Sohn des Bayernpartei-Politikers, ist davon überzeugt: „Das war ein abgekartetes Spiel von den Schwarzen. Mein Vater ist ihnen zu gefährlich geworden, weil er zu viele Anhänger hatte.“ Der 67-Jährige ist sicher, dass sein Vaters unschuldig war. Von Freisehner sei außer einem Fresskorb nie etwas im Hause Baumgartner angekommen. „Freisehner hat zwar gesagt, wenn er eine Konzession bekommt, kriegt mein Vater Geld oder Grundstücke – aber darauf hätte sich mein Vater nie eingelassen!“

"Ab da ging's abwärts"

Aus CSU-Sicht klingt der Ausflug in die Zeitgeschichte anders: „Ich glaube nicht an eine Intrige als solche“, sagt Ex-Kunstminister Thomas Goppel. Einen konzertierten Akt der CSU kann er sich nicht vorstellen. „Aber ich schließe nie aus, dass ein schräger Vogel dabei ist.“ Für die Familie Goppel brachte die Affäre große Veränderungen mit sich. Sie markierte den Beginn der Karriere von Alfons Goppel. Oder wie sein Sohn es sagt: Sie war „die ungewöhnliche Chance, die er genutzt hat“. Denn nach dem Ende der Vierer-Koalition wurde Alfons Goppel Staatssekretär.

Bis heute existieren unterschiedliche Ansichten, was in den 50ern wirklich geschah. Nur eines ist klar: Die Bayernpartei hat sich nie mehr erholt. „Ab da ging’s abwärts“, erklärt Thomas Hummel (27), Stadtrat der Bayernpartei. „Ob wir uns jetzt nochmal davon erholen, hängt an meiner Generation.“

Julia Lenders

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